Es geht um eine wunderbare Freundschaft. Die Raubritter werden vermutlich dennoch kurz ein Leuchten in die Augen kriegen. Denn „Oktoberfest – Festbier“ steht auf der Dose, das Ausdruck dieser Freundschaft ist. Das klingt nach fetter Beute. Denn der Begriff Oktoberfestbier, erklärt einer der Männer, die das in der Dose gebraut haben, ist geschützt. „Oktoberfestbier“ ist ein Begriff, der „nur von Münchner Brauereien verwendet werden darf und in Europa eingetragenes Markenzeichen ist“, sagt der Mann aus Hamburg. Und es gebe „eine Horde von Arschlöchern, die sich Abmahnanwälte nennt, und nur darauf warten, dass man sowas mal so benennt“. „Früher waren das Raubritter, aber da konnte man denen auch noch den Kopf abschlagen“, sagt er. Die Sitten haben sich geändert. Und in diesem Fall kann sich der Oktoberfestbier-Brauer ganz entspannt zurücklehnen, obwohl er weit weg von München zuhause ist.
Der Mann ist Oliver Wesseloh, der Gründer und Inhaber der Hamburger Kehrwieder Brauerei. Dass die Menschen, die er moderne Raubritter nennt, ihm in diesem Fall nichts anhaben können, liegt daran, dass dieses Oktoberfestbier in Europa nicht auf den Markt kommt. Zumindest nicht in der Dose oder in der Flasche. Vielleicht werden es aber ein paar Fässer über den großen Teich schaffen, die dann – natürlich – nicht als Oktoberfestbier verkauft werden.
Das Ergebnis einer wunderbaren Freundschaft
Gebraut hat Olli Wesseloh das Bier nämlich zusammen mit Scott Jennings, dem Braumeister von Sierra Nevada in den USA. Warum gerade mit Sierra Nevada? „Weil es wahrscheinlich die geilste Brauerei der Welt ist“, sagt Olli. Für ihn ist Sierra Nevada, 1980 von Ken Grossman als kleine Brauerei in Kalifornien gegründet und mittlerweile eine der größten Brauereien der USA, „der Goldstandard, die Messlatte in allen Belangen“. Scott kennt er seit 2000. Beide haben an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) studiert. Nach dem Studium hat er Scott aus den Augen verloren, erzählt Olli. Als er 2009 für den deutschen Brauanlagenhersteller Ziemann bei Sierra Nevada war und Ken ihn rumgeführt hat, habe er Scott wiedergesehen. Es war sozusagen der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
„Unsere Verbindung zu Sierra geht relativ tief“, sagt Olli. „Unser erstes Bier, das wir in Deutschland auf unserer eigenen Anlage gebraut haben, das Old School IPA, dafür war Scott da. Das war der erste Collaboration-Sud, den Sierra überhaupt in Deutschland gebraut hat.“ Es sind einige Freundschaften entstanden zwischen dem Hamburger und Menschen aus der Sierra-Nevada-Führung. Dass eine der bedeutendsten Brauereien der USA die kleine Hamburger Kreativbrauerei ausgesucht hat, um gemeinsam Bier zu brauen, sei faszinierend, sagt Olli. Das habe auch damit zu tun, dass man in der Sierra-Nevada-Chefetage nicht mehr nur ans Marketing denke, also an die großen Namen der Brauereien, mit denen man zusammenarbeitet, sondern „zur wahren Wurzel der Collaboration Brews zurückgegangenist: mit Freunden etwas gemeinsames zu machen“, erklärt Olli. „Dass sie dabei an uns gedacht haben, ist eine der größten Ehren, die mir widefahren kann.“
„Heute stellt Kehrwieder deutsches Craft Beer auf den Kopf – genau wie wir es in den USA getan haben.“
Sierra Nevada
Dass man gemeinsam ein Oktoberfestbier gebraut hat, ist Sierra-Nebada-Tradition. „Mit Bitburger, Weihenstephan, Riegele, Mahrs und Faust“ gab es auch bereits solche Sude, zählt Oli auf. Für den Sud, den er mit Scott gemacht hat, war „die Basis tatsächlich ein klassisches Festbierrezept“, verrät er. Es sei „eine Mellange aus unseren Flagship-Bieren geworden, Pale Ale und Prototyp, die beide von der Stammwürze in die Kategorie Festbier reinpassen“. Das Malz komme hauptsächlich aus dem Pale-Ale-Rezept von Sierra Nevada, „der Hopfen primär vom Prototyp, aber kein Dryhopping“, sagt Olli. 6 Volumenprozent Alkohol hat das Bier, 30 IBU.
Bei Sierra Nevada formuliert man es so: „Diese Kollaboration ist 20 Jahre in der Mache, damals, als unsere Braumeister Klassenkameraden in Berlin waren. Heute stellt Kehrwieder deutsches Craft Beer auf den Kopf – genau wie wir es in den USA getan haben – und unsere gemeinsame Leidenschaft ist in diesem Festbier verschmolzen, das hell wie poliertes Kupfer ist, reich an Biskuitmalz und ausgewogen durch eine kräftige Mischung aus deutschem und amerikanischem Hopfen.“
Olli wird Ende September in die USA reisen, um mit dem Oktoberfest-Festbier auf die Freundschaft anzustoßen. Und vielleicht nutzt er die Gelegenheit, ein paar Fässer des Freundschaftssuds über den großen Teich zu schaffen. Scott und Olli würden gerne auch im Oktober in Deutschland mit ihrem gemeinsamen Bier anstoßen zu können. Der Termin steht inzwischen: „Sierra Nevada meets Kehrwieder“ soll es am 14. Oktober im „Galopper des Jahres“ heißen.
(27. Juli 2023, aktualisiert am 28. Juli 2023)