„Wir fühlen uns zu kuehnen Taten berufen. Denn nur wer kuehn ist, traut sich jenseits von Konventionen und Grenzen zu fühlen, zu denken und zu handeln.“ Es gibt Menschen, bei denen fällt einem nach solchen Sätzen nur ein Wort ein: Schwätzer. Wendelin Quadt ist keiner von diesen Menschen. Er arbeitete in der IT, war Ingenieur, kaufmännischer Leiter eines größeren Unternehmens. Brauen war seit Ende der 90er Jahre ein Hobby für ihn. Wendelin war 53 Jahre alt, beruflich erfolgreich, also in einer Lebensphase, in der die meisten Menschen eher schonmal an die Rente und ans Ausruhen als an einen Aufbruch denken. Wendelin ist aufgebrochen. Er hat sich den Traum vom eigenen Bier, später dann auch den von der eigenen Brauerei erfüllt. Das ist nun 10 Jahre her.
KuehnKunzRosen hat Wendelin sein Unternehmen genannt – und erklärt das so: „In allem was wir tun, sind wir vom Leben des Kunz von der Rosen inspiriert.“ Der Mann hat von 1470 bis 1519 gelebt. Wendelin ist bei der Suche nach einem passenden Namen für das, was er vorhatte, in der Fastnacht auf ihn gestoßen. „Als kuehner Berater und Hofnarr wirkte er mit viel Witz und Intelligenz am Hof des Kaisers Maximilians I. – zur Zeit, als das Reinheitsgebot ins Leben gerufen wurde. Beim Kaiser, an seinem Hof und weit darüber hinaus, war er als schillernde Persönlichkeit bekannt, bereit neue Wege zu gehen und kuehne Taten zu vollbringen“, beschreibt Wendelin den Namensgeber seiner Brauerei.
Der Name ist eine Melodie
Der Name ist für ihn und viele seiner Kundinnen und Kunden inzwischen auch „eine Melodie“. So wie die Etiketten nicht einfach Aufkleber mit Informationen, sondern kleine Kunstwerke sind. Dabei sei es ihm gar nicht darum gegangen, mit den Etiketten aufzufallen. „Ich fand das einfach geil und cool. Es hat mir gefallen“, erzählt er. Deshalb habe er in die Gestaltung einiges investiert. Das war damals eher ungewöhnlich. „Inzwischen gibt es viele andere, die da richtig gut sind – vor allem auch bei der Gestaltung von Dosen“, verneigt sich Wendelin vor den Kolleginnen und Kollegen.
„Das Gestalterische war immer ein Thema“
Es sei gerade in den Anfangszeiten viel darum gegangen, „die Wertigkeit von Bier“ hervorzuheben. „Da geht es natürlich darum, wie man es verpackt, was für Gläser man nimmt. Das Gestalterische war immer ein Thema“, sagt er. Was den Inhalt angeht, setzt KuehnKunzRosen „auf Klassisches und Regionales – auf das, was die Leute in der Gastronomie nachfragen. Da brauche ich kein Double IPA“, erklärt Wendelin. Aber es werden auch immer wieder „Spezialgeschichten in kleinen Auflagen“ gebraut. „Wir sind da flexibel.“
2014 ging es in Mainz los
2014 hat Wendelin in Mainz als Gypsy Brewer angefangen. „Wir waren damals in der Welle 1B – das heißt: Wir waren mit bei den ersten, aber eben nicht die ersten“, erklärt er. Das, was die Amerikaner Craft Beer nennen, wurde damals schon lange gebraut in Deutschland – nur nannte das noch niemand so. Einige von denen, die damals als neue Brauer mit dabei waren, als man in Deutschland anfing, von Craft Beer zu sprechen, haben inzwischen aufgegeben.
Wendelin kann sich noch gut an die Euphorie der Bewegung erinnern. Davon ist wenig geblieben. „Ich glaube aber nicht, dass das Thema Craft tot ist“, sagt er. Anders als in den USA hat es in Deutschland kaum eine Brauerei geschafft, im nationalen Markt zu bestehen. Auch KuehnKunzRosen nicht. Ganz am Anfang sei auch sein Bier in den Märkten einiger großer Ketten verkauft worden. Inzwischen sei „die Distribution von Craft Beer zusammengebrochen“. Das Ganze habe ihn „nicht desillusioniert“, es habe ihn aber „bodenständiger werden lassen“. „Der Markt hat sich anders entwickelt als erhofft – nicht nur der Markt für Craft Beer. Wir mussten uns anpassen“, erklärt Wendelin.
Platz in der Region
Das hieß für sein Unternehmen: einen Platz in der Region finden. Das ist gelungen. In Mainz und Umgebung sei KuehnKunzRosen „gut eingeschlagen“. Das lag auch daran, dass es in Mainz in einer Weingegend liegt und es keine echte lokale Konkurrenz gab. 2017 hat Wendelind seine eigene Brauerei eröffnet. Dort braut er nicht nur sein Bier, sondern bietet auch Lohnbrauen an. Flügge hat bei ihm gebraut. Dass dieses Team aufgegeben hat und andere ihr Auftragsvolumen zurückgefahren haben, das habe „weh getan“.
Selbst um Regalpflege kümmern
Aber einige unternehmerische Entscheidungen haben geholfen, durch schwere Zeiten zu kommen: „Wir waren immer breit aufgestellt.“ Das eigene Bier, eine eigene Gastronomie, das Lohnbrauen, Präsenz auf Veranstaltungen in der Region, ein wenig nationaler Handel. Er hat Gastro-Kunden unter anderem in Mainz, Frankfurt, Stuttgart und im Raum Köln/Bonn. „Wir bespielen den Markt intensiv“, sagt er. Dazu gehört auch, dass man sich in Supermärkten selbst um die Regalpflege kümmert.
8 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Wendelin inzwischen. „Ich braue nicht mehr selbst. Ich habe gute Leute, die das können“. sagt er. Er wolle für sein Unternehmen „nicht zu einem Altersrisiko werden“. Das heißt für ihn: „Ich bleibe dabei, schaue aber, dass es ohne mich funktioniert.“ So kühn, wie Wendelin vor 10 Jahren in ein neues Abenteuer aufgebrochen ist, so souverän und kühn steuert er also nun seine Brauerei in die Zukunft.
(Alle Fotos sind von KuehnKunzRosen.)
(24. Januar 2024)