Na, das letzte Bier war schlecht? Vielleicht ja echt: Unser nächster Bierfehler ist nicht nur Aromakomponente und kann Fehlgeschmäcker verursachen, sondern ist auch ein echter Kater-Verursacher: Acetaldehyd. Acetaldehyd beeinflusst die Geschmacksstabilität, ist ein natürliches Nebenprodukt der Gärung und zählt zu den wichtigsten flüchtigen Aromastoffen im Bier. Es sorgt für Aromen, wie „grüner Apfel“ oder „frisch gemähtes Gras“ – also typisch Jungbier – und in zu hohen Konzentrationen für einen stechenden Geschmack, oft als Klebstoff-ähnlich beschrieben. Manchmal – im Sherry zum Beispiel – können auch Walnussnoten auftreten.
Was ist Acetaldehyd eigentlich?
Wieder etwas Biochemie! Ganz ohne geht’s hier leider auch wieder nicht. Acetaldehyd – auch Ethanal genannt – zählt zur Gruppe der Carbonylverbindungen, es enthält also eine C=O-Gruppe. Außerdem ist, wie der Name schon sagt, ein Aldehyd. Das Wort kommt von „alcoholus dehydrogenatus“, also Alkohol, dem Wasserstoff entzogen wurde. Im Bier hat man bislang über 200 verschiedene solcher Verbindungen gefunden.
Natürlich kommt Acetaldehyd in vielen Lebensmitteln vor: Birne, Apfel, Himbeere, aber auch in Milch, Brot und Yoghurt.
Wie entsteht Acetaldehyd im Bier?
Acetaldehyd wird in der Regel während der alkoholischen Gärung, als Ergebnis der Decarboxylierung (Abspaltung eines CO2-Moleküls) von Pyruvat, gebildet und dann größtenteils weiterverarbeitet zu Ethanol.
Dementsprechend variiert die Konzentration vor allem während der Gärung, aber auch während der Lagerung, extrem. Die höchste Konzentration erreicht Acetaldehyd während der Hauptgärung.
Eine geringe Menge wird zudem während der Würzekochung aus Alanin, einer Aminosäure, durch Stecker-Abbau gebildet. Außerdem kann es durch Mikroorganismen, wie beispielsweise Zymomonas und Acetobacter, zur Bildung von Acetaldehyd kommen.
Typischerweise variiert die Konzentration des Acetaldehyds während der Fermentation des Bieres zwischen 3 und 35 mg/l. Für gereiftes Bier liegen die Werte bei 1 bis 16 mg/l. Der Geschmacksschwellenwert im Bier ließ sich bislang nicht zweifelsfrei bestimmen. Ältere Studien sprechen von 10 bis 20 mg/l, manchmal sogar 50 mg/l, neuere von 1 bis 2 mg/l. Bei Wein beispielsweise liegt er deutlich höher, bei etwa 100 bis 125 ,g/l.
Was beeinflusst die Acetaldehyd-Konzentration?
Zunächst ist da die Fermentationstemperatur. In einem Temperaturbereich von 6,5 °C bis 16 °C führt eine höhere Fermentationstemperatur zu einer Verringerung der Acetaldehyd-Konzentration – sowohl im Jungbier, als auch im endvergorenen Bier. Grund dafür ist vermutlich die höhere enzymatische Aktivität in der Hefe. Erst bei Temperaturen über 20 °C ändert sich diese Tendenz langsam wieder und der Acetaldehyd-Gehalt steigt. Eine hohe Lagertemperatur lässt die Konzentration ebenfalls steigen.
Zum Einfluss der Hefegabe gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Sie hat einen Einfluss, es kann aber nicht abschließend gesagt werden, ob mehr oder weniger grundsätzlich zu einer Erhöhung oder einer Verringerung der Acetaldehyd-Konzentration führen. Es wird vermutet, dass prinzipiell größere Hefegaben die Konzentration verringern, die Testergebnisse aber variieren, da die Aktivität geringerer Hefegaben die größere Hefegabe aber teilweise ausgleichen kann.
Auch der pH-Wert der Anstellwürze beeinflusst die Acetaldehyd-Konzentration. Studien haben aber gezeigt, dass es keine eindeutige Tendenz gibt. So ist beispielsweise bei PH 5,2 die Konzentration höher als bei pH 4,8, bei pH 5,8 ist der Wert aber wiederum geringer als bei 4,8. Auch das ist vermutlich auf die unterschiedliche Aktivität der Hefe bei unterschiedlichem pH-Wert zurückzuführen.
Der Hefestamm beeinflusst die Konzentration ebenfalls. Allerdings kann nicht grundsätzlich gesagt werden, dass beispielsweise obergärige oder untergärige Hefen mehr oder weniger erzeugen. Es ist produktspezifisch.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es einige Parameter gibt, die die Acetaldehyd-Konzentration beeinflussen, allerdings vor allem während der Gärung. Im endvergorenen und gelagerten Bier ist die Konzentration in der Regel sehr gering, die Lagerzeit ist also für das fertige Bier entscheidend. Zudem zeigen Studien, dass gerade nach der Lagerung das verhältnismäßig milde Aroma, trotz ab und zu höherer Konzentrationen, nicht mehr geschmeckt wurde. Dann ist die Carbonylverbindung vielmehr eine Art Geschmacksverstärker für andere Aromakomponenten.
Was passiert nach der durchzechten Nacht?
Wer dachte, dass Alkohol den Kater auslöst, hat damit nur halbrecht. Denn eigentlich sind die Stoffwechselprodukte, die bei dessen Abbau in der Leber entstehen, Schuld. Damit der Alkohol wieder abgebaut wird, wandelt das Enzym Alkoholdehydrogenase das Ethanol in Acetaldehyd um. Und die dabei entstehende Menge an Acetaldehyd wird durch Aldehyddehydrogenase in Essigsäure umgewandelt. Jetzt dauert der Prozess aber ein bisschen und das noch nicht umgewandelte Acetaldehyd wirkt wie Gift im Körper. Es kann beispielsweise eine Leberzirrhose verursachen, krebserregend sein und führt zur Bildung von Sauerstoffradikalen, die oft negativ behaftet sind, da sie unter anderem für die Zellalterung verantwortlich sind.
Besonders problematisch ist der Acetaldehydabbau bei rund der Hälfte der Japaner. Die besitzen das entsprechende Enzym nämlich nicht und sind damit viel anfälliger für einen üblen Kater und die weiteren Auswirkungen.