Bierfehler

BIERFEHLER: Was ist das eigentlich?

Günther Thömmes

Es gibt Bier, das schmeckt einem einfach nicht. Ist dann halt so, Geschmack ist Geschmackssache, nichts für ungut. Es gibt aber auch Bier, das einen Fehler hat. Einen bestimmten „Bierfehler“, von denen Brauer zwei Hände voll und mehr kennen. Interessanterweise heißt ein Fehler nicht unbedingt, dass einem das Bier dann nicht schmeckt. Braumeister und Autor Günther Thömmes erklärt hier alles Wichtige zum Thema Bierfehler

Bier ist ohne Zweifel eine unserer ältesten zivilisatorischen Errungenschaften. Beinahe ebenso alt sind die so genannten „Bierfehler“, wie auch die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche seiner Produzenten, diese Fehler zu kaschieren, zu korrigieren, oder wenigstens zu übertünchen. Dabei legten die Brauer der vergangenen Jahrtausende eine erstaunliche Kreativität an den Tag, die Korrektur-Rezepte reichten von Zaubersprüchen über Gewürze und Kräuter aller Art, von Asche bis zur Schlangenhaut. Nicht alles war bekömmlich, manches sogar schädlich.

Derartige Kreativität endete oftmals im Ungeist, womit auch ein Grund – neben den allgegenwärtigen fiskalischen Rechtfertigungen – für die diversen Reinheits- und Unreinheitsgebote hier zu finden ist. Hier erfolgt jedoch kein historischer Abriss über Bierfehler, sondern die Betrachtung soll sich auf die heutige Zeit konzentrieren:

  • Was sind Bierfehler?
  • Wie erkennt man sie?
  • Wie entstehen sie?
Bierfehler

Vom Hahn ins Glas – aber bitte nur Gutes. (Foto: StP)

„Bierfehler sind das, was nicht zur Stilistik des jeweiligen Biers gehört.“

Die einfachste Antwort auf die erste Frage wäre: „Bierfehler sind all das, was man beim Bier sieht, riecht und schmeckt, vom Brauer aber so nicht beabsichtigt war.“ Das lässt dem Brauer allerdings reichlich Spielraum, zu viel Spielraum, denn speziell in der neuen, wilden Craftbier-Szene werden Fehler doch gerne einmal originell interpretiert und nachträglich als Absicht dargestellt. Gründe dafür gibt es reichlich: Angst, eine ganze Charge vernichten zu müssen; mangelnde Fähigkeit, vor sich und seinen Kunden einen Fehler einzugestehen, oder schlichtweg Unkenntnis des Brauers. Daher möchte ich gerne die Definition des Bierfehlers an der Stilistik festmachen: „Bierfehler sind das, was nicht zur Stilistik des jeweiligen Biers gehört.“ Das können z.B. Bananen- oder Vanillearomen im Pils sein, die im Hefeweizen durchaus willkommen sind. Oder eine säuerliche Apfelnote im Märzen, die sich in einem Lambic hervorragend machen würde.

Zur Anerkennung dieser Definition gehört allerdings auch die gute Kenntnis der wichtigsten Bierstile, der essentiellen Aromatik der verschiedenen Biere, sowie eben auch das, was geschmacklich fehl am Platze ist. Und diese Kenntnis erstreckt sich auf Brauer, Händler UND Konsument. Wer sich in der Stilistik nicht auskennt, sollte nicht über Bierfehler sprechen. Punkt! – Daher ist gerade in diesem Feld die Weiterbildung unerlässlich! Wobei der guten Ordnung halber auch die Feststellung sein muss, dass sich Bierfehler nicht nur auf den Geschmack und den Geruch beziehen: Eine zu helle oder zu dunkle Farbe, zu viel oder zu wenig CO2, mit entsprechend viel oder wenig Schaum, sogar mangelnde Feinporigkeit des Schaumes gehören ebenso zum weiten Feld der Bierfehler.

Häufige Bierfehler, Fehlgeschmäcker, Off-Flavours:

Diacetyl:
Buttriger, leicht ranziger Geruch (Buttersäure). Diacetyl entsteht früh während der Gärung und gilt insbesondere bei untergärigen Bieren als ein Fehlgeschmack.
Oxidation:
Auch „cardboard smell“ oder als Geruch von “nasser Pappe” beschrieben (wobei manche auch bei geringerer Konzentration an Sherry-Noten denken). Dieses Aroma weist darauf hin, dass das Bier über längere Zeit Sauerstoff ausgesetzt war.

Auch „Katzenurin“ wird manchmal wahrgenommen (alternativ: Schwarze Johannisbeere), ein Geruch, der auf Menthanthiolon hinweist, Zeichen für beginnende Oxidation

Verunreinigung durch Bakterien oder unerwünschte Hefen: Scharfe, bisweilen medizinische Noten, oft ist die Rede von “Krankenhaus-Geruch”. Wir meist durch Chlorophenol verursacht, ein Nebenprodukt wilder Hefen
DMS / Dimethylsulphides: Wird gern als der „Geruch von gekochtem Gemüse“ beschrieben. Entsteht immer während des Würzekochens, kann aber das Aroma ruinieren und als Fehler wahrgenommen werden, wenn der Prozess nicht richtig kontrolliert wird
„Lichtgeschmack“: So wird ein ganz bestimmter Fehlgeschmack im Bier bezeichnet, den das Vorkommen von Methylbutenthiol anzeigt; riecht wie Stinktier – wenn man weiß, wie Stinktier riecht…
Acetaldehyd: Geruch von unreifem, grünem Apfel, stechend; geht auf unzureichende Reifung des Bieres zurück

Wie erkennt man Bierfehler?

In vorigem Absatz wurde eigentlich auch die zweite Frage bereits beantwortet. Man erkennt Bierfehler, wenn man weiß, was man im Glas hat. Es muss nicht sein, dass der Biertrinker das ganze Aromarad auswendig gelernt hat. Wer mit sauberen Geschmacksknospen und wachem Verstand ein Bier genießt, merkt in der Regel sofort, wenn etwas nicht stimmt. Auch vom Phänomen der „angenehmen Bierfehler“ sollte sich ein aufgeweckter Biertrinker nicht täuschen lassen. Ein leichter Säurebiss z.B. kann auf eine Lactobazillen-Infektion hindeuten, vielleicht hat der Brauer aber auch nur sein Sauermalz etwas großzügig bemessen. Dennoch gibt es Biere, da geht es, und viele, wo es nicht passt; ganz egal wie angenehm sich die Säure am Gaumen anfühlt.

Spannend sind in diesem Kontext vor allem jene Aromen, die im einen Bier quasi als Gift gelten, im anderen jedoch ebenso dogmatisch vorgeschrieben sind. Ein gutes Beispiel ist hierbei das so genannte „Diacetyl“. Es kommt über die Hefe ins Bier, wird bei langer, kalter Lagerung (oder, bei den eiligen Brauern, nach ein paar Warmtagen) wieder abgebaut und bringt eine buttrige Note ins Bier, die je nach Intensität angenehm, leicht störend oder ätzend sein kann. Besonders bei Lagerbieren tritt gerne ein Diacetyl-Geschmack auf. Ich habe selber während meiner Brauer-Ausbildung (als Pilsbrauer) wie auch beim Studium in Weihenstephan als Prämisse gelernt, dass Diacetyl schlimm, böse und der leibhaftige Gottseibeiuns ist. In den klassischen, böhmischen Pils- bzw. Lagerbieren ist es jedoch ein essentielles Erkennungsmerkmal! Am Diacetyl unterscheidet sich gewissermaßen ein bayerisches vom böhmischen Lagerbier.

Bierfehler-Check:

Aussehen: Für den Stil korrekte Farbe? Ist es klar? Fällt Hefe aus? Hat es eine gute Schaumbildung, bleibt der Schaum oder zerfällt er schnell?
Geruch:
Sind für diesen Stil spezifische Hopfen-, Malz- oder Hefearomen da? Findet sich eines der oben beschriebenen Aromen (nasse Pappe, Krankenhausgeruch, Butter, gekochtes Gemüse)?
Geschmack:
Passen die Aromen und die Gewichtung von Hopfen und Malz von Säure und bittere zur Stilistik des Bieres?

Wie entstehen Bierfehler?

Und nun zur dritten Frage: „Wie entstehen Bierfehler?“ Zur Beantwortung dieser Frage sind bereits einige Doktorarbeiten geschrieben worden, so komplex ist das Ganze. Grundsätzlich kann man aber folgende Faktoren nennen:

  • Mangelnde Hygiene in der Brauerei.
  • Unkenntnis des Brauers in Rezeptur und Stilistik.
  • Schlechte oder zu lange Lagerung des abgefüllten Bieres

Mangelnde Hygiene führt leicht zu Infektionen des Biers. Bier ist ein extrem empfindliches Lebensmittel, bei dem nur reichlich Hopfen und Alkohol infektionshemmend wirken. Bei den vielen, kleinen Craftbierbrauern ist das Hauptproblem der Flaschenfüller, denn dort muss am meisten Geld für die Hygiene investiert werden. Geld, das viele Brauer nicht haben und dementsprechend ihr vorher einwandfreies, gutes Bier beim Abfüllen kaputt machen. Größere Industriebrauer umgehen eventuelle Füller-Probleme, indem die Flaschen nach der Abfüllung pasteurisiert werden – was aber wiederum zum Bierfehler des Pasteurgeschmacks führen kann (aber nicht muss). Natürlich muss auch der Gär- und Lagerbereich sauber sein, damit die Hefe saubere Resultate abliefert. Auf Vorteile und Risiken einer Bierfiltration soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Wenn der Brauer experimentierfreudig ist, aber unsicher in der Stilistik, sind Bierfehler bereits programmiert. Falsche Malzauswahl (Farbe), unpassendes Maischverfahren (zu hoher oder zu niedriger Vergärungsgrad), zu hohe, zu niedrige oder schlichtweg falsche Hopfung, die falsche Hefe fürs junge Bier, oder auch weitere unpassende Zutaten sorgen dann für die entsprechenden Fehlresultate.

Grundsätzlich kann man noch hinzufügen: Kräuter und Gewürze haben in den meisten klassischen Bierstilen nichts verloren, von Ausnahmen wie der Gose oder des belgischen Lambics abgesehen. Wer experimentieren möchte, sollte das auch klar auf dem Etikett kommunizieren. Mit Begriffen wie „Experimentell“ oder „Freestyle“ kann sich der wilde Brauer gegen Vorwürfe der Bierfehler absichern. Dann geht auch ein „White Stout“, ein „Black IPA“ oder eine „Gurkengose“. Solange der Brauer weiß, was er tut, und dies auch – vorher – entsprechend  kommuniziert.

Bierfehler

Die Sauberkeit aller benutzen Geräte ist superwichtig. (Foto: StP)

Abschließend noch ein Wort zur Lagerung. Hier ist der Brauer weitgehend hilflos, der Ball liegt bei Händlern und Konsumenten. Ist das Bier bereits beim Abfüllen infiziert, hilft auch die beste Lagerung nichts. Ansonsten kann ein passendes Plätzchen fürs kostbare Nass aber durchaus Schlimmeres verhindern. Hopfengestopfte Biere möchten es kalt und sollten nicht zu alt werden, Sauerbiere oder kräftige Ales sind eher robust, und feine Pilsbiere scheuen das Licht. Wer sich mit der Stilistik befasst, wird auch am Thema Lagerung nicht vorbei kommen und, richtig gemacht, so manchen hausgemachten Bierfehler vermeiden.

>> Wissenswertes zur Lagerung und Haltbarkeit von Bier findet ihr hier!