Liebe bringt Bewegung in die Craft-Beer-Branche. Leserinnen und Leser dieses Magazins wissen das. Im April haben wir die Geschichte von Raf erzählt, einem Belgier, der sich verliebt und seiner Frau nach Wien gefolgt ist, ein neues Leben angefangen, seinen Job an den Nagel gehängt und mit dem Bierbrauen angefangen hat. Zwischen der Bayerin Lisa und dem Tiroler Christoph hat es auf einem Craft-Beer-Festival in Italien „Bäähhmmm!!!“ gemacht. Darüber, was die beiden mit ihrer Brauerei Bierol noch so alles machen, haben wir im Mai berichtet. Auch diese Geschichte beginnt damit, dass sich zwei Menschen verliebt haben.
David, ein reisender Deutscher, hat in Argentinien Lu, eine Künstlerin aus Buenos Aires, kennengelernt. Die beiden verliebten sich. Lu zog zu David nach Berlin. In Argentinien hatte David aber nicht nur seine große Liebe kennengelernt, er fand auch spannend, was Lus Cousins machten. Die beiden betrieben eine kleine Brauerei, die sie Gorilla nannten. David investierte in Gorilla, damit die Cousins ihre Brauerei in Buenos Aires ausbauen konnten. Und er begann, viel über Craft Beer zu lernen.
Was David Peifer auch sehr schnell lernte: „Argentinien ist wirtschaftlich gesehen ein schwieriges Pflaster.“ Deshalb hat die Familie gemeinsam überlegt, ob man das Geschäft nicht in einem anderen Land neu aufbauen soll. Es habe da einige Überlegungen gegeben, erinnert sich David. Dass man sich schließlich für Berlin entschieden hat, habe daran gelegen, dass er sich da einfach schon ganz gut auskannte. Und so kam Ramiro, einer der beiden Cousins, nach Deutschland, um in Berlin Bier zu brauen. David gründete die Gorilla Cerveceria Berlin, während Lus zweiter Cousin in Buenos Aires weiter Gorilla Argentina am Leben hielt.
Es ist ein lauer Abend in Berlin. „Unsere Geschichte ist eine Familiengeschichte“, sagt David. Er sitzt mit Andreas Peter Schnitz von der Schneeeule-Brauerei vor deren Salon für Berliner Bierkultur im Wedding. „Die machen echt lecker Sachen und könnten ein bisschen Aufmerksamkeit gebrauchen“, hatte Andreas bereits ein paar Tage vor dem Treffen für Gorilla geworben. Ein Brauereimann, der uneigennützig für einen anderen Aufmerksamkeit schafft. Auch das klingt nach so etwas wie einer Familiengeschichte.
David hat „Borderline Hero“ mitgebracht, ein charakterstark gehopftes American Amber Ale, gebraut mit Gersten- und Weizenmalz und 6 Volumenprozent Alkohol. Das gegenseitige Unterstützen sei wichtig, erklärt David. Gorilla betreibt in Berlin keine eigene Brauerei. Bis Ende vergangenen Jahres hat man bei Brewdog gebraut, nun überwiegend bei Straßenbräu. „Wenn jeder Kleinbrauer sein eigenes Süppchen kocht, sind wir irgendwann alle ruiniert“, sagt David.
Deshalb haben Unverhopft, Straßenbräu und Gorilla einen gemeinsamen Vertrieb organisiert. „Biershops nehmen lieber je drei Biere von drei Berliner Brauereien als neun nur von mir“, weiß David. Durch die Kooperation könne den Kunden eine größere Auswahl aus einer Hand geboten werden. Es gibt nur eine Lieferung und nur eine Rechnung. Und wenn nur einer mit dem Auto durch die Gegend fährt, um das Bier auszuliefern, dann ist das auch günstiger für die beteiligten Brauereien. Auch auf Festivals präsentieren sich Unverhopft, Straßenbräu und Gorilla nun gemeinsam an einem Stand. Auch das schont personelle und logistische Ressourcen und spart Standgebühren. „Das ist ein sehr sinnvolles Vorgehen“, findet David.
Während sich seine Frau im Unternehmen um Social Media kümmert und beim Dosendesign und der Namensgebung hilft, hat der Cousin Berlin wieder verlassen. Deutschland sei „nicht so sein Ding gewesen“, erklärt David. Einige Biere braut die Cerveceria noch nach den argentinischen Rezepten. Neue Biere entwickelt Gorilla zusammen mit dem Brauer von Straßenbräu. „Unsere Leidenschaft für gute Zutaten und Innovation hat sich nicht verändert“, sagt David. Man könne zwar nicht ständig neue Biere auf den Markt bringen, weil das vor allem den Handel überfordere. Aber Gorilla experimentiert weiter, hat unter anderem Himbeer-Sauerbier, verschiedene IPA-Varianten, Chocolate Stout, Pumpkin Ale, aber auch Mexican Lager im Sortiment. Biere, die wenig Widerstand leisten, seien wichtig im Angebot der Brauerei, erklärt David, denn: „Nur mit experimentellem Bier ist es schwierig, wirtschaftlich zu überleben.“
Zu Davids 40. Geburtstag vor drei Jahren wurde ein Amaretto Latte Porter aus Hafer, Weizen- Gerstenmalz, Hopfen, Kaffee, Laktose, Amaretto-, Vanille- und Zimtsirup gebraut. „David’s Breakfast“ hat Gorilla das Bier genannt. Bier ist nämlich für Lu und David weitaus mehr als nur etwas zum Trinken. Die Künstlerin und der Brauerei-Geschäftsführer „lieben es“, wie sie sagen, ihre „Geschichte anhand der Biere und der Kunstwerke zu erzählen“. Auch ihre eigene Liebesgeschichte.
(15. Juni 2023)