Frank Liebhart braut in Liebharts Privatbrauerei in Detmold Bio-Craft-Beer. Das ist quasi die Nische in der Nische. Sagt er selber. Warum er das macht? Tiefe Überzeugung. Und ein bisschen auch die Herausforderung. Denn wer weniger Rohstoffe zur Verfügung aber höhere Auflagen zu erfüllen hat, der hat’s als Craft Brauer nicht leicht.
Wenn man wollte, könnte man die Liebharts wohl als die Bio-Barone von Detmold betrachten. Seit 1988 machen sie nämlich nichts anderes und sind mittlerweile mit sieben verschiedenen Unternehmen in dem Markt, der damals, als sie mit Fruchtschnitten und Bio-Süßwaren anfingen, noch „Reformwaren“ hieß und in der Regel eher argwöhnisch beäugt wurde. Jesuslatschen. Ökojünger. Und so.
Diese Zeiten freilich sind vorbei. Inzwischen ist Bio längst nicht mehr so exotisch – wobei, es gibt immer noch Bereiche, in denen ein Biosiegel nicht unbedingt und sofort als ein Siegel besserer Güte wahrgenommen wird. Im Wein war das zum Beispiel einst ganz übel (Biowein? Schmeckt nicht!) und auch bei Bier ist Bio noch lange nicht so der Gewinner wie im Bereich Babynahrung oder Baumwolle.
Warum also setzt man in Liebharts Privatbrauerei auf Bio?
Und wie geht das überhaupt mit Hopfen, Hefe, Wasser? Welche besonderen Anforderungen muss ein Biobrauer erfüllen?
Wir haben uns mit dem studierten Lebensmitteltechnologen Frank Liebhart, seit 2005 Biobrauer, darüber unterhalten. Einst Hobbybrauer und Gerne-Biertrinker hat er sich während seines Studiums in Berlin immer mal wieder als Gasthörer in die Brauwesenvorlesungen gesetzt, 2003 probierte er sich mit einer Gasthausbrauerei aus (vier Hektoliteranlage und Handabfüllung in Siphonflaschen), 2004 plante er den Bau einer kleinen Anlage für Minichargen. Damals lachten sie ihn auf der Brau Beviale mit dieser Nachfrage noch aus, erinnert er sich.
Mittlerweile produziert Liebharts Privatbrauerei auf einer 20-Hl-Anlage um die 12.000 Hektoliter Bier und Limonade im Jahr, 17 verschiedene Sorten – und oft genug läuft das Sudhaus die Nacht durch. „Da stehe dann meisten ich selbst am Kessel“, so der Biobrauer.
Warum, Frank? Warum Biobier? Craft Beer verstehen wir, klar. Aber warum muss es BIO Craft Beer für dich sein?
Ehrlich gesagt gab es für mich keine andere Option. Als Reformwarenhersteller gibt es für mich keine Alternative zu Bio. Das ist meine tiefe Überzeugung. Und: Bio ist für mich eigentlich das echte Reinheitsgebot. Alle unsere Rohstoffe müssen nachweislich frei von Pestiziden und Agrarchemie produziert und anschließend zertifiziert werden. Außerdem kriegen wir zwei Mal im Jahr Besuch von der Zertifizierungsstelle, da wird in unsere Brauerei inspiziert, die schauen auf die Rezepte und sogar in die Tanks, ob alles dem Bio-Standard entspricht. Reiner geht es eigentlich ja nicht.
Auf was schauen die denn da in der Brauerei? Gibt es bestimmte Anforderungen an den Brauprozess, um ein Bio-Zertifikat zu bekommen?
Auf jeden Fall! Wenn man eine zertifizierte Bio-Brauerei ist, wirkt sich das auf alle Bereiche des Brauens aus. Abgesehen von unseren Rohstoffen muss auch jeder unserer Mitarbeiter zertifiziert sein. Wir dürfen nur bestimmte Reinigungsmittel für unsere Anlage verwenden und auch die Auswahl der Filtrationsmittel ist festgelegt. Ich sag mal: Totpasteurisieren ist hier nicht. Durch unsere Bio-Brauweise sind wir außerdem an die traditionelle Länge der Gärung und Reifung gebunden. Fünf bis sechs Wochen gärt und lagert ein Bier bei uns immer – falls nötig, auch länger.
Aber ist der Markt dafür überhaupt groß genug?
Uns war von Anfang an natürlich klar, dass wir uns mit Liebharts Privatbrauerei auf einen Nischenmarkt konzentrieren. Die Nische in der Nische eigentlich sogar. Und die ersten drei bis fünf Jahre waren auch wirklich hart. Solange hat es gedauert, bis erste Erfolge sichtbar wurden. Ich habe sozusagen nachts gebraut und tagsüber mein Bier verkauft und unter die Leute gebracht. Am Anfang bin ich noch mit fünf Kisten im Kofferraum über Land gefahren, um mein Bier den Leuten vorzustellen. Ich habe viel selbst organisiert, Brauereiführungen und Tastings gemacht – einfach um präsent zu sein. Meine Frau und ich, wir mussten richtig raus und selber Markt machen. Das heißt auch, selbstständig auf diverse Edekaner und Reweianer zugehen, damit die unsere Produkte in die Märket aufnehmen.
Und wie kam der Durchbruch?
2005 hat die erste Flasche in Liebharts Privatbrauerei das Band verlassen. Damals schon hatten wir neun Sorten im Sortiment. Darunter mein Bier für Allergiker, ein glutenfreies Reis-Bier. Das habe ich mir 2006 patentieren lassen, und das was eine richtig gute Idee, weil erstens schmeckt es einfach gut, weinartig und mit einem ganz, ganz schlanken Körper. Das lief super! Die Leute kamen mit ihren Kombis aus Bayern um Reisbier kistenweise mitzunehmen. Und zweitens gab es damals auch noch so gut wie keine glutenfreien Biere.
Das ist ja dann Nische in der Nische in der Nische. Bio-Craft-Allergiker-Bier.
Ja, und in meinem jugendlichen Leichtsinn habe ich dieses alkoholhaltige Reisgetränk auch genauso genannt, „Bier“. Ein großer Fehler, natürlich, und direkt hatte ich das Untersuchungsamt am Hals. Das hat wegen eines Verstoßes gegen das Reinheitsgebot ein Auslieferungsverbot verhängt. Ganz ehrlich? Das hat mir viele schlaflose Nächte bereitet. Zu wissen, dass der Kunde mein Reisbier gerne kaufen und trinken würde, ich es ihm aber nicht geben darf? Fürchterlich. Die Behörden und ich, wir sind uns einfach auch nicht einig geworden, so dass ich mir letztendlich einen guten Anwalt nehmen musste.
Und, gibt es das Reisbier in Liebharts Privatbrauerei noch?
Am Ende haben mir schließlich meine Kunden geholfen. Die haben übers Internet Druck auf die Ämter ausgeübt, so dass ich schließlich eine Sondergenehmigung erhalten habe. „Liebharts Reisbier“ ist bis heute das Einzige in Deutschland, das auch so genannt werden darf.
Wie schwierig ist es denn mittlerweile noch, gute Bierrohstoffe in Bioqualität zu bekommen?
Für unsere Rohstoffe arbeiten wir soweit es geht mit Betrieben aus der Region zusammen. Im Bio-Malzbereich ist das, was Pilsener Malze betrifft, noch relativ einfach. Fast jede Mälzerei produziert da welche. Röstmalze oder Pale Ale Malze in Bioqualität zu bekommen wird schon schwieriger. Hier arbeiten wir intensiv mit bekannten Familienmälzereien zusammen, die uns das dann auch mal herstellen können.
Wie sieht es beim Bio-Hopfen aus?
Noch viel schwerer: Hopfen wird knapp. Ich habe jetzt schon Belieferungsverträge für 2023 abgeschlossen. Manchmal braucht es da auch schon ein Kasten mitgebrachtes Bier – zur Verhandlungsunterstützung sozusagen. Hopfen ist eine empfindliche Pflanze, die schwer ohne Pestizide oder Düngemittel angebaut werden kann. Leider ist die Denkweise bei den Abnehmern immer noch so, dass Hopfen am liebsten so billig wie möglich sein soll. Deshalb gibt es umso weniger Anbauer, die zu Bio bereit sind. Cascade muss ich zum Beispiel in den USA einkaufen. Die Folge ist natürlich, dass ich maximal 10-14 Tage im Voraus planen kann – auf Halde produzieren funktioniert mit Bio-Rohstoffen einfach nicht.
Aber nervt es nicht, wenn man bei Rohstoffen bestimmte Kompromisse eingehen muss, weil es manche Zutaten nicht in Bio-Qualität gibt? Oder schränkt das nicht die Kreativität ein?
Viele Rohstoffe gibt es noch nicht in Bio-Qualität, das stimmt. Vieles muss ich dann tatsächlich auch einfach aus den USA bestellen. Aber: Wir sind Tüftler! Gewünschte Geschmacksrichtungen und Aromen kann man ja nicht nur mit einer bestimmten Sorte Hopfen zum Beispiel erreichen, sondern auch durch die Kombination der anderen Zutaten oder durch Methode. Mit Kalthopfung oder dem Variieren des Zeitpunkts der Hopfengabe oder auch durch die Führung der Hefen kann man Einiges machen. Wir haben hier in der Brauerei allein 15 verschiedene Hefen.
Auch wenn wir von der Nische in der Nische sprechen, muss ich aber auch zugeben, dass ich gerade im Biosupermarkt in der letzten Zeit über einige Neuzugänge im (Craft) Bier Regal gestaunt habe. Wie entwickelt sich der Bio-Biermarkt in deinen Augen?
Wie beim Bio-Wein gab es auch beim Bio-Bier die anfängliche Ablehnung. Mittlerweile ist die Tendenz jedoch auf alle Fälle steigend, aber wie gesagt, wir bedienen definitiv noch eine Nische. Trotzdem kann man eine allmähliche Marktdurchdringung feststellen, der Kunde erwartet ja Abwechslung und möchte nicht immer dasselbe trinken. Wir verstehen uns da natürlich als Sortimentanbieter. Vor allem die Titel „Bio & Regional“ sind den Leuten wichtig. So merken wir den Aufschwung nicht nur in den Bio-Supermärkten sondern auch im Lebensmitteleinzelhandel.