Hopfenhandel

HOPFENBUSINESS: Wir müssen über Hopfen reden

Nina Anika Klotz

(erschienen Sommer 2014)
Amerikas Hopfenerzeuger schlagen Alarm:  Ihnen gehe die Dolden aus. Wer ist Schuld an dieser Krise? Heißt das, unser Bier wird teurer? Was ist mit der Hallertau – könnten Deutschlands Bauern die großen Krisengewinner sein? Und wie funktioniert überhaupt das globale Hopfenbusiness? Nachforschungen über das Geschäft mit einer ganz besonderen Zutat

Hopfen

Hang on, baby: Der Hopfen steckt also in der Krise (Foto: StP)

Genießen wir diesen pfirsichfruchtigen Schluck IPA lieber noch einmal, dieses doppelt gehopfte California Pale Ale mit dem würzigen Fichtennadelaroma, das herrlich blumige Nelson-Sauvin Witbier. Denn wer weiß: Vielleicht ist die gerade in Deutschland angekommene Craft Beer Freude schneller vorbei als wir Prost sagen können. Vielleicht müssen wir morgen schon Champagnerpreise für ein 0,33l-Fläschchen Kaltgehopftes zahlen, oder trinken halt doch wieder Fernsehbier.

Zumindest sind das gruselige Ängste, die einen packen könnten, wenn man jene Meldung liest, die vor einiger Zeit durch US-Medien geisterte: In den USA, heißt es da, wird der Hopfen knapp. Knapp und teuer. Und schuld seien die Craft Brewer. Gegen Ende des Jahres drohe Amerika die größte je dagewesene Hopfenknappheit. Eine Rohstoffkrise, die weltweite Auswirkungen haben könnte. Denn Hopfenhandel ist ein globales Geschäft.

Zahlen zum Fürchten

Tatsächlich untermauern ein paar erschütternde Statistiken diese Theorie: Innerhalb des letzten Jahres haben die amerikanischen Craft Brewer ihr Verkaufsvolumen um 18 Prozent gesteigert und laut der Brewers Association, dem Verband der US-Craft Beer Brauer, steuert man ungebremst auf die 3000er-Marke zu. 3000 Craft Breweries werden wohl ab 2015 zwischen Boston und San Diego brauen. (Nur zum Vergleich: 1980 gab es in den ganzen Vereinigten Staaten gerade mal 89 Brauereien.)

Wenngleich Craft Beer nur acht Prozent des gesamten US-Bierkonsums ausmacht, verbrauchen seine Macher doch 52 Prozent der heimischen Hopfenernte. Das liegt schlichtweg daran, dass sie für ihre aromastarken Biere sechs- bis zehnmal mehr Hopfen verwenden. Die Hopfennachfrage steigt damit laut eines Berichts, der im Januar auf der jährlich stattfindenden American Hop Convention in Oregon vorgestellt wurde, im Schnitt um 13,5 Prozent, nämlich von 14,4 Mio. Pound (6530t) im Jahr 2012 auf 16,4 Mio. (7440t) in 2013 auf geschätzte 18,6 Mio. Pound (8440t) dieses Jahr.

Die amerikanischen Hopfenbauern, heißt es darin weiter, seien aber nur zu einer Produktionssteigerung von fünf bis zehn Prozent pro Jahr in der Lage. Genau da entsteht die Knappheit. Und Craft Beer boomt ja nicht nur in den USA, sondern auch in Europa steigt der Bedarf an Hopfen. Vor allem amerikanischem, Craft Beer erprobtem Aromahopfen.

Hopfen ist nicht gleich Hopfen

Grundsätzlich muss man, und das ist für diese ganze Geschichte entscheidend, beim Hopfen nämlich unterscheiden. Grob gesagt gibt es zweierlei Sorten: Bitter- oder Alphahopfen und Aromahopfen. Bei den Bittersorten steht die Alphasäure im Vordergrund, die macht Bier erstens haltbar und zweitens – Überraschung – bitter. Beim Aromahopfen hingegen spielen ätherische Öle die entscheidende Rolle, die je nach Sorte ganz unterschiedliche Flavours ins Bier bringen, alles von Zitrusfrüchten über Tannenzapfen, Blüten, Minze, Honig und so weiter. Im Gegensatz zum Alphahopfen, einem recht robusten Gewächs, ist Aromahopfen erstens nicht einfach anzubauen und zweitens deutlich ertragsschwächer. Das macht ihn – BWL für Dummies – bis zu sieben Mal so teuer. Craft Brewer interessieren sich dennoch  vor allem für diesen Aroma- und kaum für den Alphahopfen. Das heißt, eigentlich muss man genau sein und von einer Aromahopfenknappheit sprechen.

Hopfenhandel

Nicht jede Hopfensorte – Achtung Bild-Wort-Spiel – rechnet sich im Anbau. (Foto: StP)

Nun gibt es diese Entwicklung ja nicht erst seit gestern und natürlich haben man längst reagiert, erzählt Ann George, Chefin des amerikanischen Verbandes der Hopfenerzeuger, Hop Growers of America. Es ist früher Morgen bei ihr in Washington State, sie klingt aber schon hellwach und businessmäßig, während sie ein paar aktuelle Zahlen zur Hopfensituation in den USA runterrattert: Früher habe man Alpha- und Aromasorten im Verhältnis 70 zu 30 angebaut, bis Ende diesen Jahres werde sich das in ein 60-zu-40-Verhältnis zugunsten der Aromasorten umgekehrt haben.  Vor allem  Sorten wie Zeus, Tomahawk und Columbus mussten weichen, damit an ihrer Stelle Cascade, Centennial, Chinook, Simcoe, Amarillo und Citra wachsen konnten. Zum Beispiel. Insgesamt pflanzen Georges Kollegen im Yakima Valley, Washington, und dem Willamette Valley in Oregon 55 verschiedene Sorten.

Hopfenhandel: Auf Jahre im Voraus

Ist das denn nicht schon Krisenprävention? Trotzdem die düsteren Prophezeiungen? Ja, denn erstens ist Hopfen langsam: Eine neu gesetzte Pflanze schafft in ihrem ersten Jahr gerade mal  10-15 Prozent ihres Normalertrags. Und eigentlich, erklären Hopfenbauern, sollte man den gar nicht ernten sondern dem jungen Gewächs als Kraftspende lassen. Im zweiten Jahr trägt der Stock etwa 60 bis 70 Prozent dessen, was er kann. Erst nach drei Jahren ist er voll im Geschäft.

Zweitens ist die Umstellung von einer Sorte auf die andere oder die Ausweitung einer Hopfenplantage teuer. „Wer von 350 Hektar auf 450 aufstocken will, muss mit einer Investition von 5 Mio. Dollar rechnen“, sagt Ann George. Ein immenses Risiko, das Erzeuger freilich nur eingehen, wenn sie wissen, dass sich das lohnt. Allerdings wüssten sie das ausgerechnet bei Aromahopfen nicht, so die Sprecherin der Hop Growers of America.

George erklärt ein Paradoxon, das die Aromahopfenknappheit bedingt: 90 Prozent des weltweiten Hopfengeschäfts laufen über Vorverträge. Das heißt, Brauer kaufen im Prinzip Hopfen, der noch gar nicht gewachsen ist. Und zwar nicht nur für das laufende Jahr, sondern zum Teil auch darüber hinaus. Die Erzeuger können anhand der geschriebenen Verträge absehen, wie viel Hopfen sie pro Jahr anbauen müssen. Wobei ein gewisses Risiko freilich bleibt: Hopfen unterliegt extremen witterungsbedingten Ernteschwankungen, die leicht 50% ausmachen können. Gut ist etwa viel Regen in Juni und Juli. Dann entwickelt sich das „Gewand“ des Hopfens besser und er treibt viele Blüten, die später zu Dolden werden. Ist es zu trocken, wirft die Pflanze ihre Blüten zuvor ab.

Hopfenernte

Ruhe vor dem Hopfensturm (Foto: StP)

Im Aromahopfenbereich kalkulieren die Bauern lieber knapp: „Diese Sorten sind im Anbau so teuer, dass man es sich nicht leisten kann, große Mengen auf gut Glück anzubauen“, sagt Ann George. Nur: Während Aromahopfen vor allem etwas für Craft Brewer ist, sind es Vorverträge gerade nicht. Besonders den kleinen fällt es schwer, sich weit im voraus auf Hopfensorten und -mengen festzulegen. Und irgendwie ist das ja auch logisch: Die Craft Beer Szene lebt ja davon, dass die Brauer ihr Sortiment schnell und häufig ändern, dass sie Rezepte ummodeln und immer mit Neuem überraschen. Wie sollen diese Brauer da heute schon wissen, wie viel von welcher Hopfensorte sie nächstes Jahr brauchen? Bisher haben sich viele Craft Brewer dem Vorvertragssystem entzogen, sagt George. „Die haben immer so geschaut, was sie bekommen können, wann und in vorher nicht bestimmten Mengen. Aber jetzt gibt es so viele kleine Brauereien, dass das nicht mehr funktioniert.“

Kommen jetzt the Krauts?

Ist das eine Chance für deutsche Hopfenbauern? Was, wenn die den US- Craft Brewern, die keinen Aromahopfen vorbestellt haben und drohen dieses Jahr leer auszugehen, ein Angebot machen könnten? Man habe die Zeichen der Zeit längst erkannt, versichert Otmar Weingarten, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Hopfenpflanzer e.V.. Bereits seit 2007 hat man die Züchtung und den Anbau sogenannter „Special Flavoursorten“, also Aromahopfensorten, wie sie die US-Craft Brewing Szene liebt, auch hierzulande in den Fokus genommen.

Josef Ehrmaier zum Beispiel, Hopfenerzeuger aus Tegernbach in der Hallertau, wird kommenden September zum ersten Mal einen typisch amerikanischen Craft Beer-Hopfen ernten. Mit dem Anbau habe er aus seinem persönlichen Interesse an der kleinen, aber stetig wachsenden Craft Brewer Szene Deutschlands und deren Bieren begonnen. Ehrmaier entschied sich für die Sorte Cascade – auch, weil die nicht patentrechtlich geschützt ist und er die in Deutschland anbauen darf. Das ist längst nicht bei allen hippen Aromasorten der Fall, was ein weiterer Grund für die Knappheit ist: Sorten wie Amarillo, Simcoe, Mosaic  und Citra tragen alle das kleine, eingekringelte „R“ am Namen, das „registered trademark symbol“. Es besagt, dass diese Sorten einzelnen Hopfenerzeugern oder Züchtungsunternehmen gehören. Die kontrollieren, wo und in welcher Menge die Sorte angebaut wird.

Ein bisschen knapp ist durchaus gewollt

Natürlich müssen solche Firmen wirtschaftlich handeln und zusehen, ihre Sorten so gut zu verkaufen, dass sie mit den Gewinnen ihre Arbeit an neuen Sorten finanzieren zu können. It’s the economy, stupid, hätte Clinton gesagt. Also achten Besitzer angesagter Hopfen wie beispielsweises eines Amarillo, den wirklich jeder Craft Brewer früher oder später einmal im Sud haben will, darauf, dass die ihren auf Grund der hohen Nachfrage hohen Preis schön halten. „Der Anbau solcher ‚proprietary varieties‘, solcher geschützter Sorten, wird sehr genau beobachtet um sicher zu gehen, dass da nicht zu viel Überschuss geerntet wird“, sagt Ann George. Knapp ist demnach durchaus gewollt. Bei so manchem US-Hopfenbauern herrscht momentan, so heißt es in der Branche, Goldgräberstimmung.

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Pick me! Pick me! Reife Dolden vor der Ernte. (Foto: StP)

Zurück noch einmal zu Josef Ehrmaier: Er hat sich ja nicht nur wegen dieser Markenrechtssache für den Cascade entschieden, sondern auch, weil er darin eine Herausforderung sah. Das Thema Terroir spielt nämlich beim Hopfen eine große Rolle. Wie Hopfen schmeckt, hängt von Klima und Bodenbeschaffenheit ab, und noch viel mehr von Anbautechnik und Ernteverfahren, darüber sind sich Experten einig. Otmar Weingarten vom Verband Deutscher Hopfenpflanzer beruft sich auf wissenschaftliche Untersuchungen, Brauversuche und Blindverkostungen, die ergeben haben, dass ein deutscher und ein amerikanischer Cascade unterschiedliche ätherische Öle ausbilden. Dennoch seien sie, so das Ergebnis der Studien, für den Einsatz in beispielsweise einem IPA ebenbürtig.  Josef Ehrmaier kennt dennoch Brauer, die meinen, der deutsche könne nicht mit dem amerikanischen mithalten. „Ich wollte beweisen, dass das nicht stimmt.“

Deutschland legt in Sachen Aroma nach

Um Hindernisse wie Markenrechte und Terroir zu umschiffen, gibt es in Deutschland erste Unternehmungen, eigene, sprich: deutsche Aromahopfensorten zu schaffen. Bislang sind vier Neuzüchtungen auf dem Markt: Mandarina Bavaria, dessen Mutter ein amerikanischer Cascade war, der mit einem Hallertauer Wildhopfen gekreuzt wurde, Polaris (mit einem feinen Pfefferminzaroma), Hüll Melon (fruchtig, Honigmelone) und Hallertau Blanc. Letzterem wird eine Wein-, eine Muskatellernote nachgesagt. „Das alles sind Zuchtrichtungen, die eindeutig in Richtung kreative Brauszene gehen“, sagt Weingarten, „ein Angebot für Individualisten.“ Auf der Craft Brewers Conference in Denver vergangenen April seien die vier neuen Deutschen bei den US-Craft Brewern auf großes Interesse gestoßen seien, so der Verbandssprecher weiter. Wer weiß also: Möglicherweise könnten das mittelfristig Alternativen für US-Craft Brewer werden, die ohne Vorverträge leer ausgehen oder den hohen Preis für Ami-Aromahopfenrestbestände nicht bezahlen können oder wollen. Mit einem Flächenausbau in Deutschland von 100ha auf 250ha in diesem Jahr  für Special Flavoursorten bringt man sich also gerade in Position, so Weingarten.

Josef Ehrmaier hingegen ist da skeptisch: „Die typischen Craft-Beer-Aromasorten aus den USA oder Neuseeland haben ziemlich gute Namen, die auch bei den Verbrauchern ziehen“, sagt er. Amarillo und Co. hätten ein hervorragendes Image, weshalb er glaubt, dass die Craft Brewer noch lange bereit sind, horrende Preise dafür zu bezahlen. Und in Deutschland beobachte er dasselbe, auch deutsche Craft Brewer wollen in der Regel lieber die „big names“ der US-Aromahopfen auf ihren Etiketten stehen sehen. Fragt sich nur, zu welchem Preis.

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Happy Hops nach der Ernte in der Hallertau. (Foto: StP)

Dieser Artikel ist erstmals in MIXOLOGY – Magazin für Barkultur, Ausgabe Sommer 2014, erschienen.