Timm Schnigula und Mario Hanel haben mit Crew Republic einiges gemeistert: Neuer Name, Redesign, Teamwechsel und schließlich der Bau der eigenen Brauerei. Und das in gerade mal vier Jahren, nachdem sie zuhause auf dem Herd ihr erstes Bier gebraut haben
Seine Kollegen von früher haben mittlerweile alle „Senior Irgendwas“ auf der Visitenkarte stehen, ein prallgefülltes Meilenkonto und den Schrank voller Maßhemden. Würde er tauschen wollen? Kein Stück. Timm Schnigula sitzt in seinem schlichten Büro im Obergeschoss einer Brauerei. Seiner Brauerei. Er sieht müde aus, aber auch zufrieden. Hierher zu kommen war ein harter Ritt, das gibt der einstige Consultant, der 2011 gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Mario Hanel den gut bezahlten und sicheren Job in der Unternehmensberatung hingeschmissen hat, um Brauer zu werden, zu. „Wenn wir damals gewusst hätten, wie schwierig diese Reise wird, dann hätten wir es vielleicht nicht gemacht“, sagt er. Insofern sei ihre Ahnungslosigkeit und die Euphorie, die sie gepackt hatte, nachdem sie einen Braukurs belegt hatten und ein paar trinkbare Biere in ihrer WG-Küche gebraut hatten, ein Segen gewesen. Denn: „Das Schöne an unserer Arbeit heute im Vergleich zu unseren vorherigen Jobs ist, dass uns das, was wir machen, Spaß macht.“
In der Halle unter seinem Büro schrubbt Braumeister Erik den grau gefließten Boden. Es ist Freitag, da wird nicht gebraut, da wird groß reine gemacht. Besucher kann der Brauer da nur so bedingt gebrauchen. „Jetzt bass aba mal a bissl auf mit deine dünnen Schua do“, ruft er den Brauereigaffern zu und greift zum Wasserschlauch. Das „Dry Hop Monster“, wie sie bei Crew Republic ihren kleinen Tank, durch den das Bier beim Hopfenstopfen gepresst wird, nennen, und die stattliche 20-Hektoliteranlage glänzen schon wie neu. Also: Ist sie ja auch. So gut wie. Seit März 2015 brauen die Jungs von Crew Republik hier in einer Halle in Unterschleißheim im Norden Münchens ihr Bier. Angefangen haben sie mit dem Munich Easy, einem Pale Ale mit sanften 22 IBU und verhaltenen 4,8 Vol. Alkohol. „Man muss ja erst ein Gefühl für die Anlage entwickeln und alles einstellen“, erklärt Timm Schnigula. „Deshalb fängt man nicht mit dem schwierigsten Bier an.“
Wandel tut gut
Und man muss erst einmal die bisherigen Bierrezepte anpassen. Bevor die eigene Anlage lief hat Crew Republic ihre Biere in der Hohenthanner Schlossbrauerei in Landshut gebraut – auf einer 100-hl-Anlage. „Ich glaube, die Umstellung tut unseren Bieren sehr gut“, sagt Schnigula. „Nicht nur, dass das in kleineren Chargen gebraute Bier automatisch frischer ist. Wir sind dadurch, dass wir kontinuierlich brauen auch flexibler und haben mehr Zeit, etwas zu verbessern.“
Im Juni haben sie dann auch die letzte der sechs Standart-Sorten hier gebraut. Seitdem läuft die Rolec-Anlage an den meisten Tagen der Woche, im Raum daneben wird abgefüllt. Damit sind vier Jahre Gypsie-Brewing zu Ende. Vier bewegte Jahre. Eigentlich müsste sich das nach „Endlich angekommen!“ anfühlen. Timm Schnigula lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl nach hinten und zuckt mit den Schultern. „Den Traum von der eigenen Brauerei hatten Mario und ich ja seit 2011. Da ist es nicht so, als könne man einen Schalter umlegen und sagen, genau jetzt ist er wahrgeworden, jetzt sind wir angekommen. Wir waren happy als wir die Location gefunden haben“, sagt er, weil das über Monate, Jahre fast die größte Herausforderung war, „wir waren happy, als die Anlagen kamen, wir waren happy, als die Anlage angeschlossen war, als wir den ersten Sud brauen konnten, als wir das erste Bier abgefüllt haben. Insofern ist das ein Ankommen in mehreren Etappen.“ Der Brauereichef, Start-Up Founder und Selfmade-Brauer rückt die Craft-Beer-Brauer-obligatorische Trucker-Cap zurecht. „Aber alles in allem: Ja. Wir freuen uns wie die Schneekönige, dass wir unsere eigene Brauerei haben.“ Und man merkt: Das stimmt. Hanel und Schnigula sind stolz und glücklich – auch wenn Craft Beer Brauer zu sein, harte Arbeit und nicht immer nur Pale Ale Sonnenschein ist.
In nur vier Jahren haben die Unternehmensgründer einen Bierlabel-Relaunch, einen Namenswandel von „Crew Ales Werkstatt“ zu „Crew Republic“, ein komplettes Redesign, Investorensuche und -findung, einen Teamwechsel und schließlich den Bau der eigenen Brauerei gemeistert. Das Schwerste aber war und bleibt die Unwägbarkeit der Entwicklung des Craft Beer Marktes in Deutschland, sagt Schnigula. „Eigentlich hätten wir es uns leichter vorgestellt, das Thema Craft Beer in Deutschland voranzubringen“, sagt Schnigula. Bei deutschen Biertrinkern ist immer noch diese mia-san-Bier-Hürde zu überwinden, diese anfängliche Skepsis jedem Neuem gegenüber, der Irrglaube, mit einem herzöglichen Hellen sei das Optimum des Biergenusses erreicht. Wobei: Hat man das alles dann erst einmal überwunden, dreht sich der deutsche Bierenthusiasmus auch schnell ins Positive, sagt Schnigula, dann sind die Leute auch schnell recht begeistert, was man aus den immer gleichen Rohstoffen noch alles machen kann. „Ich würde sagen, wir sind immer noch in der Findungsphase. Heißt aber auch: Da ist noch viel Potential für mehr. Trotz der Schwierigkeiten am Anfang konnte sich eine solide Fan-Basis für Craft Beer in Deutschland bilden. Die wird das Thema nach und nach auch in die Breite tragen. Davon bin ich überzeugt. Craft Beer wird nicht wieder verschwinden, es kann nur noch mehr werden. Bleibt halt die Frage, wie schnell das geht.“
Resigniert haben Schnigula und Hanel in all der Zeit aber nie. „Dabei hat es uns sehr geholfen, dass wir zu zweit sind. Alleine hätte ich das sicher nicht durchgezogen. Zu zweit gibt man sich in schwierigen Situationen Kraft, jeder kann den anderen auch mal rausziehen. Natürlich: Alleine gründen hat auch Vorteile, man kann Dinge oft schneller entscheiden. Wir müssen immer alles miteinander abstimmen. Wobei zwei Meinungen auch wieder sinnvoll und fruchtbar sein können – aber man braucht eine gute Diskussionskultur.“
Nichts machen, weil es eben so gemacht wird
Auch mit ihren Mitarbeitern diskutieren Schnigula und Hanel. Braumeister Erik und Brauer Christian seien eher „klassisch orientiert“, sagt Schnigula. So was Bierstile und Brautechniken betrifft und so. Das sei gut und wichtig so. „Mario und ich haben so viele verrückte Ideen im Kopf, das wir genug verrückten Input bringen“, sagt Schnigula. Die beiden gelernten Brauer wägen dann ab, was Sinn macht und was geht. Die perfekte Kombination, wie der Gründer findet: „Man kann ja mal das Brauhandwerk hierzulande und in den USA vergleichen: Die Leute hier wissen extrem gut und einen Ticken fundierter als die in den USA, wie man Bier braut. Dafür arbeiten sie aber weniger in vorgefertigten Denkmustern und experimentieren mehr. Wir haben in unserer Brauerei die Kombination aus beiden Seiten. Mario und ich stellen alles in Frage. Es muss einen Grund haben, das etwas im Sudhaus so gemacht wird, wie es gemacht wird. Nur weil es eben so gemacht wird, lassen wir nicht gelten.“
Damit sei das mit diesem Ankommen, um noch einmal darauf zu sprechen zu kommen, auch nicht so leicht. „Es wird hier in der Brauerei keinen Stillstand geben. Das wäre auch das Schlimmste, was einem Brauer passieren kann: Zu sagen, jetzt habe ich das perfekte Bier, so mache ich es jetzt bis ans Ende meiner Tage. Erstens geht das gar nicht, weil sich die Rohstoffe ständig ändern, zweitens, weil man immer noch Kleinigkeiten verbessern kann. Aber wir sind happy und stolz auf das, was wir bisher geschaffen haben.“
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