Roger Breitenegger ist so etwas wie ein Botschafter des guten Alkohlgeschmacks: Mixologe, Craft-Spirituosen-Liebhaber und Craft-Beer-Trinker. Trotzdem – oder gerade deshalb? – bringt er jetzt mit „Tu Salud“, seiner Craft Beer und Spirits Pop-Up Bar Berlin, das eher unfeine Herrengedeck zurück auf den Plan
Roger Breitenegger ist ein Mann der Nacht. Barkeeper seit 13 Jahren. Ist dabei viel rumgekommen, aus seiner Heimatstadt Wien in die ganze Welt. Hat in 22 verschiedenen Ländern gerührt und geschüttelt. Und ist vor sechs Jahren in Berlin hängen geblieben. Aus dem besten aller Gründe: aus Liebe.
Seitdem hat er sich in der Hauptstadt seine „Bar-Credibility“ aufgebaut, wie er sagt. Er hat im John F. die Hotelbar gemanagt, die Indeed Bar im Prenzlauer Berg aufgebaut und war zuletzt Assistant Barmanager der steil durch die Decke gehenden Monkey Bar im Bikini Haus.
Im Laufe all dieser Nächte als Mixologe entwickelte Breitenegger – nachvollziehbarer Weise – eine Leidenschaft für Craft Spirits, also kleinere, feine Spirituosenmarken, für die besseren, non-mainstreamigen Schnäpse, Brände, Sachen. Nicht ganz so nahe liegt es, dass er darüber hinaus früh, um 2009, anfing, sich für Craft Beer zu interessieren. „Seitdem trinke ich nur noch Craft Beer“, sagt er.
Vor einem halben Jahr startet Breitenegger seine eigenen Projekte in einem Misch-Bereich von Craft Beer und Craft Spirits. Das erste war „Popping Up“, ein Pop-Up-Bar-Konzept, mit dem im Berliner Foodtruck-Streetfood-Umfeld auftrat. Dann eröffnete er im Februar „The Tape Over“, eine temporäre Craft-Bar im Arcotel in Berlin Mitte. Acht Wochen schenkte er hier Bier von Crew Republic, KuehnKunzRosen und Von Freude aus. Plus besondere Spirituosen. Dann machte er die Bar wieder dicht, konzeptete neu, plante, gestaltete den gesamten Raum um und eröffnet am 10. April eine neue Pop-Up Bar am selben Ort, das „Tu Salud“.
Man könnte sich ja fragen: Was will der Barmann mit Bier? Gehört Craft Beer in die ernsthafte Bar? Wollen die Leute da nicht spektakulär gemixte Cocktails trinken?
Sicher, das haben sich bis vor einiger Zeit viele gefragt. Aber man muss es so sehen: Wenn man nicht einfach nur das Bier öffnet und dem Gast reicht, sondern das Bier erklärt, wenn man über Geschmack und Nuancen sprechen kann, passt Craft Beer sehr gut in die High Class Bar. Natürlich ist es immer eine Frage der Motivation der Mitarbeiter und des Barkeepers, aber gut geschultes, ambitioniertes Personal kann jedes hochwertige Produkt in der High Class Bar verkaufen. Außerdem glaube ich, ist der Wandel seitens der Kunden längst da, Leute gehen mittlerweile auch in gute Bars um gutes Bier zu trinken. Und deshalb stemmen sich auch immer weniger Barkeeper dagegen. Craft Beer ist im kulinarischen Mainstream angekommen. Es kann und wird seinen Platz überall in der Gastronomie finden.
Sofern die Brauer hinterherkommen. Ist das Thema Verfügbarkeit nicht immer (noch) ein Problem der deutschen Craft Beer Brauer? Zum Teil können sie der Nachfrage kaum hinterherbrauen und können die Gastronomie nicht konstant mit den benötigten Mengen beliefern.
So problematisch ist das gar nicht. Wenn man sich als Gastronom mit dem Thema Craft Beer wirklich auseinandersetzt, wenn man seine Brauer kennet und mit ihnen redet, erfährt man schon rechtzeitig, wer was hat und wieviel davon und kann entsprechend planen. Und wenn einmal etwas nicht verfügbar ist, muss das ja auch nicht schlecht sein, das kann für die Marke durchaus positiv sein. Es zeigt, dass das Produkt begehrt und frisch ist – sofern man es den Kunden erklärt. Das ist natürlich sehr wichtig.
Was ist mit dem Thema Brauereibindung? Es heißt oft, Wirte könnten gar nicht beliebig viel Craft Beer in ihre Karte nehmen, wenn sie vertraglich an eine große Brauerei gebunden sind, der sie eine bestimmte, große Menge Bier abnehmen müssen.
Rein vertraglich darf derzeit jeder auch andere Biere mit reinnehmen, sofern deren Brauer nicht mehr Bier produzieren als die Brauerei, mit der man einen Vertrag hat. Natürlich stellen sich die Großen jetzt auf den Craft Beer Trend ein, möglich, dass sich da etwas in Zukunft ändert. Aber bisher ist es rein vertraglich kein Problem. Gastronomen sagen natürlich immer, sie könnten kein zusätzliches Bier nehmen, weil sie die großen Mengen ihres Standard-Bieres los werden müssen. Aber diese Bedenken muss man ihnen nehmen. Es geht ja nicht darum, dass sie nur noch IPA und Stout verkaufen. Sondern dass sie den Gästen mehr Auswahl bieten.
Bei dir haben die Leute Auswahl – allerdings immer nur auf Zeit. Was ist deine Idee hinter dem Pop-Up-Prinzip?
Ich bin eine Bühne und eine Plattform und gebe den Craft Beer und Craft Spirits Machern die Möglichkeit, sich zu zeigen und bekannter zu machen. Ich bin keine reine Verkaufsstelle, ich kaufe nicht einfach Craft Beer und verkaufe es teurer weiter. Wir sind preislich bei etwa 3,50 Euro, maximal 5 Euro. Ich will ja dass die Leute sich trauen, Neues zu probieren, damit sie Craft Beer kennenlernen. Wenn es mir nur um den reinen Verkauf ginge, hätte ich auch in der High Class Cocktailbar bleiben können.
Dein aktuelles Projekt hat einen neuen Namen und ein neues Konzept, findet aber wieder am gleichen Ort statt. Erzähl kurz, was passiert im „Tu Salud“ in Berlin-Mitte?
Das Thema für die nächsten zwölf Wochen ist „Mezcal und Craft Beer“. Mezcal, mexikanischer Agaven-Schnaps, ist ein total spannendes Getränk, das es verdient, bekannter zu werden. Und Mezcal funktioniert als Herrengedeck mit Craft Beer richtig gut. Wirklich: Mezcal und Craft Beer zusammen ist einfach der Shit, richtig lecker. Wir werden also 12 bis 15 verschiedene Mezcal-Sorten anbieten, aus der Mezcaleria von Axel Huhn, La Peyoteca und San Cosme. Dazu passend gibt es Bier von der Kreativbrauerei Kehrwieder, Braukunstkeller und Hanscraft. Die drei werden wir wochenweise schwerpunktmäßig vorstellen. Aber auch die Biere aus der vorangegangenen Pop-Up Bar wird es geben, Von Freude, KuehnKunzRosen und Crew Republic. So kommen wir in Summe auf ungefähr 25 Craft Beers, teilweise temporär on tap, das meiste aus der Flasche.
Nach welchen Kriterien hast du diese Brauer denn ausgesucht?
Geschmack, Sympathie, Credibility. Ehrlich, genau so läuft das: Kenne ich, trinke ich schon länger, finde ich saugut – die kommen rein. Ich gebe mir da gar keine „Mit dem darfst du nicht…“-Regeln. Ich bin zwar schon in dieser Craft Beer Szene drinnen, aber ich bin nicht so der Nerd, dass ich mir da irgendwelche Gesetze auferlege, die wirklich sinnfrei sind. So à la: Der ist „craft“, die sind es aber nicht, weil das keine gelernten Brauer sind oder weil die zu groß sind oder was auch immer.