Welde Brauerei

WELDE BRAUEREI: Der mit den Flaschen tanzt

Nina Anika Klotz

Dr. Hans Spielmann, der Chef der Welde Braumanufaktur im badischen Plankstadt predigt nicht nur Innovation, sondern wagt sie . Gegen alle Bedenken und Widerstände. Und: Mit Erfolg. Schon immer war er überzeugt: Wer’s macht wie alle, macht’s nicht lange.

Es ist schon ein paar Jahre her, da bekam Dr. Hans Spielmann diesen Brief. Handgeschrieben. Alte Schrift. Leicht zittrig.

„Wenn Ihr Großvater wüsste, was Sie aus seiner Brauerei gemacht haben, er würde sich im Grabe umdrehen“ stand da. Und: „Nie wieder trinke ich ein Welde-Bier. Nach all den Jahrzehnten als treuer Stammkunde.“

Das hat gesessen. „So etwas gibt einem natürlich zu denken“, sagt Dr. Hans Spielmann, lächelt aber zugleich wie einer, der sehr wohl reflektiert, was er tut, und dennoch ganz ohne Zweifel ist, das Richtige zu machen.

Welde Brauerei

Mit das Schrägste in der Welde Braumanufaktur: diese Flaschen! (Foto: StP)

Andere zu kopieren kann nicht der Weg sein

Spielmann war und ist sich sicher: Es geht nur anders. Gleich bleiben oder andere nachahmen, das funktioniert nicht. Es braucht den Mut zur Innovation. Und die auch durchzuziehen, ganz und vollkommen. Bisschen Innovation gibt es nicht. Und: Perfektion ist wichtig.

Damit ist eigentlich schon ein wesentlicher Teil der Philosophie von Weldebräu erzählt, einer Privatbrauerei im kurpfälzischen Plankstadt, Baden-Württemberg. Den Rest kann man auf dem Gelände der Brauerei in einem Industriegebiet zwischen A5 und A6 nachlesen: „Sei wie Du bist. Tu, was Du wirklich willst.“ Das steht da. Und: „Man wird nicht No 1, indem man jemand nachahmt, sondern indem man sich selbst findet.“ Und: „Welde ist sinnliche Kunst zum Sehen, Fühlen, Hören, Riechen und Schmecken.“

Welde Brauerei

Und hier werden sie befüllt, die einzigartigen Welde-Flaschen. (Foto: StP)

„Mir ist es wichtig, dass unsere Unternehmensphilosophie für alle sichtbar und nichts ist, was die Chefs sich im stillen Kämmerlein zurechtlegen“, sagt Spielmann, als er schnellen Schrittes durch die Brauerei führt. Deshalb stehen diese wesentlichen Sätze auch so an den Glasfenstern des Treppenhauses im Verwaltungsbau, dass jeder sie von außen lesen. Jeder Besucher und jeder der 50 Mitarbeiter, jeder Bierfahrer und jeder Braulehrling.

Über 260 Jahre Welde Brauerei

Dr. Hans Spielmann, den seine Leute „den Doc“ nennen, sieht auf den ersten Blick nicht aus wie ein Bräu in achter Generation, der mehr als 260 Jahre Brau-Erbe mit sich herumschleppt. Eher könnte man ihn für einen Düsseldorfer Galeristen halten. So auf den ersten Blick. Das macht die schwarze Brille. Aber: Es waren tatsächlich die Vorfahren dieses Mannes, die 1752 eine Braulizenz vom Kurfürst Carl Theodor bekamen und mit dem Brauhaus Zum Grünen Laub in Schwetzigen den Grundstein des Familienunternehmens legten.

Welde Brauerei

Winziger Ausschnitt einer riesigen Anlage. (Foto: StP)

Umzug von Schwetzingen nach Plankstadt

An einer stattlichen 220-Hektoliter-Anlage vorbei führt Spielmann die Treppe hinauf in einen bewusst unbierigen Bierverkostungsraum. Mehr Gaudy als Gaudi. „Es sollte nicht wie ein klassischer Biertempel aussehen“, sagt er. Weiter durch die geräumige Abfüllhalle zu den modernen Lagertanks. Die werden von unten grün angestrahlt. Welde-Grün. Mit dem Grünen Laub von anno dazumal hat das alles nichts mehr zu tun, 1971 zog die Brauerei aus der zu eng gewordenen Schwetzinger Innenstadt auf eine grüne Wiese in der Nähe von Plankstadt. Ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl der neuen Location sei die Qualität des Wassers hier gewesen, sagt Spielmann. Und die Möglichkeit zu wachsen. Der regionale Absatz der Weldebiere stieg – als der Bierkonsum generell eben noch stieg, happy times, nur leider vorbei – stetig. Der Welde-Topseller bis heute: „No. 1“, das Pils. Ein unverkennbares Pils. Unverkennbar auch, wegen seiner einzigartigen Verpackung.

Welde Brauerei

Stein des Anstoßes: Die Skulptur als Vorlage einer Bierflasche. (Foto: StP)

Geht nicht – bis es einer eben doch macht

„WeldeLust Flasche“ ist der offizielle Name der wundersam verbogenen Flasche. „Die Welde-Flasche“ könnte man auch einfach dazu sagen, weil so etwas, das macht sonst keiner. Vorlage für die Flasche war die Skulptur „Die Tanzende“ des Eppelheimer Bildhauers Günther Braun. Der kunstbegeisterte Doc hatte sich sehr in die verliebt und den fixen Gedanken gefasst, eine Bierflasche machen zu lassen, die genauso beschwingt tanzt. Er kassierte bei Flaschenmachern in ganz Europa Absagen: Nein, so etwas geht nicht. Kann man nicht machen.
Bis es schließlich einer doch machte.

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Das gesamte Weldesortiment kommt grün uns tanzend daher – mit Ausnahme der Craft Biere. (Foto: StP)

Kollegen zweifeln an den verrückten Ideen aus der Welde Brauerei

Natürlich sagten die Kollegen aus der etablierten Brauwelt dasselbe: Geht doch nicht, gspinnerte Idee von der Welde Brauerei, kann nicht klappen. Aber wie gesagt, glaubt der Doc, der seinen Doktor übrigens an der Fakultät von Weihenstephan als Diplom-Kaufmann zum Thema „Marketingstrategien von Brauereien“ gemacht hat, nur an Innovationen, die absolut und perfekt umgesetzt werden. Also wollte er nicht „mal so eine schicke Flasche“ ausprobieren, ein einzelnes Bier darin abfüllen, sondern er beschloss, allem geht-nicht-Geunke zum Trotz, 1995 das gesamte Welde-Sortiment in Welde-Flaschen zu füllen. Tanzende Flaschen, grün statt braun. Mit einem Aufreißverschluss, ohne Kronenkorken. Und komplett neu gestalteten Etiketten.  Pils, Weizen, Kellerbier, Export, Fassbrause, Alkoholfreies – alles in der buchstäblichen schrägen Flasche.

Und dann bekam er solche Briefe.

Dennoch war alles richtig.

Heute macht die Welde Brauerei rund 10 Mio. Euro Umsatz im Jahr und 100.000 Hektoliter Bier. Ein wichtiges Credo des Firmenchefs bis heute: Bier niemals unter Preis verlaufen. Läuft in Plankstadt.

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War auch so eine Spielmann-Idee: Der Aufreißverschluss der Welde-Flaschen. (Foto: StP)

Next big thing: Slow Beer

Die Sache mit Innovationen und Chefs wie Doc Spielmann freilich ist, dass sie nie zu einem Ende kommen können. Ist das Neue erst alt, muss etwas neues Neues das alte Neu erneuern, logisch. Als nächstes hat Spielmann sich nun also vorgenommen, den Begriff „Premium Pils“ von seinem Bier zu verbannen und stattdessen von „Slow Beer“ zu sprechen. Das, erzählt er, sei eine Idee von vielen, die er während einer dreimonatigen Bierweltreise gesammelt habe. Mit dem Rucksack war er durch 17 Länder gereist und hat 22 Brauer getroffen. Brauer, die Innovation ähnlich hoch ansiedeln, wie er.

Und wieder: Auch das Novum Slow Beer wird allumfassend umgesetzt, alle Welde Biere werden ab Sommer 2017 Slow Beer sein. Slow im Sinne von das Gegenteil von High Gravity Beer, das nach vier Tagen Tank in die Flasche kommt, und Bier mit langen Reifezeiten. Aber auch im Sinne des Slow-Food-Gedankens, der viel mit Handwerk und Qualität und Wertschätzung von bewusst produzierten und ebenso verzehrten Lebensmitteln zu tun hat. „Slow ist das neue Premium“, sagt Hans Spielmann, schüttelt kurz den Kopf und verbessert sich: „Nein, Slow ist das echte Premium“.

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It’s all comming back: Früher war alles Holz, dann nur Edelstahl – und jetzt wieder Holz. Viel Holz! (Foto: StP)

Auch aus der Welde Brauerei: Gose, IPL und Barrel-Aged Bier

Noch vor dem Slow Beer aber fand das Thema Craft Beer bei Welde Einzug. Wann? Ach, eigentlich schon vor zwanzig, sagt der Chef und grinst. Vor zwanzig Jahren hat er zum ersten Mal ein Jahrgangsbier auf den Markt gebracht, einen limitierten Sondersud, bei dem der Braumeister völlig freie Hand hatte. Wurde dann erstmal vom Brauerbund kassiert. Reinheitsgebot und so. Auch in Baden-Württemberg, ja. Ein ein paar Jahre später der nächste Anlauf. Und vor ein paar Jahre dann der unvermeidliche volle Schritt: Welde launchte die Biere der Welde Braumanufaktur. Eine Gose, eine Barrel Aged Bock, das Hop Stuff als hopfengestopftes Lager. In Kooperation mit Alexander Himburg kam 2016 das Pepper Pils dazu. Bald beginnen die Umbauarbeiten für den Einzug einer 20-Hektoliter-Craft-Anlage und der Ausbau des Holzfasskellers. „Und mein Vater war so froh, als er hier das letzte Holzfass in Rente schicken konnte, weil endlich komplett auf Edelstahl umgestellt worden war“, sagt Spielmann beim Gang durch den alten Lagerkeller und und den baldigen Ort der Braumanufaktur. Well, history repeats itself.

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Platz für Innovationen: der alte Lagerkeller wird Craft Beer Manufaktur. Bald. (Foto: StP)

Craft Beer tut allen gut

Man kann es nicht anders sagen, findet Spielmann: Die Craft Brewing Bewegung bringt viele neue Impulse in eine gesettlete Brauwelt. Und sie hat dort eine Menge erbitterter Kritiker. „Ich vergleiche das gern mit Wintersport“, sagt Spielmann. „Wissen Sie noch, wie das war, als Snowboarden neu aufkam? Was haben die Skifahrer da geschimpft und sich über die Snowboarder aufgeregt. Am liebsten hätte man die auf eigene, abgetrennte Pisten verwiesen.“ Und was ist passiert? Die Snowboarder brachten neuen Schwung auf die Piste, sie kamen mit einem eigenen Lifestyle, mit cooler Mode und Musik und belebten eine Welt aus Skigymnastik und Käsespatzen neu. Wintersport ist, seitdem Snowboarden dazugehört, nicht mehr dasselbe.

Wobei er aber nicht behaupten will, dass Craft Beer leicht sei: „Marketing im Bereich Craft Beer ist Häuserkampf“ sagt Spielmann. Anstrengen und viel klein-klein. Man muss auf weit entfernte Feste fahren, hier und dort Präsenz zeigen, raus an die Front. Deshalb war die Welde Brauerei auch eine der ersten Deutschlands, die sich eine Art „Markenbotschafter“ für die Produkte ihrer Braumanufaktur gegönnt hat. Den Einsatz an der Front leistet lautstark seit drei Jahren Malte Brusermann. In der Brauerei selbst hat Max Spielmann in gewisser Weise den Craft-Hut auf. Der 28-jährige Sohn des Bräus wird irgendwann Welde in neunter Generation weiterführen, seit April 2017 ist er im Unternehmen, ausgestattet mit Master in Business Administration und internationaler Brauerei-Erfahrung, als Braumeister und diplomierter Biersommelier.

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Seit April 2017 im Unternehmen: Sohn Max Spielmann. Braumeister, Biersommelier, Master of Business Administration. (Foto: Welde Brauerei)

Sein Vater ist sicher, dass die Craft Bewegung gerade rechtzeitig in Deutschland ankam, um seinen Sohn zu überzeugen, ins Familienunternehmen einzusteigen. Das Berufsbild des Bräus habe sich total gewandelt. Der Bräu habe einen ganz neuen Stellenwert bekommen, findet Spielmann. „Ich hätte meinem Sohn nicht geraten, hier einzusteigen, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, dass er wirklich für dieses Thema brennt.“  Denn das sei für den Erfolg jedweder Innovationen – vielleicht sogar noch vor der Perfektion der Umsetzung – ausschlaggebend: Man muss zu tausend Prozent dahinter stehen. „Vor einiger Zeit kam mal ein Kollege zu mir und sagte: ‚Ich will jetzt auch mal so ein Disco-Bier machen‘“. Spielmann schüttelt den Kopf. „Aber so geht das natürlich nicht. Innovationen muss man leben. Man kann nicht einfach sagen, das machen wir auch und dann ‚Craft Pils‘ auf die Flasche schreiben.“

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(Foto: StP)

Auf einen Blick

Welde Braumanufaktur
Dr. Hans Spielmann

aus dem Craft Bier Sortiment (ganzjährig verfügbar)

  • Badisch Gose – mit Koriander und Salz
  • Bourbon Barrel Bock – fassgereiftes Bockbier (Cuvée)
  • Hop Stuff Ella-Equinox – hopfengestopftes Kellerbier

Hopfenhelden-Tipp: Redaktionsinterene Uneinigkeit: Gibt große Fans der Gose ebenso wie des Pepper  Pils