Tilmans Biere

TILMANS BIERE: Unerwartet aber gut

Claudia Doyle

Angehende Mediziner schnippeln während der Ausbildung an Leichen herum, BWLer in spe entwerfen Businesspläne für fiktive Unternehmen – da sollten die Brau-Studenten in ihren vier bis fünf Jahren an der Universität doch wenigstens ein paar Chargen Bier brauen dürfen. Ein bisschen mit den Zutaten herumexperimentieren, ein Gespür fürs Handwerk bekommen und schließlich virtuos auf der Geschmackstastatur klimpern. Ja, das klingt nach einer guten Vorbereitung fürs echte Brauer-Leben.

Fakt ist aber: Nur ein einziges Mal ließ die Universität in Weihenstephan den wissenshungrigen und vor allem brauwilligen Bierenthusiasten Tilman Ludwig, der Tilman von und hinter „Tilmans Helles“, an den Braukessel. Einmal. In fünf Jahren.

Tilmans Biere

Grrrr…. vielleicht hat er Durst, der schöne Löwe auf dem sehr schönen Etikett? (Foto: StP)

Stellt sich natürlich die Frage, was der Mann stattdessen so lange da gemacht hat. Was lernt man denn so in einem Braustudium? „Vor allem vieles in Sachen Prozessoptimierung, also wie alles schneller und billiger funktioniert“, erklärt Tilman. Und wie er so tiefenentspannt vor einem sitzt, im grauen Kapuzenpullover mit blauer Strickmütze und Dreitagebart, merkt man doch, dass ihm das gegen den Strich geht.

Und auch das Brown Ale Etikett kann sich sehen lassen (Foto: StP)

Und auch das Brown Ale Etikett von Tilmans Biere kann sich sehen lassen (Foto: StP)

So richtig gebraut hat er während des Studiums nur abends in der eigenen Küche. Mit dabei seine Sparringspartner Ian Pyle von der Ratsherren-Brauerei in Hamburg und Richard Hodges, Ex-Crew-Mitglied. „Wir haben uns einfach immer ein Thema vorgenommen wie „Rotes Bier“ oder „Dunkles Bier“ und dann losgelegt.“ Und es scheint, als hätten sich die vielen Brauabende bezahlt gemacht.

Die wenigsten Brauereien beginnen mit S-Bahn-Müll. Tilmans Biere schon.

Dabei fußt Tilmans Karriere mehr als viele andere auf einem Zufall. Und auf S-Bahn-Müll. Es ist der 18. Mai 2005, ein wolkenverhangener, mittelwarmer Maitag. Oberflächlich betrachtet: ein Tag von der ganz unspektakulären Sorte, dessen Bedeutung erst deutlich wird, wenn man aus der Zukunft auf ihn schaut. Am 18. Mai also bekommt Tilman von seinem besten Kumpel ein herrliches Geburtstagsgeschenk, so geistreich wie sinnfrei: eine Beilagenzeitschrift mit dem Namen „Bier“. Aus dem Jahr 2003, also schlappe zwei Jahre alt. Aber gebraut wird schon seit Hunderten von Jahren, also konnten die Infos so veraltet nicht sein.

Und falls das Bier überzeugt. Sticker gibt's auch! (Foto: StP)

Und falls Tilmans Biere überzeugen. Sticker gibt’s auch! (Foto: StP)

Irgendeine große Wochenzeitung hatte das Magazin gedruckt, irgendein achtloser Leser hatte es in der S-Bahn liegengelassen. Und der Freund, auf der verzweifelten Suche nach einem Last-Minute-Geschenk für Tilman hat sie gefunden und mitgenommen. Weil: Mei, der Til trinkt doch gern Bier, das passt also schon.

So fiel das olle Heft also dem karrieremäßig noch völlig unbedarften Tilman in die Hände. Zum Glück. „Denn da drin stand, dass man Bierbrauen studieren kann. Allerdings: für die Einschreibung war ich zu spät dran.“ Macht nix, Idee noch etwas reifen lassen, nächstes Jahr wieder probieren und: angenommen werden. Ohne das Magazin wäre Tilman jetzt vermutlich nicht Brauer, sondern Fahrradkurrier.

Tilmans Biere

Alles, wie’s der noch-nicht-craft-beer-Trinker kennt: Helles im Kasten. (Foto: NAK)

Nach dem theorielastigen Studium zog er in die Schweiz und heuerte bei der Spezialitäten-Brauerei „Huus-Braui“ an. Der Chef war toll, das Geschäft lief gut, das Brauen war unglaublich kreativ. Das Problem war Roggwill, der Standort der Brauerei. In Roggwill wohnen laut Wikipedia 3862 Einwohner. Da ist Tilman schon nicht mehr mitgerechnet, denn die Zahl ist recht aktuell. Und unter den 3862 gab es einfach nicht genug junge Leute, mit denen er warm werden und abends in der Kneipe klönen konnte. Nach zwei tollen Berufseinsteigerjahren packte er seine Sachen und zog im Oktober 2013 wieder zurück nach München. Ohne Plan, aber mit der vagen Idee, jetzt gern sein eigenes Bier zu brauen. Sein Unternehmen meldet er am 23. April 2014 an, dem Tag des Bieres. Noch so ein Zufall.

Die Augustinerflasche ist nicht so angsteinflößend

Heute hat er von Tilmans Hellem bereits 1000 Kästen verkauft. Dabei hat München wahrlich nicht auf noch ein Helles gewartet. Warum ein Helles, warum nicht ein anderer Stil als der, den die großen Platzhirsche produzieren? „Ich wollte den gemeinen bayrischen Biertrinker nicht erschrecken, denn wenn man dem was Fremdes vorsetzt, sagt er gleich: ‚Joah, des is ganz guad, aber nich meins‘.“ Den Satz kann Tilman nicht mehr hören. Deswegen ein Helles in der Augustinerflasche, das ist nicht so angsteinflößend. Das kennt man hier, das fühlt sich nicht fremd an, das kann man mal vorurteilsfrei ausprobieren.

Tilmans Biere

Eine Hopfenblüte ist das aber nicht auf dem Oberarm vom Braumeister… (Foto: NAK)

Dass er sein Helles mit amerikanischen Aromahopfensorten stopft, muss er ja nicht jedem dazu sagen. Wer sattaromatische Pale Ales kennt und mag, merkt’s eh und freut sich. Und wer nicht, der denkt sich einfach so: „Ja mei, was für a guads Bier der doch macht, der Tilmann.“

So much to brew, so little time

Der schnelle Erfolg war trotzdem unerwartet und er bringt den großen Kerl mit den vielen Tattoos auf den Armen, der so wunderbar nach Berlin passen würde und doch in München (aber nicht die Münchner, diese Yuppies, wie er sagt) verliebt ist, ein bisschen ins Schleudern. Brauen, Verkaufen, Interviews geben, Craft Beer Events vorbereiten und zwischen allem klingelt ständig das Telefon. „In meinem Terminkalender ist jeder Tag komplett leer, aber am Ende hab ich immer unglaublich viele Dinge zu erledigen.“ Tilman lacht, fährt sich nervös mit der Hand durchs Haar und ist froh, noch keine eigene Brauerei zu haben sondern als Gipsy-Brauer mal hier und mal da anzuheuern und auch mal eine Aufgabe abgeben zu können. Die mit den Etiketten zum Beispiel.

Tilmans Biere

Auf der Braukunst Live 2015 war Tilmans Stand eigentlich ungebrochen voll. Läuft bei ihm. (Foto: NAK)

Weil laut Tilman jedes Bier seine eigene künstlerische Identität verdient, lässt er von befreundeten Künstlern Label für seine Flaschen kreieren. Vorgaben macht er keine, denn „man muss die Leute auch einfach mal ihr Ding machen lassen.“ Das Bild auf dem Bier sei jedenfalls viel wichtiger und inhaltsreicher als coole Marketing-Sprüche über Zitrus- und Grapefruitaromen oder die Aufzählung aller verwendeten Hopfensorten. Denn was soll der Biertrinker denn mit einem Etikett anfangen, das genauso text- und theorielastig ist wie so ein furztrockenes Brauwesen-Studium?

Ein hübsch sehenswertes Video von Florian Mühlbauer über Tilmans Biere auf der Braukunst Live 2015

Auf einen Blick

Tilmans Biere
Tilman Ludwig, München
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Bekannteste Biere:

  • Tilmans Helles
  • Tilmans Brown Ale
  • Tilmans „Die Dunkle“

Hopfenhelden’s Choice:

  • Tilmans Helles