MÜNCHENER BIERINSELN: Angst vor den Freibiergesichtern

Claudia Doyle

Die Münchner können echt alles haben. Ein Hofbräuhaus, die Wiesn, eine exzellente Biergartenkultur und jetzt also auch noch ein famoses Craft Beer Event. Vergangenen Samstag fanden die Münchner Bierinseln statt, ein quer über die ganze Stadt und verschiedene Location verteiltes Groß-Craft-Beer-Tasting, quasi. Erdacht und organisiert von einer Weinfrau und einem Biermann

Münchner Bierinseln frisch gezapft

Komm, schenk dir ein: Ein Craft Beer Event in weiß-blau. Fand am letzten Juli Wochenende statt und war ein großer Erfolg. (Foto: Stefan Peters)

Nicola Neumann hat vor lauter Aufregung den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ein halbes Jahr hat die Weinexpertin gemeinsam mit Biersommelier Holger Hahn auf die ersten Münchner Bierinseln hingearbeitet. Und jetzt geht es gleich los. Also: hoffentlich. Hoffentlich geht es gleich richtig los. Sie weiß ja noch nicht, wie viele Leute wirklich kommen. Was für welche. Und wie das dann wird. Denn das ganze ist ein Experiment, wie sie selbst sagt.

Ein Experiment, für das es allerdings zumindest schon so etwas wie einen Vorversuch gab: Letztes Jahr veranstaltete Nicola Neumann die Münchner Weininseln. Das Prinzip war dasselbe: Verschiedene Münchner Lokalitäten, also Restaurants, Cafés, Bars und Läden, bieten an einem Nachmittag ein bestimmtes Verkostungsprogramm an. Mal mit den Produzenten, mal geleitet von einem Experten. Die Besucher hüpfen quasi von Insel zu Insel und fahren nacheinander so viele Stationen an, wie sie möchten. Und am Ende gibt es eine zentrale Party.

Bei den ersten Münchner Bierinseln haben 22 inhabergeführte Bierläden, Bars und Brauereien mitgemacht. Und – was Nicola Neumann, als sie vor lauter Aufregung hungrig Fragen beantwortet, noch nicht wissen konnte – rund 1000 Leute haben sich von Insel zu Insel getrunken. Die unterschiedlichsten Leute:  Männer in den besten Jahren und Lederhosen und Mädchen mit großen Tattoos und Undercut. Ältere Damen in akkurat gebügelten Blumenkleidern und Amerikanern mit zerknitterten Hemden.

Bierinseln

Auf los geht’s los: Die Eröffnungsveranstaltung der Münchner Bierinsel fand im Weissen Bräuhaus in der Innenstadt statt. (Fotos: Claudia Steinert)

Nicola, wie wird man als Weinfrau in der Bierszene eigentlich so empfangen?

Nicola: Mit ganz offenen Armen! Ich hatte sogar das Gefühl, dass die sich was von der Weinszene abschauen wollen, denn Wein ist selten ein Getränk, das man zum Betrunken werden in sich hineinschüttet. Genau diesen Stellenwert wollen die Bierliebhaber auch für Bier erreichen. Und Leute, die sensorisch anspruchsvolle Weine trinken, die finden auch in der Craft-Beer-Szene ähnliche Sachen.

Und was unterscheidet Wein- und Bierszene dennoch?

Nicola: Die Craft-Beer-Szene in München ist natürlich auch noch sehr jung. Zwar gibt es inzwischen einige Akteure, die das schon länger machen, aber für viele Teilnehmer der Bierinseln war es eine ganz neue Erfahrung, sich selbst zu bewerben und das Besondere am eigenen Laden hervorzuheben.

Holger: Die Weinszene ist einfach viel professioneller, im positiven wie im negativen. Einerseits sind die wirklich gut organisiert, andererseits ist da alles schon sehr festgelegt. Bei uns hingegen gibt es noch Pioniergeist.

Liegt das daran, dass es – zumindest in den USA – verbreitet ist, zu Hause zu brauen und so die ganzen Quereinsteiger in die Szene kommen?

Holger: Auf jeden Fall. Die meisten bekannten Craft-Beer-Brauer in den USA sind eigentlich gar keine professionellen Brauer, sondern leidenschaftliche Autodidakten. Die hatten auch bis 1978 keine Wahl, erst dann wurde die Prohibition für Brauer aufgehoben.

Nicola: Die Weinauswahl hierzulande ist riesig aber beim Bier ist die Geschmacksvielfalt regelrecht zusammengedampft. Wir bringen da wieder Aufwind rein und eine neue Wertigkeit für die kleinen Brauereien.

Unterscheidet sich das Bierinsel-Publikum von dem der Weininseln?

Nicola: Ich bin sicher, dass unsere Besucher alle mit dem Herz dabei sind. Davon gehe ich ganz fest aus. Aber ein bisschen Angst habe ich vor einem Ansturm an Freibiergesichtern.

Holger: Ich glaube schon, dass wir heute ein paar andere Leute sehen werden, aber ich habe keine Angst davor. Im Gegenteil, ich freue mich drauf. Obwohl ich denke, dass es bei den Insel-Besuchern eine Schnittmenge von 60 bis 70 Prozent geben könnte. Es gibt schließlich viele Biersommeliers, die Wein unglaublich schätzen und sich sehr damit beschäftigen. Auch umgekehrt wird das immer mehr ein Thema.

Thema Preis: Weintrinker sind ja durchaus bereit richtig viel Geld auszugeben. Wird das beim Bier auch mal so sein?

Holger: Die Craft-Beere liegen preislich ja oft deutlich über dem, was der normale Verbraucher für ein Bier bezahlen würde. Gerade ganz seltene Sachen, Jahrgangsbiere zum Beispiel, die es jetzt nicht mehr gibt, die werden für 500 oder 600 Dollar verkauft. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für Bier auch eines Tages Raritätenauktionen geben wird. Natürlich steht uns da manchmal das Mindesthaltbarkeitsdatum im Weg, aber Starkbiere mit über 6,5Vol% Alkohol werden mit jedem Jahr besser. Wenn Sie einen alten Kasten Doppelbock in der Garage finden, rufen Sie mich bitte an!

Münchner Bierinseln Veranstalter Holger und Nikola

Die waren’s: Holger Hahn und Nicola Neumann haben – das T-Shirt verrät’s – die erste Münchner Bierinsel organisiert (Foto: Claudia Steinert)