Die Bierwelt wird wilder! Dominik Pietsch hat mit zwei Partnern die Brauerei Flügge in Frankfurt gegründet – und damit die nächste Mikrobrauerei, die sich vor allem auf wilde Biere konzentriert. Uns hat er erzählt, warum ihn die wilden Hefen so begeistern und wie man vom erfolgreichen Fotografen zum Brauer wird.
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Dominik Pietsch ist in Wesel am Niederrhein aufgewachsen und hatte zunächst gar nichts mit Craft Beer am Hut. „Mach mal was Vernünftiges“, haben sie gesagt, „damit aus dir was wird!“ Das war gleich nach dem Abi. Naja, nicht ganz. Soweit kam es nämlich (un)glücklicher Weise gar nicht. Dominik Pietsch wurde kurz vorher von der Schule geworfen. Nichts wildes, „die Interessensgebiete lagen einfach eher außerhalb der Schule“, sagt er schmunzelnd.
Also haben „sie“, das sind Dominiks Eltern, ihm geholfen einen Ausbildungsplatz zum Bürokaufmann zu finden. Fand er nicht so cool. Aber studieren vielleicht. Was liegt da näher als BWL? Vielleicht fast alles? Dominik selber sagt: „Da bin ich auf der völlig falschen Insel gelandet.“ Aber so ist er immerhin nach Köln gekommen. Und durch die mangelnde Begeisterung für die Wirtschaftswissenschaften hatte er Zeit sich der Fotografie zu witmen. Aber wie wird ein erfolgreicher Fotograf zum Brauer mit besonderem Augenmerk auf wilde Hefen? Indem er flügge wird und gegen den Strom schwimmt!
Dominik, was hat dich in die Craft Beer Welt gebracht und wann hast du dich entschlossen, deine eigene Brauerei zu gründen?
Vor einiger Zeit haben meine Freundin und ich zusammen Urlaub in Schweden gemacht. Wir sind mit dem Fahrrad von Göteborg nach Stockholm gefahren. Zufällig habe ich dort zum ersten Mal ein Omnipollo getrunken. Das war für mich der Einstieg und die Neugier war geweckt. Ein paar Wochen später hat dann ein guter Freund seinen Junggesellenabschied gefeiert. Ich wollte ehrlicherweise gar nicht mit, weil ich Junggesellenabschiede, naja, nicht wirklich gut finde (lacht). Wir haben aber ein Brauseminar besucht. Als ich dort eingemaischt habe wurde mir schnell klar, dass das ein Richtungswechsel sein kann. Also habe ich zuhause ein bisschen ausprobiert und bin so zum Brauen gekommen.
Das war Ende 2015. Eine Zeit lang habe ich anschließend mit einem Kumpel immens viel zuhause gebraut – mit einem 20 Liter Set, dass immer professioneller wurde. Wir haben uns gegenseitig ziemlich hochgeschaukelt und uns schließlich auch an die wilden Biere getraut. 2017 habe ich letztendlich mit zwei Partnern beschlossen, die Brauerei zu gründen. Ziemlich genau ein Jahr später haben wir unser erstes Bier ausgeschenkt.
Ihr betreibt die Brauerei Flügge also zu dritt?
Im Prinzip ja! Wir haben die Brauerei zu dritt gegründet. Die zweite Person ist Joachim Amrhein. Wir beide kümmern uns um den operativen Bereich. Unsere Bereiche verschwimmen zwar teilweise ineinander, aber vereinfacht gesagt kümmert Joachim sich um alles was mit Zahlen und Paragraphen zu tun hat, und ich mich um alles was direkt mit dem Bier zu tun hat – also in erster Linie Rezepte und Brauen. Der Dritte von uns möchte lieber im Hintergrund bleiben.
Du hast zuvor knapp 12 Jahre als Fotograf gearbeitet. Schaffst du es heute noch dem Brauen UND der professionellen Fotografie nachzugehen?
Seit Januar habe ich vielleicht noch 4 oder 5 Mal als Fotograf gearbeitet. Die Brauerei ist ein Vollzeitjob. Ich hätte nicht gedacht, wie viel Zeit, Geld, Tränen, Schweiß und Blut in so einer Brauerei stecken können. Außerdem bin ich im Januar Papa geworden. Da ist für die Fotografie nur noch sehr wenig Zeit. Der Schritt ist mir zu Beginn wirklich schwer gefallen, da ich mich als Freiberufler sehr mit der Fotografie identifiziert habe. Aber inzwischen habe ich mich in den Brauereialltag auch sehr gut eingelebt.
Wie seid ihr auf den Namen „Flügge“ gekommen?
Also für mich ist diese Brauerei und alles, was dazu gehört, ein riesengroßer Spielplatz für Erwachsene. Vieles von dem, was wir hier machen, hat nicht die große Ernsthaftigkeit, sondern ist eher spielerisch. So sind wir auch zu dem Namen gekommen.
Im Grunde ist die Geschichte die: Irgendwann war eines meiner Homebrew-Experimente ein Schwarzbier-Bock. Ich habe das Bier wegen der Farbe einfach Rabe genannt. Außerdem haben Joachim und ich irgendwie eine Liebe zu Federvieh entwickelt. Ich komme vom Niederrhein und wenn die Störche und Gänse dort vorüber ziehen, finde ich das super. Das sollte sich dann auch im Namen und auf den Etiketten widerspiegeln. Jedes unserer Biere bekommt eine eigene Illustration von Pia Zölzer. Außerdem ist Flügge einfach ein schönes Wort: der Klang, die Bedeutung! Und bei einer längeren Autofahrt kam so der Entschluss die Brauerei Flügge zu nennen.
Die Vogel-Illustrationen auf den Etiketten deiner Biere sind echte Hingucker. Und bei deinem Maracuja Sauer beispielsweise kann man sofort den Bezug der gelben Farbe zur Maracuja und zur Farbe des Bieres herstellen. Nach welchen Kriterien entscheidet ihr sonst, welches Bier, welches Etikett bekommt?
Pia hat zunächst verschiedene Vögel gemalt. Anschließend sind wir wie bei einem Memorie vorgegangen und haben den Bieren die passenden Vögel zugeordnet. Bei Fränk, dem Maracuja Sauer passt das gelb einfach. Und Morris hat einen hölzernen Charakter, da passt der Specht-ähnliche Vogel ziemlich gut. Das kommt bei uns aber eigentlich immer alles intuitiv!
Eure Biere heißen beispielsweise Fränk, Djup, Mägi und Käte. Außergewöhnliche Namen, oftmals mit einem „ä“. Zufall oder geplant?
Mit dem häufigen „ä“ bist du ehrlich gesagt der Erste, der das beobachtet hat. Das stimmt auch, hat aber keinen besonderen Grund. In Flügge ist zwar ebenfalls ein Umlaut, aber wir haben nicht speziell darauf geachtet. Das ist auch wieder vielmehr eine Spielerei. Wir werden von einem Grafikdesigner aus Köln betreut, der mit Pia Zölzer zusammen die Labels macht. Wir kennen uns auch schon relativ lange über die Fotografie. Da besteht eine gewisse Beziehung, sodass wir häufig am Telefon einfach ein bisschen überlegen und so die Namen finden. Die Namensfindung hat dadurch eine große Leichtigkeit.
Die Brauerei Flügge ist eine der wenigen deutschen Brauereien, die ihr Hauptaugenmerk auf wilde Biere legt. Was fasziniert dich daran?
Ich habe immer schon Bock gehabt, Sachen zu machen, bei denen andere eher zurückschrecken. Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch, dass ich damals mit meinen Eltern geführt habe, um ihnen mitzuteilen, dass ich mein BWL-Studium abbreche. Das fanden sie natürlich gar nicht gut. Aber gegen den Strom zu schwimmen macht mir grundsätzlich Spaß!
Und aus persönlicher Sicht kann ich sagen: Ich mag’s einfach sehr gerne. Außerdem finde ich, dass man mit der Brettanomyces beispielsweise Geschmäcker hinbekommen kann, die andere Hefen nicht annähernd erzeugen – das sind feinste Geschmacksnuancen. Und die treffen meinen Geschmack. Als Brauer kann ich der Brauerei Flügge so ihr Gesicht geben. Man sollte sich da meiner Meinung nach nicht nur nach dem Markt richten. Natürlich darf man das nicht ganz außer Acht lassen, aber die Brauerei trägt ja immer die Handschrift des Brauers oder der Brauerin – in meinem Fall ist das die hohe Affinität zu wilden Hefen.
Du braust sogar euer Pale Ale, IPA und das Imperial Stout mit Brett. Wie bist du darauf gekommen, eher Brett-untypische Bierstile mit teilweise 100% Brett zu vergären?
Ich recherchiere und experimentiere einfach sehr gerne! So entstehen immer wieder außergewöhnliche Ideen. Irgendwann habe ich mich gefragt, was passiert, wenn ich Brett zum Beispiel in einem Stout einsetze. Aber: Auch wenn du denkst, dass du DIE Idee hattest, merkst du schnell, dass irgendjemand das auch schon mal gemacht hat. Und so habe ich gelesen, dass man Brett gut mit dunklen Bieren kombinieren kann. Also haben wir eine Testreihe gemacht. Dabei hat die Brettanomyces lambicus den Rahmen gesprengt, das ist bombastisch. Bei dem Maracuja Sauer und dem Roggenbier haben wir nicht mit Brett gearbeitet, sondern mit einer Kveik Hefe, die so warm vergoren wird und so schöne Geschmäcker erzeugt, dass man fast glauben könnte, dass es sich um eine wilde Hefe handelt. Das Thema Hefen stellen wir ziemlich vorne an! Den Spieltrieb kann man damit wunderbar befriedigen – ein bisschen wie Jugend forscht!
Vor kurzem hast du einen Sud mit Daniel Mattern, einem Winzer aus Rheinhessen, angesetzt. Er schreibt auf seiner Homepage, dass er den „Rock ’n Roll aus seinen Trauben“ pressen will. Inwieweit lässt sich das auf euer Bier übertragen? Hast du mit Weinhefen gearbeitet, oder wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Wir haben uns zufällig über einen gemeinsamen Kontakt kennengelernt. Das war ein sehr schönes Treffen, weil Daniel schon länger Lust hatte mit einer Brauerei zusammen zu arbeiten. Und bei mir hat er umgekehrt einen Nerv getroffen, weil ich schon immer etwas mit Wein und Bier machen wollte.
Daniel hatte zu der Zeit gerade einen schönen Orange Wine (Anm. d. Red.: Weine aus weißen Trauben, die einer Maischegärung unterzogen wurden, also im Prinzip wie ein Rotwein hergestellt werden) produziert.
Also ist er mit seinem Lieferwagen und einem 225 Liter Holzfass zu uns in die Brauerei gekommen. Ich habe zuvor eine kesselgesäuerte Würze fertig gemacht. Wir haben beides zusammen zu gleichen Teilen in den Tank gepumpt und eine Saison Hefe hinzugegeben. Das Ganze haben wir jetzt gerade in Flaschen abgefüllt und es schmeckt saugut!
Daniel hat mir vorher schon gesagt, dass der Wein wie Craft Beer schmeckt. Ich wusste natürlich, dass vor mir ein Wein steht. Hätte ich das aber nicht gewusst, hätte ich gedacht, da steht ein fassgereiftes, belgisches Bier. Der Wein hat ganz klar diese Barrique Noten, die Farbe war total toll, ein knalliges rot-orange. Und ich habe diese schweren Malznoten aus einem Dubbel oder Quadrupel entdeckt – auch Rosinen und Vanille. Es wird wahrscheinlich im Winter nochmal einen wintergeeigneteren Bier-Wein-Hybriden geben.
Du hast ganz unterschiedliche MHDs auf deinen Bieren. Lässt du einige in der Flasche nachgären, oder woher kommen die unterschiedlichen Zeiträume?
Die unterschiedlichen MHDs kommen daher, dass uns die Erfahrung fehlt und wir noch nicht genau wissen, wie wir bei unseren Bieren mit den MHDs umgehen müssen. Es gibt zu allem Richtlinien und Leitwerte, nur zu MHDs nicht. Jeder Brauer und jede Brauerin muss selber entscheiden, welches MHD auf der Flasche stehen soll. Deswegen geben wir auf die milderen und nicht mit Brett vergorenen Biere erstmal 4 Monate und prüfen, ob es auch länger geht. Nach 4 Monaten ist es auf jeden Fall noch stabil. Da uns die Erfahrungswerte im Moment noch fehlen, wollen wir erstmal auf Nummer sicher gehen. Beim Imperial Stout zum Beispiel sieht das anders aus. Das kann man bestimmt auch über 5 Jahre lagern. Ich werde das auch tun, weil es total spannend ist zu erfahren, was sich in der Flasche noch entwickelt.
Was sind Eure Pläne für die Zukunft?
Für die Zukunft ist erstmal der Plan, die Brauerei weiter aufzubauen. Das ist noch ein langwieriger Prozess. Aktuell steht das Thema Vertrieb ganz oben auf der Liste. Ansonsten habe ich eine ganze Menge an Ideen in der Schublade. Ich würde gerne nochmal was mit Daniel Mattern machen. Und wir brauen ein Saison mit einem historischen Chevallier Malz. Dafür stehe ich gerade mit Rhön Malz in Kontakt.
Eigentlich will ich mit der Brauerei aber einfach gerne genauso weiter machen wie bisher: Kein Helles, kein Pils, dafür etwas sauer und vor allem wild!
Titelbild: Brauerei Flügge