Fritz Wülfing ist endlich angekommen. Mit Ale Mania hat sich einer der ersten und zugleich umtriebigsten deutschen Craft Beer Pioniere den langen Traum einer eigenen Brauerei erfüllt. Endlich genug Raum für noch mehr Spontanität, einem wilden Bier Line-up und viel Liebe fürs Detail. Höchste Zeit für einen Abstecher ins rheinische Bonn, mitten hinein in die wohl lässigste Garagenbrauerei jenseits des großen Teichs.
Wer durch das gigantische Rolltor im Bonner Stadtteil Pützchen das Reich von Fritz Wülfing betritt, weiß gar nicht wohin er zuerst schauen soll. In einer überdimensionierten Garage erschlägt einen der knallgelbe Boden, palettenweise Dosen mit kunterbunten Labels und wilden Namen. Weiter hinten im Raum ein Sudhaus – so schlicht und gleichzeitig genial einfach gehalten, dass es in vielen unkonventionellen Details den Erfindergeist des Hausherren widerspiegelt. Eingemaischt wird in einem Milchbehälter und aus einem Kanu-Paddel wird schnell ein Rühr-Stab.
Veränderung als einzige Konstante
Fritz steht mitten im Raum. Groß gewachsen ist er, trägt einen lässigen blauen Sweater und eine unauffällige Brille. Mit seiner herzlichen rheinischen Art verkörpert er einen spannenden Spagat zwischen dem studierten Verfahrenstechniker, der seit vielen Jahren bei der Telekom in Bonn arbeitet und dem unabhängigen, kreativen Freigeist, der sich in Bonn seinen Traum von der eigenen Brauerei hart erarbeitet hat. Denn seitdem Fritz im Herbst 2010 begann sein Fritz Ale IPA als Gypsy-Brauer bei seinem guten Kumpel Peter Esser in der Kölner Braustelle zu brauen und er seine Rezepte immer weiter verfeinerte, begleitet ihn stets eine Konstante. Die Lust immer wieder neue Wege zu gehen. Um also zu verstehen, warum es hier so bunt und wild zugeht, bietet Fritz gleich die Steilvorlage und schenkt das erste Bier ein.
ESA steht auf dem schwarzen Label der Dose – klingt irgendwie nach Weltraum und schmeckt auch galaktisch. Hinter dem Kürzel stecken mit Ekuanot, Sabro und Azacca drei ebenso ausgefallene wie extrem aromatische Hopfensorten die dem Double Dry-Hopped NEIPA seinen super crispen Geschmack und sein fruchtiges Aroma verleihen. Wieder eine Neuentwicklung von ihm. Denn wenn Fritz eine Idee kommt, fackelt er nicht lang. Wie lange er es brauen wird – wer weiß und eigentlich auch nebensächlich. Hauptsache es kommt was neues in die Dose. „Die Dose macht einfach richtig Spaß, weil sie dem Craft Beer Markt mit einem ständig wechselnden Line-up unheimlich gerecht wird“, sagt Fritz. Es gibt permanent neue Inspiration für Rezeptideen, Kollaborationssude mit guten Kumpels aus der internationalen Bier- oder Kaffeeszene, deren Kaffee er dann mal eben für ein Milk Stout verwendet. Oder eine Kooperation mit RedNib, dem Bonner Modelabel für nachhaltige Kleidung, dessen Markenlogo mit einem Kiwi-Vogel die perfekte Inspiration für ein Milkshake IPA mit vergorenen Kiwi-Früchten darstellte.
Dose muss sein
Gleichzeitig lässt sich auch für jeden neuen Sud ein super cooles Layout für die Dose gestalten. Und es macht ihm einfach richtig Spaß tolle Etiketten auf sein Bier zu kleben. „Für mich gibt es nichts langweiligeres als diese Kontinuität. Die Kleinen ohne echte Core Range, die ständig etwas Neues machen – das find ich toll!“ Andererseits möchte er natürlich etablierte Biere nicht grundsätzlich in Frage stellen und er ist lokal schon so gesettled, dass er sich mit einer kleinen Core Range angefreundet hat. Mit dem New England IPA seinem Klassiker, dem Bonner Wieß als Hommage an eine alte Bonner Brautradition sowie dem IPA als fruchtige West-Coast Style Interpretation deckt er dann doch eine gewisse Bandbreite an unkomplizierten und runden Bieren ab. „Wir brauchen halt dann eben doch noch Flaschen. Die Dose kapiert eben noch keiner“, sagt Fritz. Eine eigene Dosenabfüllanlage hat er noch nicht angeschafft. Momentan bestellt er mobile Füller zu sich nach Bonn und wechselt da zwischen mehreren Anbietern – denn es gibt einen großen Termindruck und wenn die Füller einmal da sind, dann muss alles passen.
Hands On und zwar sofort
„Der wichtigste Schritt war auf jeden Fall die eigene Brauerei“, sagt Fritz und schenkt das nächste Bier ins Glas. Ein Gupaso – Guave Pastry Sour. So fruchtig-sauer dank Guaven-Püree, mit Lactose gesüßt und Philly Sour Hefe gebraut. Und passend zu Fritz nächstem Kapitel – denn nach Jahren des Gypsy-Daseins folgte dann endlich der riesen Schritt zur eigenen Brauerei im Sommer 2015 mit Ale Mania. Seitdem hat er auch Zeit Praktikanten zu beschäftigen und sogar eigene Azubis anzulernen – neue Köpfe, die sich gemeinsam mit ihm noch mehr mit neuen Bierideen austoben und jeden Tag dazulernen wollen. Was ihm total wichtig ist, um auch das Wissen und Know-How der neuen Bierkultur zu vermitteln und somit auch in die Zukunft der Craft Beer Kultur zu investieren. „Bei einer Ausbildung in einer kleinen fränkischen Brauerei lernt man natürlich handwerklich zu brauen und coole Biere zu machen“ Bei den großen Brauereien sehe das dann aber oftmals anders aus – am wirklichen Brauprozess können die Azubis kaum mitwirken. „Bei uns arbeitest du eine Woche und hast bei allen Abläufen in der Brauerei schon einmal mitangepackt. Von der Würzebereitung, dem Gärkeller, der Füllerei – bis zum Versand.“ Die Hands-On Mentalität von Fritz vermittelt er schließlich auch sofort seinen Azubis. Dass da kleine Fehler mal passieren – geschenkt. Aber ohne ein wenig Mut und Spielraum beim Bierbrauen kommt eben auch kein Guave Pastry Sour heraus. „Einen Sud wegkippen mussten wir aber lange nicht mehr“, sagt Fritz und lacht. Viel wichtiger für ihn, dass man einfach macht, statt alles aus Marketing-Sicht zu beurteilen und ob sich das wohl gut verkauft, was er da mit viel Liebe Woche für Woche braut. „Genau darum geht´s doch – es geht ja ums Brauen und nicht nur ums Produkt“.
Work in Progress
Mit Blick auf die gelbe Farbe auf dem Boden des Sudhauses muss er ein wenig schmunzeln. Denn die Farbe platzt ihm schon wieder auf. Bereits zum zweiten Mal. Die Bodenversiegelung ist eben doch nicht so ein Klacks. „Ich hatte am Anfang unterschätzt, was das alles für ein Aufwand ist, wenn man das direkt alles selber gestaltet, direkt einen sechsstelligen Betrag in die Hand nimmt und ein schlüsselfertiges Ding kauft“, sagt Fritz und denkt an all die Auflagen, die er bei seiner Brauerei zu erfüllen hatte. Zum Glück ist ihm die Bonner Stadtverwaltung wohlgesonnen. Die Behörden schauten anfangs öfter mal vorbei. Es braucht schließlich auch genügend Parkplätze für eine eigene Brauerei und bei einem Lebensmittelbetrieb muss halt auch die Hygiene passen. Es läuft aber problemlos. Bei der Stadtverwaltung seien schließlich alle nett. Und finden sogar gut was er hier in Bonn Stück für Stück aufzieht. „Das letzte Highlight war jetzt unsere Genehmigung zur Kneipe“, sagt Fritz und blickt dabei hinter sich an einen improvisierten Tresen der später einmal Teil eines Taprooms samt Kaminofen sein soll. Frischgezapftes Bier in seiner eigenen Brauerei – auch so etwas worauf er lange hingearbeitet hat. „Da war die Stadt unheimlich großzügig, gerade auch wegen Corona. Vielleicht ist die Stadt dann doch etwas generöser, um überhaupt noch ein bisschen Kneipenkultur und Gastronomie zu fördern.“ Einzige Bedingung. Fritz muss eine Eiche pflanzen. Die kommt dann direkt vor die Brauerei. Als Kompensation dafür das Fritz eben nur einen einzigen Parkplatz hat. Natürlich bekommt die Eiche dann auch ein eigenes Bier, samt fancy Dosen-Label.
Doch damit nicht genug. Denn Fritz hat schon wieder seinen nächsten Coop geplant und will das Thema Kask-Ale vorantreiben. Seit ihm die befreundete Iron Pier Brewery aus UK einen Firkin auf dem Hopfendankfest Köln 2019 zum Ausprobieren überlassen hat, macht er immer wieder kleine Sude. „Das heißt wir werden auch mindestens eine Handpumpe kriegen“, sagt Fritz und freut sich darauf ausgewählte Biere als Cask-Ales noch etwas runder, geschmeidiger zu machen und vor allem absolut frisch seinen Gästen im Tap Room anzubieten. Neue Technikend beim Brauen auszuprobieren gehört für Fritz einfach seit Anfang an dazu.
„Man kriegt das nur heraus wenn man von unten kommt“
„Wenn du merkst, oh da hast du jetzt zu wenig Aufwand betrieben, da ist was schiefgegangen – dann ist das von den Kosten her trotzdem noch im Rahmen und es war eben ein Versuch wert“, sagt Fritz. Was er oft noch nicht ganz versteht: Warum so viel Geld in Sudhäuser investiert wird. „Die Würzeerzeugung ist so einfach und unser Sudhaus mittlerweile so leistungsfähig. Klar können wir nur englisch brauen, nur ein einstufiges Infusionsmaischverfahren im isolierten Behälter machen.“ Aber diese Einschränkung nimmt Fritz gerne in Kauf, weil er weiß, dass weniger doch mehr ist und er auf konstant hohem Niveau brauen kann. Was er wirklich braucht und worauf er gerne verzichten kann, das hat Fritz eben früh gelernt. „Man kriegt das nur heraus wenn man von unten kommt“. Denn das Heimbrauen hat ihn so ziemlich alles gelehrt, was ihm auch jetzt im professionellen Rahmen erfolgreich macht. Probieren geht eben über studieren. Und es macht einfach Spaß sich immer wieder neu zu erfinden und mutig neue Wege beim Brauen zu gehen.