Der Applaus, heißt es, ist das Brot des Künstler. Es heißt aber auch: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ein bisschen Bier dazu darf’s schon sein, dachte sich der Berliner Künstler Johannes Heidenpeter, und gründete seine Brauerei Heidenpeters
Das mit der Mütze, das ist irgendwie so gekommen, sagt Johannes Heidenpeter. Das war keine Absicht, die hat er nicht bewusst zu seinem Markenzeichen gemacht oder so. Trotzdem gehört sie jetzt dazu. Ist seine Brauermütze. Und er ist der Brauer mit der Mütze. Gekauft hat er die auf dem Winterfeldtmarkt in Berlin-Schöneberg, bei einer Frau, die eben solche Mützen aus alten Mehlsäcken macht. Achtzehnhundertirgendwas ist der Sack auf seinem Kopf. Und er hat mehrere davon. Irgendwie passen die super zu einem, der in einer 120 Jahre alten Markthalle Bier braut. Und der das Schöne am Bierbrauen die Tatsache findet, dass es ein so verdammt altes Ding ist. „Die Tätigkeit an sich – fast archaisch fühlt sich das an“, sagt Johannes Heidenpeter.
Brauer von der Kunstakademie
Johannes Heidenpeter mag das, wenn Dinge sich zusammenfügen. Wenn verschiedene Dinge gemeinsam zu einer ganzen, guten Sache werden. Story of his life, irgendwie. Das zog sich schon so durch seine Karriere als bildender Künstler. Ja, der Brauer ist eigentlich Künstler, Abschluss an der Kunsthochschule Berlin, diverse Ausstellungen, Kunststipendium, alles drum und dran. Und künstlerisch sind sein Ding Collagen. „Wichtig ist mir dabei immer, dass das alltägliche Sachen sind. Ein schönes Stück Holz, zum Beispiel, das ich auf der Straße gefunden habe, das sich irgendwann mit anderen Stücken zusammenfügt.“
Bier machen, sagt der Wahlberliner, funktioniere im Grunde genauso. „Man komponiert aus unterschiedlichen Zutaten ein gutes, ganzes Bier. Erst hat man den Malzkörper, dann fügt man den Hopfen dazu. Und wenn dann noch was fehlt, der Kick, dann packt man es eben in den Tank und ballert ein paar Früchte drauf.“
Man merkt schon: Johannes Heidenpeter geht das Brauen erfrischend unkonventionell an, so wie das oft gerade jene Leute tun, die es nie wirklich gelernt haben. Wie Heidenpeter. Vor vier Jahren hat er zufällig ein Englisches Porter getrunken. Von der Biobrauerei Nordsch in Bremen. „Das hat mich echt umgehauen“, sagt er. Bier – natürlich kannte er Bier, mochte er auch, aber das? Anders. Und geil. Hatte er noch nie so getrunken. Wollte er mehr darüber wissen. Noch am selben Abend googlet Johannes Heidenpeter ein bisschen rum. Und findet erstaunliches: Bier kann man selber brauen. „Ehrlich gesagt, war mir das bis dahin gar nicht so bewusst“, sagt er. „Ein paar Stunden später hatte ich ein erstes Buch bestellt, eine Woche danach mein erstes Bier gebraut.“ Das war ein IPA. „Als ich’s probiert habe, dachte ich noch, puh, ist schon ganz schön bitter.“ Er hatte ja keine Ahnung, was ein Pale Ale, was ein IPA ist. Geschmeckt hat’s im trotzdem.
Aus Spaß wird ernst
Was dann geschah, ist quasi ein Craft Beer Klassiker: Heidenpeter braut zu Hause, lässt Freunde probieren, die sagen: Ist super! Er braut mehr, die jubeln mehr, und irgendwann ist der Gedanke an eine eigene Brauerei da. Ganz konkret kam ihm der, als er an einer alten Fleischerei in seinem Kiez vorbeigelaufen ist. „Drin war alles gefließt, sah toll aus, und plötzlich dachte ich: Da muss eine Brauerei rein.“ Als es mit dieser Location erst nichts wird, plant der Künstler eine mobile Brauerei. Einen Brew-Truck, quasi. Den wollte er bei den Prinzessinnengärten in Kreuzberg, einem Urban-Gardening-Feld, aufstellen. Erst nachdem auch das nicht klappt, lernt er die Betreiber der Markthalle Neun kennen, einem Bio-Regio-Wochenmarkt-Besser-Esser-Projekt ebenfalls in Kreuzberg. Nachdem er die seine Biere probieren ließ, sagen die ganz schnell und einfach: „Mach!“ So kam Heidenpeters in die Markthalle.
So schaut’s aus: Die Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg. Ein Film aus dem Video-Projekt „FOOD, PEOPLE, PLACES – The Webseries about Food Culture from all over the World“
„Mann, ich habe neulich wieder Bilder gesehen, wie das vor einem Jahr noch hier unten im Keller aussah“, sagt Johannes Heidenpeter, als er seine Brauerei zeigt, die eigentlich nicht viel mehr als eineinhalb Räume im Untergeschoss der Markthalle ist, voll gestellt mit nicht einmal mannshohen Braukesseln, jede Menge Schläuchen und einer winzigen, komplett von Hand zu bedienenden Abfüllmaschine. „Ganz schön schlimm. Da war halt dreißig Jahre lang nichts und davor war das eine Schlachterei, da wurde Fleisch geschnitten, geräuchert und gekocht.“ Mit 10.000 geliehen Euro von Freunden und einem bisschen Phantasie macht sich der Künstler an die Arbeit, wird Handwerker, baut, nein, improvisiert sich sein Sudhaus zusammen – nachts und an den Wochenenden vor allem, bis Juni diesen Jahres hat Heidenpeter nämlich noch einen „Geldverdiener-Job“, wie er sagt, in einer Galerie. Letzten Endes gibt aber sogar die Berliner Hygieneaufsicht ihr OK und Johannes Heidenpeter kann endlich anfangen sein eigenes Bier brauen. Mal mehr, mal weniger bis dato, künftig soll es aber auf jeden Fall mehr werden, 1200 bis 1500 Liter die Woche, die er sowohl an seinem kleinen Stand in der Markthalle als auch in der Flasche verkauft. Ja, doch, das mit Einzelhandel und Gastronomie, das geht los, aber: „Ich halte mich noch etwas bedeckt, denn ich will niemandem etwas zusagen, dass ich dann auf jeden Fall einhalten muss. Ich bin mit meiner Brauerei zum ersten Mal in meinem Leben ein total freier Mensch, ohne einen Chef, der mir sagt, was zu tun ist. Und das will ich erst einmal so beibehalten.“
Es hat sich alles irgendwie ziemlich gut zusammengefügt für Johannes Heidenpeter. So wie er es eben mag. Nur die Kunst kommt im Moment etwas kurz. „Manchmal fehlt sie mir“, sagt er, „nicht vehement, weil die Sache, die ich jetzt mache, Bierbrauen, für mich so nah dran ist. Aber ich merke schon, dass es sehr gut tut, ab und zu mal wieder einen Pinsel in die Hand zu nehmen. Und wenn es nur für ein paar Etikettenentwürfe ist. Ich spüre, dass gerade etwas nicht da ist, das sonst immer einen großen Teil in meinem Leben ausgemacht hat.“ Johannes Heidenpeter zupft seine Mütze zurecht. „Aber meine Idee ist schon, Kunst und Bier irgendwann wieder mehr zusammenzufügen. Nur Eile hat das nicht.“
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- Heidenpeters
Johannes Heidenpeter, Berlin
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- Bekannteste Biere:
Thirsty Lady, Heidenpeters IPA, Heidenpeters Pale Ale