Doreen Gaumann ist gerade mal 24, als sie die Braumeisterin der neuen-alten Union Brauerei Bremen wird. Ganz schön große Hausnummer. Schockt die Bremerin aber kein Stück
Man kann sich in Bremen nicht über Bier unterhalten, ohne früher oder später von Beck’s zu sprechen. Doreen Gaumann spricht schon ganz früh über Beck’s. „Andere Weser-Seite“ sagt sie dazu. „Ich habe auf der anderen Weser-Seite meine Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin gemacht“, erzählt die 25-Jährige. Das war ein Vorschlag ihres Papas. Sie selbst hatte nach dem Abitur überlegt: Milchwirtschaft? Chemielaborantin? Irgendwas mit Lebensmitteln, auf jeden Fall. „Bei Beck’s suchen sie Brauer“, hat der Papa dann erzählt. Und Doreen fand das gut.
Doreen will mehr
Nach der Ausbildung ging sie zu Diebels. „Dort stand ich dann an der Flaschenwaschanlage und dachte mir so: Hm, irgendwie kann das ja wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein.“ Keine Frage: diese Frau hat Zug zum Tor.
Eigentlich kann ihr der Termin für dieses Interview hier gar nicht passen, irgendwas hat heute Morgen mit dem Start der Brauanlage nicht funktioniert, Doreen ist drei, vier Stunden hinter dem Zeitplan. Heute braut sie 4.000 Liter Weißbier, die Maische macht gerade, was sie machen soll, hoffentlich. Eigentlich müsste sie ab und an mal reinschauen, es gibt keinen Stift, keinen Prakti, der ihr das abnimmt. Aber jetzt sitzt sie hier und beantwortet brav Fragen zu ihrer Braulaufbahn. Dann wird das eben ein längerer Tag. Wieder. So wie die meisten Tage der jungen Braumeisterin. Eigentlich kommt sie gar nicht recht los von ihrem Job, seit sie in einer Wohnung direkt über dem Sudhaus wohnt „Wenn nachts die Schrotmühle angeht, höre ich das ziemlich deutlich“, sagt sie und lacht. Ob denn wenigstens die Wochenenden frei… sie schaut nur kurz auf und lächelt verlegen. „So ist das eben bei einem Start-Up: Man investiert ungeheuer viel Zeit.“ Sie tut das aus vollster Überzeugung, glaubt man ziemlich genau zu spüren.
Als Doreen 2014 von der geplanten Wiederbelebung der Union Brauerei Bremen liest, sei das „ein Sechser im Lotto“ gewesen. „Bremen ist für mich Heimat und ich wollte dahin zurück, sah aber auch das Problem, dass es hier für mich als Brauerin nicht viele mögliche Arbeitgeber gibt.“ Außer Beck’s. Während sie noch auf der Meisterschule in München ist, bewirbt sie sich mit ihren Anfang Zwanzig bei der neuen, alten Brauerei. Und bekommt den Job als erste und anfangs einzige Braumeisterin an einer 20-Hektoliter-Anlage. Wow, too much, weiche Knie, Versagensängste? Nö. „Da dachte ich mir halt: OK, Doreen, du musst jetzt an deinen Aufgaben wachsen – und zwar ganz, ganz schnell.“
Union Brauerei Bremen? War mal das beste Bier der Stadt
Neu-alt ist die Union Brauerei deshalb, weil es im Osterfeuerbergviertel in Bremen-Walle vor über hundert Jahren schon eine Union Brauerei gegeben hat. Die wurde damals von Bremer Wirten gegründet und hat wohl, wie man hört, ganz ordentliches Bier gebraut. Doreen kennt viele alte Bremer, die nach 50 Jahren immer noch jammern, was das doch für ein gutes Bier gewesen sei und wie schade und so weiter. 1968 war trotzdem Schluss, nachdem die Brauerei von Haake-Beck (ja, hat auch mit Beck’s zu tun) übernommen wurde. Das ansehnliche Brauereigebäude blieb aber stehen.
2014 kauft das der Bremer Architekt und Bauunternehmer Lüder Kastens. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Markus Zeller, Professor für Hotel und Restaurantmanagement an der Hochschule Heilbronn und ebenfalls von der anderen Seite der Weser (hat Mitte der Neunziger als Trainee im Marketing bei Becks angefangen und ging 2010 als Geschäftsführer der Brauerei Beck GmbH & Co KG.), beschloss er, hier wieder eine Brauerei zu eröffnen – oder konkreter: Craft Beer nach Bremen zu holen. Mit allem, was dazu gehört, dem gläsernen Sudhaus, der großen Gastronomie, den Führungen, Tastings und Events – das ganze große Ding eben. November 2015 war Eröffnung unter dem neuen Namen „Freie Brau Union Bremen“. Jetzt zur Fußball-EM können hier 180 Mann im Braugarten sitzen und wahlweise auf Leinwand oder Lagertanks schauen. Das Glasdach können sie ganz aufschieben, dann ist es ein Biergarten. Im eigentlichen hell-grau-holz-smart-schönen Gastraum mit 120 Plätzen gibt es eine Theke mit 14 Zapfhähnen und einen Growler-Filler, oben drüber stehen fünf 500 Liter Tanks Union Bier. Dann noch die historischen Bilder der „alten Union“ an der Wand, der gigantische Leuchter… schon schön hier.
Die Freie Brau Union Bremen ist kein „ich habe mir mal 10.000 Euro von Freunden zusammen geliehen und losgelegt“-Projekt. Die Sanierung des Gebäudes und der Bau der Brauerei haben rund 5 Millionen Euro gekostet. Aber Craft Beer kann ja, das wurde in den letzten Jahren ausreichend oft diskutiert, durchaus von-bis sein.
Craft Beer? Andere Welt.
Für Braumeisterin Doreen Gaumann war Craft Beer bis vor zwei Jahren noch gar kein Thema. „Ich habe halt in der Industrie gearbeitet, ich habe in ganz anderen Dimensionen gedacht. So richtig bewusst wurde mir das erst in der Meisterschule. Viele meiner Mitschüler kamen aus Familien, die eine Brauerei in vierter, fünfter Generation betreiben. Für die war Brauen etwas ganz anders als für mich, und so habe ich angefangen, mich mit dem Thema Handwerk auseinander zu setzen.“
Und eigentlich entspricht ihr Craft Beer sehr: Ihr jetziger Job habe im Gegensatz zu denen in der Industrie den Vorteil, dass sie in allen Bereichen fit bleibt. „Ich mache hier alles, von der Rohstoffannahme bis zur Abfüllung. Und ich mag den Kontakt mit den Gästen sehr, bei Brauereiführungen, Tastings, Seminaren und so weiter.“ Das allergrößte aber sei die Produktentwicklung. Auch etwas, von dem mal als Azubi bei Becks eher wenig mitbekommt. Neben den sechs Standard Biere der Freien Brau Union Bremen, von denen das Keller-Pils der Bestseller ist, gefolgt vom „Hanseat“, einem Märzen, gibt es saisonale Biere wie etwa ein Summer Ale. „Zum Winter hin hätte ich gern ein richtig schönes Bockbier, das man dann auch Stacheln kann“, sagt die Braumeisterin.
Und noch etwas mag sie in Sachen Craft. Dass es mehr um Geschmack geht als um Menge. „Ich gebe ganz ehrlich zu: Ich war nie eine große Biertrinkerin. In der Berufsschule wurde ich damit aufgezogen, dass ich in der zweiten Pause immer noch kein Bier getrunken hatte. Wobei ich ja auch dachte, nur weil man viel Bier trinken kann, heißt das nicht, dass man auch gutes braut. Und es ist bis heute so: Ich schütte nicht gern große Mengen in mich rein, sondern trinke lieber nur ein Bier, dafür etwas exklusiveres. So eine Flasche Mashsee Captain Blaubeer oder so.“