Als Brauer mag Felix vom Endt ein Quereinsteiger sein, aber in der Craft Beer Bewegung ist er ein Mann der ersten Stunde. Das ist die Geschichte von Orca Brau und wie aus dem Berliner Blogger ein fränkischer Brauereibesitzer wurde. Und warum ihn das sehr glücklich macht.
Manchmal, sagt Felix vom Endt und grinst, manchmal habe er das Gefühl, gleich käme der Johannes Heidenpeter um die Ecke. Sein Lehrmeister. Der ihm sagt, was zu tun ist. Aber dann… kommt keiner. Keiner sagt ihm was zu tun ist. Das muss er jetzt alleine wissen. Ist ja seine eigene Brauerei.
Vom Endt schaut still in die rund 350 m² große Halle. Inklusive eines Außenbereichs, der auch irgendwann mal bespielt werden soll. „Die Größe ist schon eine Hausnummer“, sagt er. Und alles andere auch: Seine eigene Brauerei. Wahnsinn. Toller Wahnsinn. Irgendwie.
Einer der allerallerersten in Sachen Craft Beer
Felix vom Endt ist seit Anbeginn fester Bestandteil der deutschen Craft Beer Szene, sein Name ist Brauern wie Bierfreunden ein Begriff. Noch bevor das Thema in Deutschland Fahrt aufnahm, schrieb der gebürtige Bayer auf seinem Blog „Lieblingsbier.de“ über gute, bessere und besondere Biere, kleine Brauereien, unkonventionelle Biermacher. Besonders die „David gegen Goliath“-Themen beschäftigten ihn, wie er selber sagt, sei es die Causa Fritz Cola versus Fritz Ale (die Macher von Fritz Cola drohten Fritz Wülfing mit einem Markenrechtsstreit um dessen Bierlabel Fritz Ale, woraufhin Wülfing beschloss, Ärgern zu vermeiden und seinen Namen in Ale Mania zu ändern). Oder der gescheiterte Versuch der Nordmann-Gruppe (Ratsherrn), sich den Begriff „Craft Beer“ markenrechtlich schützen zu lassen. Vom Endts Bericht darüber schlug derartige Wellen, das Oliver Nordmann selbst Stellung bezog.
Mit Lieblingsbier war vom Endt das, was man in Berliner PR-Klitschen einen „Influencer“ nennt. Seine Meinung galt aber auch damals schon bei Brauern viel. Weil neben einem starken Gerechtigkeitssinn hat Felix vom Endt einen hervorragenden Geschmack und viel Ahnung von Bier.
Insofern war es auch keine große Überraschung, als er vor zwei Jahren beschloss, richtig praktisch zu werden und tief ins Produkt einzusteigen: Vom Endt, ein langjähriger Heimbrauer, begann in einer Brauerei zu arbeiten. Studiert hatte er Soziale Arbeit, er lebte damals in Berlin, beides eröffnet einem in gewisser Weise viele Freiheiten und so begann Felix vom Endt eine intensive, schöne Lehrzeit bei Johannes Heidenpeter im Keller der Markthalle Neun.
Berlin, du bist so wunderbar… anstrengend
„In Berlin hätte ich wahrscheinlich keine eigene Brauerei gestartet“, sagt Felix, als er an diesem Vorfrühlingsvormittag noch schnell eine Flasche Reinigungsmittel wegräumt, die auf den Fotos seiner ordentlichen, hellen Brauerei nicht drauf sein muss. Stattdessen hat er im Sommer letzten Jahres begonnen, Orca Brau und Großgründlach in Nürnberg einzurichten. Seine Frau kommt aus Nürnberg, selbst hat er in Franken studiert, er fühlt sich hier sehr, sehr wohl. Das war der Hauptgrund. Darüber hinaus gibt der 30-Jährige aber auch zu, dass ihm Berlin im Allgemeinen zu anstrengend geworden ist und die Berliner Craft Beer Szene im Speziellen ebenfalls. Zu viel, zu laut, zu schnell. Fühlt sich mehr und mehr nach Ellenbogengesellschaft an, sagt er. Und: „Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass die Craft Beer Bewegung von anderen in eine Richtung weitergetrieben wird, die mir persönlich nicht gefallen hat.“
Man kann mit Felix vom Endt offen darüber reden, was ihm, einem Vorkämpfer der „echten“ Grass Root Bewegung Craft, in den letzten Jahren nicht gefallen hat. Und ja, es sind die eher „kommerziellen“ Player, die aufs Feld kamen. „Es enttäuscht mich schon zu sehen, wie die Grass Root Bewegung von denen überrollt wird und wie Brauereien die vor drei oder vier Jahren als Ein-Mann-Brauereien begonnen haben, von diesen ausgebremst werden.“
Und dann: Der Start von Orca Brau
Ein knappes halbes Jahr hat Felix von Endt den ersten Sud Orca-Bier vorbereitet, hat die Wände der ehemaligen Werkstatt selbst gefließt, die alte Brauanlage seiner Lehrmeisters Johannes Heidenpeters, die dieser selbst aus alten Milchtanks und Zeug zusammengeschraubt hat, von Berlin nach Nürnberg gekarrt, vier erste Biere geplant: das „Einfach“, ein Golden Citra Pale Ale, wenn man so wollte, nicht gestopft. „Normal“, ein helles Lager, klassisches für Franken aber dennoch mit einem leichten hopfigen Kick. „Anders“ nennt Felix selbst ein Double Pale Ale. Sehr hopfig, aber nicht bitter. „Geht im Grunde in die Richtung New England IPA, aber von der Bezeichnung halte ich nichts.“ Und dann schließlich noch das „Boomshakalaka“, ein Rauchbier, aber eines mit Chili und Himbeeren. „Ein bisschen over the top“, sagt er, aber das soll so.
Im Januar setzt er die ersten Sude an. Ende Februar macht er eine kleine Eröffnungsfeier. Danach ist das ganze Bier dann schon wieder weg.
„Das war der Wahnsinn und das hätte ich so nicht erwartet“, erzählt er. Denn eigentlich hat er den lokalen Markt, die Leute, die auf einen Samstag in seine Brauerei im Industriegebiet von Großgründlach kommen gar nicht an erster Stelle auf dem Zettel gehabt. „Ich braue schon für die Geeks“, sagt er. Also vor allem Flaschenbier das über die einschlägigen Shops von Anfang an deutschlandweit vertrieben werden sollte. Und das macht auch absolut Sinn. Immerhin hat Felix vom Endt sich mit seiner starken Stimme und seiner Expertise einen guten Namen in der Craft Beer Szene gemacht. Er hat eine große Reichweite. Im Grunde ist er eine Marke. Und es ist nur schlau, daraus nun ein Geschäft zu machen – und sein eigenes Bier zu verkaufen.
Orca Brau: Von Geek für Geeks
Eigentlich war der Plan, die Craft Beer Szene mit einem neuen Bier nach den anderen zu bedienen, genau so wild, bunt und kreativ, wie sie es liebt. Felix vom Endt sieht seinen Markt bei „den Nerds“, bei anspruchsvollen Craft Beer Trinkern in ganz Deutschland und darüber hinaus, die stets nach Bieren suchen, die sie überraschen. Sein Plan deshalb: Jeder Sud ein neues Bier. Wilde Hefen, Früchte, Kräuter… es gibt ja auch so unfassbar viele Möglichkeiten. „Jetzt habe ich doch schon die ersten zwei wiederholt“, sagt er, „Einfach“ und „Anders“ gingen bereits in die zweite Runde. „Die Nachfrage war einfach zu groß.“
Der Franke an sich ist nämlich dem Thema besseres Bier gegenüber höchst aufgeschlossen. Ohne großen Hype und Craft und so weiter. „Hier wissen die Leute einfach, wie Bier gemacht wird, alle. Das ist hier Grundwissen.“ In Berlin sei das einfach nicht der Fall. Wo Bier herkommt? Wat weeß icke. Supermarkt, wa!? Und am Wochenende auch mal 25 Kilometer zu fahren um sich einen Kasten Bier von einer besonders guten Brauerei fünf Dörfer weiter abzuholen findet in Franken auch niemand schräg. Dazu kommt eine große Zahlungsbereitschaft für bessere Lebensmittel. In Franken, so Felix vom Endt, erkennen die Leute den Unterschied zwischen dem Brötchen vom Discounter und dem vom Bäcker, der selber backt, und sind bereit für Brot, Wurst oder auch Bier aus handwerklicher Herstellung mehr zu bezahlen. So kommt es, dass auch immer wieder Leute an das Tor von Orca Bräu klopfen. „Wir haben gesehen, da steht Brauerei und wollten mal ein Bier kaufen.“
Es kann nicht immer nur Berlin sein.
Nach den ersten, glücklichen Monaten in Nürnberg hat Felix vom Endt bereits seine ersten Lehren gezogen und gibt diese auch gern weiter: „Man muss schauen, dass man aus Berlin wegkommt – auch mit seinen Bieren – dem Hype entfliehen“, sagt er, grinst. „Auch wenn ich mich jederzeit freue als Tourist in die Stadt zu kommen.“ Natürlich ist es ihm wichtig, dass Orca Brau auch in den Regalen Berliner Bierläden steht – aber Berlin ist nach Felix „nicht der heilige Gral für in Deutschland hergestelltes Craft Beer und so sollte meiner Meinung nach der Fokus des Vertriebs vor allem auf kleineren Städten liegen.“
Natürlich will auch Felix vom Endt mit Orca Brau wachsen – bewusst und mit Augenmaß. Irgendwann ein Unternehmen mit einer Hand voll Mitarbeiter, das wäre schön. Und bei der nächsten BrauBeviale, dann Herbst 2018, will er sich eine „richtige“ Anlage kaufen, eine Messestück. Das wäre schön. Mal sehen, wer dann das alte Heidenpeter-Sudhaus übernimmt und damit seinen Traum von der eigenen Brauerei beginnt.