Ende 2015 haben sich die beiden Hobbybrauer Johannes Grohs und Alexander Beinhauer mit der eigenen Biermarke Next Level Brewing auf neues Terrain gewagt und sind von Beginn an, so könnte man sagen, durch die Decke gegangen. Ihr Motto dabei ist: Sie wollen Biere erfinden, die über die Grenzen der Normalaromatik hinausgehen und den Biertrinker von seiner jetzigen Stufe loslösen, sprich: auf das Next Level bringen.
Wir haben uns mit Johannes in Berlin getroffen und einfach mal gehorcht, was an der schönen blauen Donau aktuell so los ist. Gelassen steht er an der Bar und wartet auf unseren Interview-Termin. Ein schlacksiger, sympathisch wirkender Typ – natürlich den gemütlichen Sweater mit dem eigenen Aufdruck an.
Next Level Brewing hat seinen Sitz in Wien. Gebraut wird in verschiedenen Partnerbrauereien, meistens jedoch in Kärnten, bei Loncium. Einen Beerstore betreiben die beiden übrigens auch noch. Die eigene Brauerei steht bis jetzt allerdings nicht auf dem Plan, denn Wien muss es schon sein und auch bleiben. Und so macht Gypsie-Brauen im Moment am allermeisten Sinn für die zwei Bier-Enthusiasten. Die sehen ihre Aufgabe nämlich aktuell ganz woanders: „Die Leute sollen sich mehr davon befreien, was Bier ist und offener mit dem Thema Craft Bier umgehen. Craft Beer soll nicht das Feine und Spezielle für besondere Anlässe oder nur das Zeug für die Hipster sein, sondern im Alltag ankommen. Wenn wir’s etwas mehr in die Mitte schaffen, wäre das schon cool.“
Wein adé, denn Bier soll das einzige Getränk sein
Pale Ale und IPA zählen dabei für Next Level Brewing nicht mehr als kreativ, sondern sind „moderne Interpretationen alter Klassiker“. An bierigen Ideen mangelt es den beiden trotzdem nicht. Ziel und großer Wunsch ist es, mit den ausgefallenen Kreationen auch Menschen zu begeistern, die eigentlich keine Biertrinker sind – die Crowd also zu erweitern. Und dafür muss Bier nicht zwangsläufig wie Bier schmecken, sondern einfach nur gut und lecker. Wichtig ist, es soll dabei ein Bier entstehen, das noch nicht existiert und so eine Marktlücke füllt. Jede Kreation ein Novum also.
Der Weg zu neuem Bier ist dabei recht unterschiedlich. „Natürlich sind wir recht aktiv unterwegs und schaun‘ was bei den anderen Brauern so passiert.“ Da hilft auch der Beerstore weiter, zu Marktforschungszwecken sozusagen. Er ist aber auch Location für eigene Veranstaltungen, Bierverkostungen und Verkaufsplattform. Vieles ergibt sich auch über den Food-Bereich, meint Johannes. Die ‚Lemonthyme Gose‘ beispielsweise hat genau so eine Marktlücke gefüllt. „Es hat einfach genervt, dass es kein perfekt passendes Bier zu Fisch und Meeresfrüchten gibt. Klar kannst du als Biersommelier ein Bier empfehlen, aber du denkst immer: Das passt jetzt noch nicht perfekt, ’n Weißwein wäre jetzt geiler. Und das geht gar nicht.“
Deshalb das Lemonthyme: Thymian ist ein mediterranes Gewürz – oft zum Würzen von Fisch verwendet, Salz ebenso wie Zitrone. „Erst dann haben wir uns gefragt: Na was ist das jetzt für’n Bier?“ So ist das übrigens immer, meint Johannes dazu: Die Aromatik stehe im Vordergrund, die Kategorisierung käme ganz zum Schluss. „Durch das Salz und die Gewürze ließ sich dann am ehesten noch a‘ Gose draus machen. Da haben wir dann noch indischen Koriander dazugegeben, weil der ins Zitronige geht, wenn man darauf herumkaut. Der normale Wiener wäre wahrscheinlich geschockt.“
Mehr Freiheit, kreativ zu sein?
In Österreich, so Johannes, wird nach dem Lebensmittelkodex gebraut: „Da steht drinnen, was Bier ist und daran musst du dich halten. Wenn dann Rohstoffe, die normalerweise nicht im Bier sind, als Sonderzutat dazukommen, fällt das in die Kategorie des sogenannten Kreativbiers.“ Und spätestens dann muss die geschmacksgebende Sonderzutat deklariert werden. Ein Helles, beispielsweise, mit Thymian gebraut, müsste ‚Kreativbier mit Thymian‘ genannt werden. Danach folgt die Bezeichnung Vollbier, Spezialbier, Kreativbier und weitere Zutaten wie Gewürze, Früchte etc.
Aber wie groß ist die Brau-Freiheit ohne Reinheitsgebot tatsächlich? So gravierend schätzt Johannes den Unterschied zwischen den beiden Regelungen dann doch nicht ein. Letztlich entscheide das Reinheitsgebot ja nur über die Namensgebung der jeweiligen Kreation. „Wir können halt Sachen machen, die in Deutschland nicht mehr Bier heißen dürfen – zumindest offiziell nicht – brauen kann der Deutsche prinzipiell ja alles, außer in Bayern vielleicht, aber das ist jetzt wieder ’n anderes Thema.“
Wie es dazu kam…
Alexander und Johannes sind eigentlich keine Brauer, also zumindest nicht auf dem Papier. Johannes kommt ursprünglich aus der Bautechnik („ohne r“) und Alexander ist studierter Chemiker und Biotechnologe. Zum Brauen haben beide auf sehr unterschiedliche Weise gefunden. Während bei Johannes ein Brau-Starterkit (eigentlich das Weihnachtsgeschenk für die Schwester) herhalten musste, führte Alexander die ersten Brauversuche mit akkuratem Versuchsaufbau und 5-Liter-Kochtopf aus.
Kennengelernt haben sie sich dann bei einem recht unspektakulären Hobbybraustammtisch in Wien. Das gemeinsame Interesse an der Erfindung noch nie dagewesener Biere und der gegenseitige Austausch über neue, eigene Brauexperimente entwickelte sich rasch zu einer (Brau-)Freundschaft. Diese Neugier nach der ganz neuen Biererfahrung konnte aber leider keine schon existierende Brauerei befriedigen und so war bald klar: „Wenn es sonst keiner macht, dann müssen wir halt ran.“
Und wie ging es dann wirklich los? „Ich hatte den Beerstore ja schon und Alex ist dann mit seinem Studium fertig geworden, wollte aber gerne noch eine Weltreise machen. Mir war klar, der darf nach seiner Rückkehr nicht in die Chemie, da ist er verschwendet. Wir haben dann vor seiner Abreise nochmal Bier zusammen gebraut und die Sache war besiegelt.“
Bereits in den ersten Monaten nach ihrer Gründung braut Next Level Brewing mithilfe verschiedener Partnerbrauereien knapp 10 verschiedene Kreativbiere. Zum Jahresbeginn 2016 werden sie bereits zu den Rate Beer „best new brewer“ in Österreich ernannt.
Ein großer Flaschenbiermarkt bringt Tücken mit sich
Abgefüllt wird das fertige Gebräu ebenfalls bei Loncium in Kärnten. Die sind mittlerweile mit der modernsten Füllerei Österreichs ausgestattet und somit auf dem neuesten Stand der Technik. Besonders das Abfüllen in Flaschen sei sehr wichtig für Next Level, so Johannes, da Flaschenbiere 70-80% des gesamten Marktes in Österreich abdecken. Die Wirte haben wohl häufig Sorge, dass die teuren, ausgeflippten Biere nicht getrunken und im Faß schlecht werden. So wollen sie am liebsten nur Flaschenbier im Angebot haben.
Deutschland ist zurzeit das größte Abnehmerland für Next Level Brewing. Italien und Frankreich sollen bald folgen. „Und dann gibt’s da natürlich immer die vereinzelten Biernerds, die irgendwo eine Bar haben und auf guten Geschmack setzen.“
…und dann ist da noch der ganz normale Biertrinker
Das Problem in Österreich, findet Johannes, ist das Trinkverhalten der Bevölkerung: „sehr supermarktlastig und traditionell“ . Dabei trinkt der Österreicher gar nicht so wenig. Aber auch das österreichische Normalbier ist relativ gut. Schwieriges Unterfangen also, das eigene neue Bier an den Mann zu bringen.
Österreich ist halt ein sch*** kleines Land
Tatsächlich ist es zeitweise wohl einfacher, einen Zapfhahn in Berlin, als in der eigenen Stadt zu bekommen. Aber Alex und Johannes haben von Anfang an ein paar Dinge richtig gemacht: Den englischen Namen haben die beiden Brauer bewusst ausgesucht. Bei solch kreativem und seltenem Bier muss die Vermarktung nämlich gleich europaweit gedacht werden, erklärt Johannes. Der englische Name vermeidet hier also auf jeden Fall das ein oder andere Übersetzungsproblem.
Eine Frage drängt sich dann allerdings doch noch auf, nämlich die nach dem Logo der Kreativbrauerei. Wieso ziert hier ein Kraken jede einzelne Flasche?“Eigentlich sollte es sowas wie ein Pirat werden, wild und frei und mutig. Doch Braupiraten gibt es in der Craft-Landschaft ja nun wirklich schon genug.“ Wieso also eigentlich kein Kraken? „Das sind tatsächlich unheimlich intelligente Tiere, individuell und frei. Sie können sogar ihre Farbe und Form wechseln und sind dadurch extrem flexibel“, sagt er und lacht.
(Aufmacher-Foto: Die Gründer Johannes Grohs und Alexander Beinhauer in ihrem Beerstore)