Seit dem Zweiten Weltkrieg wuchs die deutsche Hopfenwirtschaft nicht nur, sie veränderte sich auch. Hopfenpflanzer zwischen Tettnang und der Hallertau setzten mal mehr auf Aromasorten, mal mehr auf Bitterhopfen – und jetzt kommt die Craft Beer Bewegung und macht alles anders. Professor Ludwig Narziß, Deutschlands führender Brauwissenschaftler, hat die letzten siebzig Jahre Geschichte des deutschen Hopfen am eigenen Leib miterlebt und fasst sie für Hopfenhelden einmal zusammen.
Während des Zweiten Weltkriegs und in den Folgejahren wurde das Bier immer dünner. Folglich wurde weniger deutscher Hopfen gebraucht und angebaut. In den Betrieben lagen zum Teil überalterte Hopfen, die keinen Brauwert mehr hatten. Und dazu kamen heiße Sommer 1947 und 1949, die die Hopfenernte schmälerten. Kurz: Es stand nicht gut um den deutschen Hopfen. Erst ein Jahr nach der Währungsreform durften wieder Biere mit normaler Stammwürze bis hin zum Bockbier gebraut werden. Der Bierabsatz (und damit der Hopfenkonsum) nahm zu – bis das Jahr 1950 eine weitere Missernte bescherte, die den Hopfenpreis auf über 1500 DM steigen ließ. Die US-Militärregierung ließ daraufhin erstmals Hopfen aus dem amerikanischen Yakima-Valley importieren (vor allem die Sorten „Boullion“ und „Cluster“), die dem Bier eine fremdartige Note und harte Bittere verliehen. Schon während des Krieges hatte die US-Hopfenwirtschaft stark an Bedeutung zugelegt und die zuvor führende deutsche Hopfenindustrie überholt – knapp die Hälfte allen Hopfens weltweit wurden nach Kriegsende in den USA produziert. Erst in den 1950ern erholte sich die deutsche Hopfenbranche zusehends. Gemessen an der Anbaufläche ist Deutschland heute wieder führend, gut die Hälfte aller Hopfenerträge kommen aus Europa, dann erst folgen die USA und China.
Neue Gebiete – und vor allem neue Sorten
Doch wuchs die deutsche Hopfenwirtschaft nicht nur, sie erfuhr auch manchen Wandel. Die Zahl der Anbaugebiete in Deutschland für Hopfen wurde im Wesentlichen auf die Hallertau, auf Spalt und Tettnang zusammengefasst, Hersbruck und Kinding wurden der Hallertau einverleibt, die baden-württembergischen Gebiete Rottenburg/Herrenberg/Weilderstadt sowie Schwetzingen geschlossen, weil die einzelnen Pflanzer-Betriebe dort zu klein und somit die Vermarktung schwierig waren. Seit der Wiedervereinigung kam auch das Gebiet „Elbe/Saale“ dazu. Und auch, was die angebauten Sorten betraf, änderte sich einiges.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Hopfen: Aroma- und Bitterhopfensorten. Beide werden zur Bierherstellung verwendet. Während die Aromahopfensorten aber vor allem mit ihren ätherischen Ölen auftrumpfen, zählt beim Bitterhopfen die Alphasäure, die hilft, das Bier zu konservieren. Heute kommt ein Großteil der weltweit produzierten Aromahopfen aus den USA, in Deutschland wird überwiegend Bitterhopfen angepflanzt – doch das war keineswegs immer so. Früher, auch noch nach 1945, wuchsen in Deutschland ausschließlich Aromahopfen mit einem breiten Spektrum an Geschmacksnoten und vergleichsweise geringen Bitterstoffgehalten. Die deutschen Anbauorte bauten die nach ihnen benannten Landsorten wie „Hallertauer mittelfrüh“, „Spalter“, „Hersbrucker spät“ an, wobei allerdings der Hallertauer auch in Spalt, Tettnang und Hersbruck Eingang fand. Alle diese Sorten waren Aromahopfen. Ein Problem mit vielen dieser traditionellen Aromahopfensorten war allerdings ihre Anfälligkeit gegenüber der Hopfenwelke, einer Pilzkrankheit, die eine gesamte Ernte zerstören kann – und in den frühen Nachkriegsjahren auch immer mal wieder tat.
Bitter und zäh
Aus diesem Grund kam 1963 mit der Sorte „Northern Brewer“ aus Großbritannien der erste Bitterhopfen auf die Deutschen Felder, denn ihr konnte der Pilz wenig anhaben. Aus Sorge um ihre Ernten schwenkten viele deutsche Hopfenpflanzer schnell ganz auf „Northern Brewer“ und andere pilzresistente Sorten wie „Brewers Gold“ um.
Mit dem Einzug der Bitterhopfen veränderten sich seitens der Brauer die traditionellen Bierrezepte. Während sie nämlich bisher reichlich Aromahopfen in ihre Sudkessel geben mussten, um einen angenehm bitteren Geschmack im Bier zu erzeugen, reichen wesentlich geringere Mengen von Bitterhopfen aus, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Das spart viel Geld – Hopfen ist bei weitem die teuerste Bierzutat – schmälert aber auch den Geschmack. Einige Forschungsinstitute verbreiteten die These: „Alle Hopfen sind gleich“. Sie veranlasste eine Reihe von Brauereien, die billigeren a-Säuren der Bitterhopfen einzusetzen und damit die Kosten zu senken. Die Biere waren neutraler, die Bittere jedoch breiter, weswegen die Hopfengaben erniedrigt wurden, was eine nochmalige Einsparung bedeutete. Erst der krankheitsresistente „Hersbrucker Spät“ hat den Aromahopfenanbau in der Hallertau, dem größten Hopfenanbaugebiet weltweit, gerettet. Wenig später kam mit der Sorte „Perle“ ein weiterer resistenter Hopfen mit gutem Aroma und gleichzeitig hohem Alphasäuregehalt auf den Markt. Inzwischen ist die Pilzwelke weitgehend von den Feldern verschwunden und auch „Hallertauer“ und „Tettnanger“ wachsen wieder.
Und heute?
Jedoch bekommen die alten Aromasorten zunehmend Konkurrenz von Neuzüchtungen mit klangvollen Namen wie „Saphir“, „Smaragd“ oder „Opal“. Dazu kommen besonders in der Craft Beer Szene beliebte Aromasorten, die ausschließlich in den USA angebaut werden und auch als „Flavour Hops“ bezeichnet werden, wie zum Beispiel „Amarillo“, „Citra“ oder „Simcoe“. Um sich nicht abhängen zu lassen, hat auch die deutsche Hopfenbranche Aromahopfen-Neuzüchtungen nachgelegt, die durchaus mit den amerikanischen mithalten können: „Mandarina-Bavaria“, zum Beispiel, „Hüll-Melon“, „Blanc“ und ganz neu „Polaris“. Aber auch in die Bitterhopfenszene kommt Bewegung, das deutsche Hopfenforschungsinstitut Hüll führte ab Mitte der 1980er Jahre ihre neuen Bittersorten ein: „Magnum“, „Taurus“, „Merkur“ und „Herkules“ mit 13-16% a-Säure, die hauptsächlich in der Hallertau angebaut wurden, aber auf kleineren Flächen auch in Tettnang und Spalt. Oft sind das kraftstrotzende Pflanzen, die doppelt so hohe Erträge bringen wie die ursprünglichen Sorten. Damit stützt dieses Standbein, der Bitterhopfen, die deutsche Hopfenwirtschaft weiter.
Wie jeder landwirtschaftliche Betrieb müssen auch die Hopfenbauern auf ihren Profit achten und pflanzen deshalb nur zu gern diese ertragreichen neuen Bitterhopfensorten an. Doch die Brauszene wird in der Verwendung des Hopfens kreativer und vielfältiger. Hopfenbauer sollten darauf achten, sich nicht zu sehr auf einige wenige Sorten festzulegen, sondern sich breit aufstellen. Denn eine Hopfenpflanze bleibt viele Jahre im Boden und was heute gepflanzt wird, muss in den nächsten zehn Jahren Abnehmer finden. In den 1920ern und 30ern gab es in Deutschland viele fantastische Biere, die ausschließlich aus Aromahopfen gebraut wurden. Die Craft Beer Brauer greifen diese Idee wieder auf – und vielleicht kommt sie bald auch in den Kontrollzentren der ganz großen Konzerne an. Hopfen ist nicht nur irgendeine Zutat des Biers. Es ist DIE Zutat schlechthin. Sein Beitrag zur Differenzierung, Aroma und Wohlgeschmack des Bieres ist wohl der größte.
PROTOKOLL: Claudia Steinert