BRLO Chicken & Beer: Mehr als nur Bier

Nina Anika Klotz

BRLO ist eine der erfolgreichsten deutschen Craft Beer Marken – weil sie nämlich mehr als nur das ist. Ein Gespräch mit Gründerin Katharina Kurz über den neusten Coup: BRLO Chicken & Beer im Berliner KaDeWe

Die These, dass es mehr braucht, um im Bierbusiness erfolgreich zu sein, als die Fähigkeit, gutes Bier zu brauen, ist zugegebenermaßen schon was älter. Weil ja auch wirklich etwas dran ist: Ein gutes Bierrezept ist eben nicht mehr wert als ein gutes Bierrezept. Um daraus ein Business zu machen, gehört eine ordentliche Portion Unternehmertum dazu, man sollte unbedingt gut rechnen können und Marketing nicht für das Werk des Teufels halten, sondern Sinn und Mittel darin sehen.

Es gehört dazu, immer eine gute Geschichte erzählen zu können – auch wenn die Geschichte „Wir machen jetzt Craft Beer und gründen eine eigene Brauerei“ erzählt ist. Dazu haben wir mit unterschiedlichen Experten gesprochen, Katja Rusch, PR-Expertin und Gründerin der Agentur storykitchen in München hat dazu ausführlich Tipps gegeben, Holger Eichele, Geschäftsführer des Deutschen Brauerbundes hat neulich erst daran erinnert.

Genügend Gründe für uns, jemandem zuzuhören, der all diese wohlweisen Ratschläge mit echtem Bierleben füllt. Immer und immer wieder. BRLO in Berlin hat es geschafft, immer wieder mit neuen Coups zu überraschen. Klar, erst war da die von Quereinsteigern gegründete Craft Beer Marke, dann das erste Craft Beer in einer deutschen Airline UND der Mut, knallhart auf Dosen zu gehen (ab 2015 gab es das BRLO Pale Ale auf den Flügen der Airberlin). Dann kam die Brauerei in den Überseecontainern, Toplage, Kreuzberg, Gleisdreieck, quasi Potsdamer Platz. Und dann das Brwhouse – außergewöhnliches Konzept, viel mehr fine dining, als man bei Brewhouse-Food erwarten würde, kaum Fleisch, ganz anders. Plus Biergarten, groß, touristische Lage und alles.

Das neuste Ding nun  ist, dass BRLO mit einem Foodkonzept ins KaDeWe ging: BRLO Chicken & Beer ist quasi ein Mini-Restaurant (45 Sitzplätze, acht Hähne und drei Gerichte auf der Karte) im fünften Stock, der Feinkostabteilung, des geschichtsträchtigen Berliner Kaufhaus am Ku’Damm. – Wie machen die das nur?

BRLO Chicken and Beer

Was auf den Tisch kommt: Hähnchen, Salat, Fritten und Bier. So ziemlich alles von der Karte im BRLO Chicken & Beer im KaDeWe. (Foto: The Fish & The Knife)

Katharina, wie kommt man denn an so etwas wie eine Location im KaDeWe?

Über den Strategiechef der Foodabteilung hier. Der machte uns darauf aufmerksam, dass hier etwas frei werden könnte. Zuerst sah es so aus, als würde das alles viel länger dauern, als wir sonst so planen, aber dann kam ein überraschender Anruf, dass es los geht. Bevor wir zugesagt haben, haben wir uns die Ecke hier genau angeschaut. Wir waren bestimmt zwanzig Mal hier, alle möglichen Wochentage und Uhrzeiten. Und wir waren ehrlich gesagt nicht gleich begeistert: Hier war totale Stille. Das war so eine Ecke mit Konservendosen – da war einfach nichts los. Wir wussten also, wenn das hier was werden soll, dann brauchen wir schon ein richtig gutes und völlig neues Konzept.

Inwiefern?

Auch, um zur Institution KaDeWe zu passen. Das darf nicht Hipster sein, nicht „ich erklär dir jetzt mal, was Craft Beer ist“. Unser Brwhouse-Konzept schien uns viel zu komplex, wo die Leute doch während ihres Einkaufes mal eben schnell eine Kleinigkeit essen wollen. Wir haben dann einfach viel und gut zugehört. Dabei haben wir erfahren, dass hier bis vor zwei oder drei Jahren ein Hähnchen-Grill war. Und dass sich das Stammpublikum schon mehrfach beschwert hat, dass der weg ist. Also haben wir gesagt: OK, da können wir doch ansetzen und den zurückbringen. Aber in toller. Das war die Geburtsstunde von BRLO Chicken & Beer.

BRLO Chicken and Beer

Komm’se rin, könn’se raukieken. Aber halt wirklich. – Das BRLO Chicken & Beer in KaDeWe. (Foto: The Fish & The Knife)

Im Brwhouse spielt Fleisch eine untergeordnete Rolle, ist eigentlich nur die Beilage. Weil es ja auch besser für alle ist, weniger Fleisch zu essen – wie wir ja wissen. Wie könnte Ihr diese Philosophie mit dem Chicken-Konzept vereinen?

Es ist natürlich eine Abkehr vom Brwhouse-Konzept, wo Fleisch immer nur die Nebenrolle spielt. Deshalb war es Ben (Ben Pommer, Kulinarischer Direktor und Geschäftsführer der BRLO-Gastronomie, Anm. der Red.) aber auch umso wichtiger, dass es gutes Fleisch ist aus guter Herkunft. Wir braten hier ausschließlich Kikok-Maishähnchen aus nachhaltiger Aufzucht. Die werden nur mit Mais gefüttert, was ihre Haut gelb und das Fleisch unglaublich zart macht. Die dürfen länger wachsen und sind so riesig, dass von einem halben Hänchen locker zwei Leute satt werden. Und die Kombination Hühnchen und Bier ist schwer zu toppen. In Korea ist das ein kulinarisches Heiligtum: Chimac heißt das (zusammengesetzt aus Chicken und Macju, koreanisch für Bier, Anm. der Redaktion). Wir haben es im Brwhous getestet, und es kam super an.

Du hast schon angedeutet, dass das Stammpublikum der Delikatessenabteilung des KaDeWe vorsichtig ausgedrückt „anders“ ist als die typische Craft Beer Kundschaft: Älter, konservativer, mehr Pelzkragen als Vollbart. Wir knackt man die – als Craft Beer Marke?

Wir versuchen uns von der Bezeichnung Craft Beer in der Kommunikation zu verabschieden – nicht nur hier im KaDeWe, insgesamt. Es wird auch von den Etiketten verschwinden. Ich glaube, es war richtig, das Wort am Anfang zu verwenden, aber so langsam kann es konterkarierend wirken. Man ist über den Begriff hinweg. Wir müssen neue Leute an das Thema heranführen. Die Nerdszene entwickelt sich nicht so exponentiell, wie wir das alle bräuchten.

BRLO Chicken & Beer

Aufgetischt. (Foto: The Fish & The Knife)

Und die neue Kundschaft ist hier in Westberlin?

Hier ist das Bier, das wir ausschenken, für viele Gäste absolutes Neuland. Gleichzeitig kommen aber 4 Mio. Besucher jährlich ins KaDeWe und die Hälfte geht hoch in die Foodabteilung – das kann man doch als Chance sehen und nutzen. Wir achten sehr darauf, nicht zu abgehoben aufzutreten, das Servicepersonal ist immer deutschsprachig und holt Kunden ab. Der Preis war und ist natürlich ein Thema: Beim Grillhähnchen-Stand, der früher hier war, musste man nicht so tief in den Geldbeutel greifen, der war eben für die Kunden, die hier nicht bei Champagner und Austern sitzen. Soweit wird das Konzept aber super angenommen.

Im Grunde ist Chicken & Beer ein weiterer Move, bei dem ihr mehr als Bier macht, Bier als Lifestyle anbietet. Ist das der Weg, in der Craft Beer Welt Erfolg zu haben?

Ich glaube, es kommt darauf an. Es gibt Brauereien, die in diesem absoluten Nerd-Nimbus gut aufgehoben sind und genug von der Szene abgreifen können, um da weiter zu wachsen.  Für uns ist Bier in Verbindung mit kulinarischen Konzepten ein Wachstumsweg, das KaDeWe wird nicht unsere letzte Gastro gewesen sein. Berlin kann noch ein BRLO-Konzept vertragen. Und weil wir Ben mit an Bord haben, können wir das Thema Food immer wieder neu spielen. Nicht nur im Sinne von: „Hier ist deine Sättigungsbeilage zum Bier.“ Ich halte das für den richtigen Weg. Ist es ein Weg für jeden? Weiß ich nicht. Das ist schon sehr viel Arbeit; Gastronomie ist nicht einfach.

BRLO Chicken & beer

Bierauswahl. Hähnchengrill. Fertig ist das neue Konzept. (Foto: The Fish & The Knife)

Aber lohnt sich?

Es zahlt auf die Marke ein und ist auch ein wichtiger Vertriebskanal, ja. Man verkauft da schon auch viel Bier. Mit guten Margen.

Was ist der nächste Coup nach Airberlin, Potsdamerplatz, KaDeWe? BRLO im Fußballstadion?

Zum Fußballstadion würde ich Nein sagen, aber dafür fehlt uns wohl noch das nötige Kleingeld. Außerdem wären wir im Team nicht einig ob Union oder Hertha. Prinzipiell sind wir gern da, wo man es nicht erwartet. Aktuell finde ich das Musikthema total spannend, 2018 haben wir eine zweite Kollaboration mit dem amerikanischen Hip-Hop Duo Run the Jewels gemacht. Ich denke überhaupt, der beste Weg sind mehr Kollaborationen. Auch Brauer mit Brauern. Auf lokaler Ebene. Da geht nämlich noch viel mehr.

(Credit Aufmacherbild: Maria Schiffer)