Holzmarkt Brauerei

Nicht aus der Dose. Aus dem Container!

Nina Anika Klotz

Berlin ist um eine Brauerei reicher. Aber die Holzmarkt Brauerei ist weder Start-Up noch hundert Jahre Tradition. Braumeister Marten Schmidt über die Geschichte dahinter. 

Um die Geschichte der Holzmarkt Brauerei in Berlin erzählen zu können, muss man ein bisschen ausholen und ein Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte aufschlagen. Ja, ja, Berlin schon wieder. Nicht der Nabel der Welt, sicherlich. Aber das hier ist spannend, weil es sich um eine Art überraschend geglücktes Experiment handelt, ein kleines städtebauliches Wunder. „Ein magischer Ort“, sagen die Betreiber des Holzmarkt-Geländes. Touristen aus aller Welt freut’s, Investoren und Städteplaner kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.

Holzmarkt Brauerei

Hinter diesem Tor steht Berlins neuste Brauerei. (Foto: NAK)

Es gibt da nämlich mitten in der Stadt, im „Szenebezirk“ Friedrichshain, zwischen Alexanderplatz und Oberbaum-Brücke, direkt an der Spree ein ziemlich großes Areal, ein Filetstück, eigentlich, so zentral, so besonders, so am Wasser, so alles, was Grund und Boden in Großstädten eben so filetartig macht, das von einer Art fröhlichen Kommune, einer Genossenschaft, künstlerisch und bunte bespielt wird. Wo Holzbüdchen und Lauben stehen anstatt 14-stöckiger Hochhäuser mit Glasfassaden, schwinderlerregenden Quadratmeterpreisen und unbezahlbaren Blicken auf den Fluss.

Der Holzmarkt – ein „urbanes Dorf“, wie sie sagen

Wobei freilich unter dem Holz der Büdchen mittlerweile auch schon einiger Beton liegt und aus dem puren Spaß im Holzmarkt ist längst voller Ernst geworden. Die Holzmarkt Genossenschaft erbaut hier auf 10.000 m² ein kleines, freigeistig-kreatives Dorf mitten in der Stadt. Mit Restaurants, Weinhandlung, einer Kita, Studentenwohnungen, einer Biobäckerei – und einer eigenen Brauerei.

Holzmarkt Brauerei

Das sind die Mäuse, die der Kater Blau jagdt, nachts, im Club. (Foto: NAK)

„Da, wo früher die Bar25…“ – „Ach so!“

Alles begann 2004 mit der Bar25, einem Techno-Club, aber nicht irgendeinem, sondern einem, der irgendwann als „berüchtigt“ galt, über den Dokumentarfilme gedreht wurden, der in jedem Reiseführer stand und fest zum Berlin der frühen 2000-er gehörte. DIE Bar25, also. 2010 schloss DIE Bar25, die Betreiber eröffneten am anderen Spreeufer einen neuen Club, den Kater Holzig, auf dem Bar25-Gelände entstand später der Kater Blau.

Holzmarkt Brauerei

So sieht es dann innen drin aus, in der Container-Brauerei. Bisschen wie U-Boot. (Foto: NAK)

Über das ganze Hin und Her wurde immer viel gesprochen, gestritten und geschrieben, weil es, sehr vereinfacht gesprochen, immer ein bisschen „die Kreativen versus das Kapital“ war. Da wollten Projektentwickler tolle Hochhäuser am Wasser bauen – und da wollten Clubleute, Musiker, Künstler weiter feiern in einem beständig gewordenen Provisorium.

Das Ganze nahm einen spektakulären Ausgang – weil nicht „das Kapital“ sondern „die Kreativen“ obsiegten: 2017 übernahm die Genossenschaft Holzmarkt e.G. die Verantwortung für das Gelände am Holzmarkt und ließ hier nach und nach ihre Utopie vom „urbanen Dorf“ Wirklichkeit werden.

Holzmarkt Brauerei

Hier wegen Bier: Braumeistern Marten Schmidt in seiner Brauerei auf dem Holzmarktgelände (Foto: NAK)

Holzmarkt Brauerei: ein Pilotprojekt

Zu diesem Dorf gehört jetzt auch Marten Schmidt. Im Frühling 2018 kam er an, frisch aus Schweden, wo der Braumeister unter anderem Biere für  Sigtuna Brygghus & St Eriks gebraut hat. Davor war er in Kanada gewesen, davor USA, sechs Jahre unterwegs in der Welt. Und ganz, ganz davor hat er sein Studium an der VLB abgeschlossen. „Aber dann wollte ich schnell weg aus Deutschland“, sagt er. „Weg vom Reinheitsgebot.“ Ihm ist das einfach alles zu sehr „German Angst“, zu viel Sorge etwas falsch zu machen, zu viel Festhalten an althergebrachten Gewohnheiten. Spannender, sagt Marten, sei doch der Ansatz: „Was ist das Ziel, was für ein Bier will ich machen, wie soll es schmecken – wie man dies bestmöglich umsetzen kann.“

Holzmarkt Brauerei

Und hier wir abgefüllt. (Foto: NAK)

Es brauchte schon Einiges, Marten zu überzeugen, nach Deutschland zurückzukehren. Aber dieses Projekt hier war spannend genug: Der dänische Braukonzern Carlsberg startete ein Pilotprojekt und suchte einen Braumeister für seine erste mobile Brauerei in einem Überseecontainer. 10-Hektoliter-Sudhaus von Kaspar-Schulz plus Gär- und Lagertanks, kompakt in drei Schiffscontainern verbaut, kleine Abfüllanlage, alles in einem Cubus, „plug and play“ sozusagen – warum nicht. „Auch wenn ich eigentlich echt nicht für einen Braukonzern arbeiten wollte“, wie Marten sagt.

Die Holzmarkt Brauerei ist ein Überseecontainer

Das tut er jetzt insofern, dass Carlsberg dem Holzmarkt e.V. diesen Container auf den Hof gestellt hat, im Schatten der S-Bahn-Bögen, direkt neben dem Club, da, wo die Dekos des Kater Blau (Mäuse, gigantisch große, weiß Mäuse, natürlich, die der Kater frisst) und sonst noch so Krempel des urbanen Dorfes lagert. Das Sudhaus der Holzmarkt Brauerei also geht auf Carlsberg – das fertige Bier verkauft der Holzmarkt.

Holzmarkt Brauerei

Für Biergartenwetter gemacht. Geht aber auch bei kälter. (Foto: NAK)

Im gigantischen Sommer 2018 tat er das ausschließlich im eigenen Biergarten und den Bars auf dem Gelände. Tatsächlich war die Nachfrage so immens, dass das Bier quasi direkt aus der Holzmarkt Brauerei in den Ausschank floss. Marten und sein Kollege David den Sommer durch, sie brauen sechs Mal die Woche. Die Leute haben einfach so einen Durst.

Klar lag und liegt bei diesem Absatzmarkt (Biergartenabhänger, Clubgänger) der Fokus auf der berühmten „drinkabilty“. Das Kellerbier „Rauscher“ ist ein unfiltriertes und hopfenbetontes Lager – auch weil das der Beat des Braumeisters ist: „Ich bin kein großer Fan von Hellem, das ist mir schnell zu mastig und nach dem dritten brauche ich dann einen Gin Tonic“, sagt er, grinst. Er wollte also ein frischeres Bier im Grundrepertoire. Das schlanke Pale Ale „Schwärmer“ und das „Zwirbel“ als ein Amber Lager (war mal ein Ale, fand Marten nicht gut) als die etwas malziger Alternative zum Rauscher machen genau das: Spaß beim trinken. Nicht mehr und nicht weniger.

20 Prozent crazy stuff

Diese Biere machen 70 bis 80 Prozent der Produktion der Holzmarkt Brauerei aus, erzählt Marten – „aber die restlichen 20 definieren die Brauerei.“ Und da ist er kreativ, frei und craft as craft can be. Carlsberg? Hat da nichts zu melden, das alles machen Marten,  David der zweite Braumeister, Thea die Braugesellin und der Holzmarkt allein, sagt er. Der Braumeister tüftelt derzeit an einem Hybrid-Porter, hat ein sehr gelungenes Double IPA im Tank, ein Rezept für ein gestopftes Weizenbier liegt da, Sauerbiere sind definitiv auf dem Plan, eine Berliner Weisse kann man wohl Mai 2019 erwarten. Barrel Aging ist für Marten ein großes Thema, fest geplant. Und, und, und.

Auch was den Vertrieb der Biere angeht – im Sommer freilich noch kein Thema, weil kein Bier übrig war, jetzt aber eben auf dem Plan – mischt Carlsberg sich nicht ein, werden keine Vertriebsstrukturen des großen genutzt. Der Markt ist jetzt erst einmal Berlin, ganz klar. Wo die Marke Holzmarkt sofort ein Begriff ist. Weil das ist doch da, wo früher diese Bar25 war….