Cloudwater Paul Jones

CLOUDWATER BREW: „Die Dinge ändern sich!“

Thomas Redders

Über 550 Biere in drei Jahren. 2018 die beste Brauerei Großbritanniens laut RateBeer. 2017 die zweitbeste Brauerei der Welt laut. Erste Brauerei aus dem United Kingdom (UK), die es dort überhaupt in die Top 10 der besten Brauereien geschafft hat. Und das alles mit Jahreszeiten bezogenen One-Off Bieren. Die von Paul Jones und James Campbell gegründete Cloudwater Brew Co. setzt Maßstäbe.

Das Konzept ist im Grunde ganz einfach: Erfolg durch Fortschritt. Paul Jones will Abwechslung, einen Fokus auf die Jahreszeiten, ständig neue Rezepte. Bis jetzt. Denn seit Kurzem gibt es einige der besten Biere auch als Brewed-All-Season Biere.

Cloudwater Brew

Brauer Al Wall beim Befüllen der Fässer. (Foto: Cloudwater Brew Co.)

Paul selber ist ein philosophischer Mensch. Er hat, bevor er zum Bier kam, in einem kleinen, spirituellen Café mitten in Manchester gearbeitet – vegan, fairtrade, organisch, buddhistisch. Der Buddhismus hat ihm eine Menge beigebracht. Lange hat er ihn studiert, viel darüber gelesen. Erstaunlich für jemanden, der heute Gründer einer Brauerei ist, ist aber vielmehr, dass er in seinen frühen Zwanzigern keinen Alkohol getrunken hat. Als er dann wieder anfing, hat ihn vor allem die neu aufkommende Bierkultur beeindruckt. Er mochte die Menschen. Also begann er zu brauen.

Für eine richtige Brauerei fehlte aber noch ein richtiger Braumeister. Wie es der Zufall so will, kannte er einen: James Campbell, der zu der Zeit noch Brauer bei Marble Arch war. Als klar war, dass James Marble verlassen will, war Paul’s erste Sorge, dass die Stadt einen ihrer besten Brauer verlieren würde. Also begannen die beiden am 14.02.2015 gemeinsam Bier zu brauen.

Paul, das Wort Cloudwater existiert in keinem englischen Wörterbuch. Kannst du erstmal erklären, wie ihr auf den Namen Cloudwater gekommen seid?

Wir sind irgendwann auf den Begriff „unsui“ gestoßen. Das ist ein japanisches Wort, dass übersetzt Cloud (Wolke) und Water (Wasser) bedeutet. Außerdem beschreibt es die Wanderschaft der buddhistischen Zen-Mönche. Wir wollten – so wie die Mönche stets dazulernen wollen – unser Bier stetig weiterentwickeln und immer neue, saisonale Biere brauen. Buddhistische Mönche wandern historisch bedingt von Lehrer zu Lehrer, weil sie nach einer möglichst vollständigen Beschreibung des Lebens suchen. Ich denke, dass uns eine Kraft beflügelt, die sagt: Sei erstaunt, lerne immer weiter und führe die Reise fort. Also passt Cloudwater einfach.

Cloudwater

Im Logo spiegeln sich die Wolke und das Wasser. (Foto: Cloudwater Brew Co.)

Gleichzeitig wollte ich aber nicht den Namen unsui, weil das dann doch komisch gewesen wäre. Ich habe da ein paar Erfahrungen mit Bands gemacht. Viele haben coole Namen, aber niemand weiß, wie man sie ausspricht. Cloudwater war da total treffend, weil es zwei extrem geläufige Wörter vereint und ein bisschen wiederspiegelt, wie wir brauen wollen.

Im Gegensatz zu euren Anfängen, als ihr nur One-Off (Anm. d. Red.: ein Batch) Biere gebraut habt, braut ihr heute auch Brewed-All-Season Biere (Anm. d. Red.: Biere, die es das ganze Jahr gibt). Warum habt ihr das geändert? Warum braut ihr heute beides?

Die Dinge ändern sich! Und wir antworten auf die Veränderungen. Ich denke, das ist die beste Strategie. Als wir angefangen haben professionell zu brauen, gab es im Vergleich zu heute nur einen kleinen Teil an One-Off Bieren auf dem britischen Markt. 2015 gab es fast keine Brauerei, die One-Off Biere gebraut hat. Unser Output an One-Off Bieren ist heute immer noch sehr hoch.

Tatsächlich haben einige unserer Kunden geschrieben: „Wir wollen euer Bier weiterempfehlen, aber bis wir es getrunken haben und uns dann entschließen es Freunden zu empfehlen, ist es schon wieder weg.“ Ich wollte, dass wir darauf antworten. Bier ist etwas, dass wir trinken, um runter zu kommen und zu relaxen. Vor gerade einmal 3 Jahren haben die Leute wie verrückt nach neuen Erlebnissen verlangt, jetzt wollen sie ein wenig mehr Beständigkeit. „It’s a two-way street!“ Wenn der Kunde das bekommt, was er will, bekommen wir auch was wir wollen – zumindest zum Teil. Ich sehe so oft Brauereien, die ihre Biere gar nicht ändern und über Jahre nicht auf den Markt reagieren. Deren Biere werden dadurch nicht weniger populär, aber es wird weniger darüber nachgedacht.

Ich denke, dass die Brewed-All-Season Biere uns immer noch erlauben, die Inhaltsstoffe dann zu benutzen, wenn sie am besten sind und vor allem am besten schmecken. Es erlaubt uns ein paar saisonale Variationen und saisonale Evolution, gibt dem Kunden aber trotzdem ein gleichbleibendes Erlebnis.

Wie entscheidest du, ob ein Bier ein Brewed-All-Season Bier wird?

Es ist eine Kombination aus interner und externer Beliebtheit. Wir machen das ganze Jahr ein Helles, das ist nicht unbedingt das beliebteste Bier unserer Kunden. Aber es ist ein Bier, dass wir lieben. Das ist schlichtweg das, was wir in der Brauerei über diesen Stil denken. Außerdem ist es intern ein Test für unsere Brau-Skills und unserer Rezeptentwicklung.

Cloudwater Dose

A-W 18 Brewed All Season: Im „Autumn-Winter 2018“ gebraut und nicht nur One-Off! (Foto: TR)

Aber natürlich machen wir auch ein „easy-drinking“ Pale Ale, ein DDH (Anm. d. Red.: double dry-hopped) IPA, ein IPA. Diese Biere machen wir wegen der Beliebtheit bei uns UND den Kunden. Denn natürlich lieben wir hopfige Biere.

Besonders in den letzten zwei Jahren habt ihr durch die RateBeer Awards eine Menge Aufmerksamkeit bekommen. 2016 wurdet ihr zur 5. besten Brauerei der Welt gewählt, 2017 sogar zur 2. besten. Was bedeuten euch die Awards?

Sie bedeuten uns eine Menge. Aber es ist problematisch, dass RateBeer jetzt Teil von AB InBev ist. Also sind wir nicht ganz sicher, wie wir in Zukunft auf diese Awards reagieren werden. Aber das wirklich Wichtige bei diesen Awards ist, dass sie weiter von den Kunden kommen. Es sind ihre Bewertungen, die uns in diese Position gebracht haben.

Also für mich sind die Awards eine Quelle der Zufriedenheit und des Stolzes über das, was wir tun. Wir machen etwas, dass die Kunden genießen und lieben. Unzweifelhaft haben wir davon profitiert. Die Awards machen uns vor allem auch im Ausland sichtbar und geben Leuten, die nicht aus UK kommen einen Grund, unser Bier zu probieren.

Wir haben nachträglich versucht zu verstehen, was wir eigentlich gemacht haben, dass es so gut lief, besonders im letzten Jahr. Anfang 2018 hatten wir ein Meeting mit unserem Management in der Brauerei und haben aus dem Kopf heraus versucht, unsere Biere nochmal durchzugehen und zu bewerten. Und wir sind wirklich nicht auf so viele Biere gekommen, die exzellent waren – wir fühlten uns, als ob wir versagt hätten. Wir dachten echt, dass wir einen miesen Job gemacht haben. Dementsprechend groß war die Überraschung, dass die Kunden zufrieden waren. Wir werden sehen, wie wir in Zukunft mit RateBeer umgehen, aber es wird bestimmt nicht mehr so gut wie früher.

Ihr habt in diesem Jahr das Beavertown Extravaganza boykottiert, weil sie Anteile an Heineken verkauft haben. Ist es nicht dasselbe mit RateBeer?

Es bleibt abzuwarten, wie RateBeer dieselben Effekte auf dem Markt erreichen kann, wie eine kleine Brauerei, die im Besitz einer großen ist. Es ist dabei ziemlich egal, von welcher Brauerei wir sprechen. Aber wenn AB InBev oder Heineken eine Marke besitzen, können sie ein Monopol in Bars erzeugen. Es scheint für den Kunden so, als ob die Bar eine große Auswahl an Bieren hat. Aber tatsächlich bekommen diese Bars Geld von Heineken, damit nur Heineken-Marken vertreten sind und es so aussieht, als gebe es eine Auswahl.

Wenn RateBeer jetzt an den Ratings rumschraubt, sodass plötzlich auffallend viele AB InBev Biere auf den Spitzenplätzen sind, kann man davon ausgehen, dass es nicht mehr mit rechten Dingen zugeht. RateBeer ist interessant, weil ich nicht weiß, ob AB InBev irgendwelchen Druck auf Joe (Anm. d. Red.: Joseph Tucker, Executive Director von RateBeer) und das kleine Team dort ausübt und ich nicht weiß, was sich tatsächlich ändert.

Wenn in 2018 eine der fünf Top-Brauereien eine AB InBev Brauerei ist, können wir sicher sein, dass sie nur aus einem Grunde dort stehen. Dann werden wir die Awards meiden. (Waren mkeine unter den Top 5, Anm. der Red ;))

Eines eurer Gründungsziele war, mit den besten Brauereien der Welt zu brauen. Inzwischen habt ihr schon eine Menge Kollaborationen mit großartigen Brauereien gemacht. Wie entscheidest du, mit welcher Brauerei du brauen willst?

Es ist eine Kombination aus verschiedenen Punkten. Also zunächst brauen wir nur mit Leuten, die ich persönlich getroffen habe und zu denen ich mich verbunden fühle. Wir würden niemals mit irgendwelchen Leuten brauen, mit denen wir nicht auf irgendeine Weise eine gute Zeit hatten. Dann versuchen wir natürlich auch mit Brauereien zu kollaborieren, die unsere Kunden mögen.

Die meisten Brauer lernen wir auf Festivals kennen. Wir probieren deren Biere, sie probieren unsere. Und wenn wir beide was finden, dass spannend ist und uns inspiriert, dann entstehen Freundschaften und manchmal auch ein gemeinsames Bier. Wir haben noch nie jemanden einfach so aus dem Blauen heraus angeschrieben.

Allerdings probiere ich gar nicht so viel von anderen Brauereien, also ist es nicht ganz einfach, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Meistens trinke ich einfache Lager (lacht). Also, wenn es da draußen eine „old-school“ Lagerbrauerei in Deutschland gibt, kommt auf mich zu!

Vor kurzem habt ihr die Liste der Inhaltsstoffe auf euren Bieren geändert, weil ihr, wie ihr selber sagt, es anderen Brauereien zu einfach gemacht habt, in eure Fußstapfen zu treten. Habt ihr schlechte Erfahrungen mit anderen Brauereien gemacht, die eure Rezepte kopieren wollten?

In letzter Zeit gab es eine Explosion an Brauereien im UK. Und ich unterstütze das wirklich und hoffe, dass es auf dem Markt genug Platz für alle gibt. Aber ich denke, dass jede Brauerei ihr bestes Ergebnis erzielt, wenn sie sich auf ihre eigenen Zutaten und ihre eigene Brauerei konzentriert. So macht man gutes Bier. Nachdem wir ein paar Jahre lang all unsere Zutaten auf die Etiketten geschrieben haben, dachten wir irgendwann, dass wir den neuen Brauereien damit nicht wirklich helfen – denn die Zutaten sind nur das Eine. Mindestens genauso wichtig ist der Weg, wie du das Bier braust. Du musst auf Details achten: wie wird gemaischt, wie machen wir die Würze, bei welchen Temperaturen fermentieren wir, wie viel Hefe nutzen wir? Dementsprechend haben wir das meiste auch vorher schon nicht beschrieben.

Cloudwater Dose Rückseite

Keine Inhaltsstoffe auf der Rückseite. (Foto:TR)

Wir haben an unserem Brauprozess lange gearbeitet, kontrollieren konstant alles was mit der Fermentation zusammenhängt, wie wir hopfen, sogar wie wir unser Bier verpacken. Wir erhalten nur gutes Bier, wenn wir unseren Fokus auf Innovation legen. Ich will, dass andere Brauereien im UK in eine wirklich starke Position kommen. Also will ich, dass sie selbst diese Prozesse durchgehen.

Also ist es mehr ein guter Rat an andere Brauereien?

Ja! Und ich weiß natürlich trotzdem, dass gerade viele unserer Kunden die Inhaltsstoffe vermissen. Aber ehrlich gesagt interessiert die Meisten sowieso nur der Hopfen. Aber selbst damit ist es so eine Sache: Wir können Citra in die kochende Würze geben und es schmeckt natürlich anders, als wenn wir damit dry-hoppen. Wenn wir also jemandem sagen, dass Citra drin ist, kommt oft die Antwort: „Oh, hatte ich letzte Woche!“ Nein, hattest du nicht! Nicht so eins. Vielleicht haben wir den gesamten Prozess geändert.

Wir konnten die Änderungen im Geschmack nicht wirklich über die Inhaltsstoffe kommunizieren. Manchmal schmecken unsere Biere komplett anders, obwohl die Zutaten dieselben sind. Uns ist es wichtig, dass wir auf die Etiketten schreiben, wonach die Biere schmecken. Das ist wichtig!

Das Ziel ist es, eine gute Kombination zu finden, um die Geeks und Brauer zufrieden zu stellen, aber auch den nicht so erfahrenen Biertrinker. Selbst Brauer können übrigens nicht auf die Rückseite des Etikettes schauen und sagen: „Ich sag dir wie dieses Bier schmeckt!“ Niemand kann das! Im Moment genießen wir es wirklich so, wie wir es machen.

Aber vielleicht finden wir noch einen Weg, den Hopfen trotzdem zu berücksichtigen. Ich habe schon wieder angefangen den Hopfen teilweise auf unseren Social-Media-Kanälen zu nennen. Denn meistens sind es die Enthusiasten, die online über das Bier lesen. Vielleicht ist das also ein guter Mittelweg!

Lass uns nun noch ein bisschen politisch werden. Was bedeutet der Brexit für eure Produktion, speziell für euren Export?

Der Brexit ist ein „fucking desaster“! Es ist abscheulich zu denken, dass zukünftige Generationen weniger Möglichkeiten haben werden, als wir jetzt. Als Mitglieder einer globalen Gemeinschaft haben wir so viel voneinander gelernt – in der Wissenschaft, der Bildung, im Ingenieurswesen.

Bier profitiert extrem von äußeren Einflüssen. Wenn die Amerikaner nicht den belgischen Sauerbieren ausgesetzt gewesen wären, gäbe es heute die modernen Sauerbier-Brauereien in den USA nicht. Gäbe es die modernen britischen Biere in Deutschland nicht, gäbe es vielleicht nicht so viele junge deutsche Brauereien, die auch außerhalb des Reinheitsgebotes denken würden (lacht).

Außerdem sorgt der Brexit für eine Menge wirtschaftlicher Probleme, besonders, wenn es keinen freien Warentransport mehr gibt. Das wird einen Einfluss auf die Exporte britischer Brauereien haben. Wir exportieren selber nur wenig, ungefähr 10 %, fast nur für Events. Aber ich kenne Brauereien, die 50 % ihres Bieres exportieren. Der Wettbewerb zwischen britischen Brauereien wird noch weiterwachsen.

Es könnte einerseits eine schwere Situation in der Brauindustrie geben. Andererseits ist die Brauindustrie geprägt von fortschrittlich denkenden Menschen. Wir machen kein Bier im Vakuum. Wir machen Bier für Doktoren, Pfleger, für Politiker und Anwälte. Davon werden so viele Menschen beeinflusst. Welche Sicht ich auch immer einnehme, es ist ein Desaster.

Wir als kleines Unternehmen haben über 20.000 Pfund in einer Nacht während des Referendums verloren, weil wir Equipment in US Dollars gekauft haben. Wir haben also jetzt schon fast ein Jahresgehalt nur durch das Referendum verloren.

Der wirtschaftliche Schaden wird groß, aber was mich daran am meisten bedrückt, ist, dass ich will, dass die Leute um mich herum ein gutes Leben haben. Während der Finanzkrise 2008 hat es Manchester besonders hart getroffen. In London lief alles etwas langsamer, aber es wurden nicht so viele Unternehmen geschlossen wie in Manchester. Viele Menschen hatten über Monate keine Arbeit. Und ich will es nicht nochmal erleben, dass Freunde durch eine solche Situation gehen.

Trotzdem, oder gerade deswegen wirst du Pläne für die Zukunft haben. Nachdem du bereits viele deiner Gründungsziele erreicht hast, woher beziehst du deine Motivation in Zukunft und was plant ihr für’s nächste Jahr?

Wir sind absolut am Limit dessen, was wir uns selbst zumuten können. Daher hoffe ich, dass wir unseren zweiten Taproom in London schnell zum Laufen bekommen. Ich hoffe beide Taprooms laufen so gut, dass wir vielleicht noch einen in Manchester oder London eröffnen können.

Cloudwater Taproom

Unit 9! Der Cloudwater Taproom in Manchester – gleich neben der Brauerei. (Foto: Cloudwater Brew Co.)

Außerdem ist die Halle, in der wir unsere Brauerei hier in Manchester haben, bereits weiterverplant. Also müssen wir irgendwann die gesamte Brauerei umziehen – und das wird unfassbar teuer werden. Das wird Millionen von Pfund kosten. Allein darüber nachzudenken macht mich krank (lacht). Das können wir nicht alleine durch unseren Cash Flow finanzieren. Wir schauen gerade, ob Crowdfunding uns vielleicht weiterhelfen kann. Wir kümmern uns selbst um unsere Finanzen und unsere Ressourcen. Um noch einen Taproom zu öffnen, haben meine Frau und ich nochmal Geld in das Unternehmen gesteckt.

Und hoffentlich bekommen wir es hin, unser eigener Vermieter zu werden. Ich will einen größeren Taproom mit Essen und ab und zu Live Musik!

(Titelbild: Paul Jones, Cloudwater Brew Co.)