Hopfen Anleiten

HOPFENERNTE 2020: Ein Jahr der Herausforderungen

Thomas Redders

„Am Ende zählt schließlich nur die Ernte.“ Viel passender lässt sich das vergangene Hopfenernte-Jahr wohl nicht beschreiben. Ein Jahr, in dem ausnahmsweise nicht das Wetter die größte Sorge der Hopfenpflanzer und Hopfenpflanzerinnen war. Natürlich stand auch hier die Corona-Pandemie immer wieder im Vordergrund.

Entsprechend des BarthHaas Berichts 2019/20 wurde in Deutschland im Jahr 2020 auf 20.706 Hektar Hopfen angebaut, insgesamt 289 Hektar mehr als im Vorjahr. Allein in der Hallertau, Deutschlands größtem Anbaugebiet, waren es 17.233 Hektar. Die mit Abstand meist angebaute Sorte in Deutschland ist Herkules mit 6.717 Hektar, gefolgt von Perle (3.297 Hektar) und Hallertauer Tradition (2.870 Hektar). Das Verhältnis von Aromasorten zu Bittersten lag bei 55 zu 45%.

So viel zu den trockenen Zahlen der diesjährigen Hopfenernte. Um einen konkreten Einblick in die diesjährige Ernte zu bekommen, haben wir uns unabhängig voneinander mit Stefan Schlagenhaufer, Lukas Locher und Otmar Weingarten unterhalten.

Stefan Schlagenhaufer
Stefan Schlagenhaufer führt Deutschlands größten Hopfenbaubetrieb in der Hallertau. (Foto: Hopfenbaubetrieb Schlagenhaufer)

Stefan Schlagenhaufer ist Deutschlands größter Hopfenpflanzer. Auf etwa 260 Hektar Fläche (der Durchschnitt lag 2019 deutschlandweit bei 18,6 Hektar pro Betrieb) baut der promovierte Agrarwirtschaftler in der Hallertau insgesamt 9 Hopfensorten an.

Lukas Locher
Lukas Locher führt sein Hopfengut No. 20 in Tettnang. (Foto: Hopfengut No. 20)

Lukas Locher hat mit seiner Schwester Charlotte 2015 das Hopfengut No. 20 von seinen Eltern übernommen. Seit dem haben die zwei in Tettnang eine echte Hopfen-Erlebniswelt geschaffen – mit Museum, Restaurant und kleiner Brauerei. Auf 40 Hektar werden auf dem Hopfengut in vierter Generation rund 10 Hopfensorten angebaut.

Otmar Weingarten
Otmar Weingarten ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Hopfenpflanzer e.V.. (Foto: Rainer Lehmann)

Otmar Weingarten ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Hopfenpflanzer e.V. und inzwischen seit knapp 30 Jahren im Hopfenpflanzerverband tätig. Dazu engagiert sich der gelernte Jurist in einer internationalen Pflanzenschutz-Kooperation für die Entwicklung neuer Verfahren, Methoden und Wirkstoffe.

Uns haben sie verraten, wie das Wetter war, welche Auswirkungen die Corona Pandemie hatte und auf welche Hopfentrends Biertrinker und Biertrinkerinnen sich freuen können?

Das Wetter

Insgesamt war das Wetter in den entscheidenden Monaten in allen deutschen Anbaugebieten ähnlich. Ähnlich gut. Stefan Schlagenhaufer fasst das Jahr ganz kurz zusammen: „Das Frühjahr war relativ trocken, das macht dem Hopfen aber nichts aus. Im Sommer war das Wetter sehr gut. Es war nicht zu heiß, wir hatten keine Trockenheit wie in den letzten Jahren, genügend Regen und ausreichend Feuchtigkeit. Es war ideal für den Hopfen.“ Lediglich kurz vor der Hopfenernte mussten die Hallertauer nochmal etwas zittern. Otmar Weingarten erklärt: „Wir hatten hier in der Hallertau kurz vor der Ernte, am 26.08., nochmal einen schweren Sturm, der erhebliche Schäden gebracht hat. Da hat‘s Reben beschädigt und teilweise runtergerissen. Der Windschlag war auf einigen Feldern immens.“ Die Felder von Stefan Schlagenhaufer waren davon nicht betroffen.

Auch in Tettnang war es insgesamt aus Wettersicht ein gutes Hopfenjahr. Das Klima lässt sich gut mit dem der Hallertau vergleichen. Nicht zu heiß, die Niederschläge zur richtigen Zeit und „nicht zu große Temperaturspitzen“, erklärt Lukas Locher und ergänzt noch: „Wir waren in diesem Jahr unwetterfrei. So viel wir sonst zum Jammern finden, hatten wir in diesem Jahr das Gefühl, dass es richtig gut lief mit dem Hopfen.“ Alles in allem also größtenteils Wetter, wie man es sich für den Hopfen wünscht.

Der Ertrag und die Alphasäure

Aber welchen Einfluss hatte das gute Wetter dann letztendlich auf die zwei Hauptparameter Ertrag und Alphasäure? Erwartet wurde von der offiziellen Hopfenschätzkommission deutschlandweit ein Ertrag von 48.800 Tonnen, in der Hallertau von 41.500 Tonnen. Das hätte sogar noch eine Steigerung gegenüber den Rekorderträgen aus 2019 bedeutet.

Trotz der guten Aussichten konnte die Vorhersage nicht ganz getroffen werden, erklärt Otmar Weingarten: „Wir liegen in der Hallertau aktuell (29.10.20) bei 40.202 Tonnen und wir glauben nicht mehr, dass noch viel dazu kommt, weil üblicherweise zu dieser Jahreszeit alles abgewogen ist. Bundesweit liegen wir heute bei 46.400 Tonnen.“ Zertifizierungsschluss ist der 15.11., da stehen die Zahlen dann endgültig fest.

Auf Stefan Schlagenhaufer’s Betrieb ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorjahr etwas schwerer, da sich die Fläche geändert hat. Er geht aber von vergleichbaren Ergebnissen wie im Vorjahr aus. Allerdings fügt er hinzu: „Der Hopfen hat insofern getäuscht, dass er schöner ausgesehen hat, als er im Nachhinein gewesen ist. Wenn man sich das Wetter anschaut, hätte man mehr erwarten können.“

Lukas Locher erklärt: „2019 war auf den Ertrag bezogen schwer zu schlagen. Im Vergleich zu den Jahren davor, war 2020 aber ein sehr gutes.“

Bezogen auf die Alphasäure gab es aber sehr wohl Unterschiede. Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Werte zum Teil deutlich gestiegen, je nachdem ob man sich den Fünf- oder Zehn-Jahres-Schnitt anschaut. Bei den meist angebauten Sorten, Herkules und Perle, liefert Otmar Weingarten uns folgende Zahlen:

  • Herkules:
    • 2020: 16 bis 17%
    • Fünf-Jahres-Schnitt: 16%
    • Zehn-Jahres-Schnitt: 16,4%
  • Perle:
    • 2020: 7 bis 7,5%
    • Fünf-Jahres-Schnitt: 6,6%
    • Zehn-Jahres-Schnitt: 7,3%

Lukas Locher konnte die erhöhten Alphawerte bestätigen, insbesondere bei seiner Hauptsorte, dem Tettnanger. Bei Stefan Schlagenhaufer waren die Alphawerte eher durchschnittlich.

Hopfenernte im Schatten der Corona-Pandemie

Selbstverständlich wurden auch die Hopfenpflanzer und Hopfenpflanzerinnen, als ein Zweig der Landwirtschaft, der besonders auf Saisonarbeiter und Saisonarbeiterinnen angewiesen ist, von der Corona-Pandemie getroffen. Aber was genau heißt das für die rund 1000 Hopfenbaubetriebe in Deutschland?

Unterschieden werden müssen zunächst die Arbeiten im Frühjahr und die im Sommer beziehungsweise Herbst zur Hopfenernte. Otmar Weingarten schildert: „Wir brauchen insgesamt zur personalintensivsten Zeit im Frühjahr zum Anleiten zwischen 10.000 und 14.000 Saisonarbeitskräfte deutschlandweit. Zur Ernte sind es etwa ein Drittel dessen.“ Dementsprechend war der Druck im Frühjahr deutlich größer – auch aufgrund der großen Unsicherheit zu Beginn der Pandemie.

Letztendlich standen alle Betriebe vor ähnlichen Problemen. Im Frühjahr waren die Grenzen zu Rumänien und Bulgarien bereits dicht. Die deutsch-polnische Grenze war zwar noch geöffnet, die Einreise war aber dennoch problematisch. Es mussten also Lösungen gefunden werden. Und die gab es, auf ganz unterschiedliche Weise.

Hopfenernte 2020
Die neuen Drähte werden im Frühjahr auf dem Hopfengut No.20 eingedreht. (Foto: Hopfengut No. 20)

Otmar Weingarten erläutert: „Der Bauernverband hat zum Beispiel einen Flugzeugservice aus Rumänien organisiert. Wir haben auch eigenständig versucht Rumänen herzuholen, nur damit Sie mal sehen, wie verzweifelt wir eigentlich waren. Parallel dazu haben wir über die Arbeitsämter versucht Personal zu bekommen und wir haben zum Beispiel parallel alle Fachschaften der Universitäten angeschrieben.“

Auch Stefan Schlagenhaufer und Lukas Locher mussten sich etwas überlegen. Während der Hallertauer Hopfenpflanzer das Problem hatte, dass seine polnischen Saisonarbeiter und -arbeiterinnen Angst hatten nach Deutschland zu kommen und krank zu werden, hat Lukas Locher seine Stammmannschaft einfliegen lassen. Einfach so einreisen durfte aber auch dann noch niemand. Voraussetzung waren Arbeitsverträge. Die wurden dann vorab erstellt und den Arbeitern und Arbeiterinnen vorab zugeschickt.

Alle im gleichen Boot

Und es gab noch mehr Gemeinsamkeiten. Die Saisonarbeiter und -arbeiterinnen mussten früher anreisen und dementsprechend länger bleiben, da sich die Arbeiten nach dem Pflanzenwachstum richten. Dadurch stiegen die Mehrkosten. Bei Stefan Schlagenhaufer waren zudem durch die mit der Größe des Betriebs verbundenen deutlich höheren Anzahl an Arbeitern und Arbeiterinnen zusätzliche Maßnahmen nötig. So hat sich dort der gesamte Betrieb in „Hofquarantäne“ begeben. Lediglich die Köchin und die Mutter von Stefan Schlagenhaufer haben zum Einkaufen den Hof verlassen.

Im Großen und Ganzen blicken aber sowohl Schlagenhaufer als auch Locher positiv auf das Frühjahr zurück. Schlagenhaufer sagt: „Letztendlich hatten wir ausreichend Arbeiter. Es war organisatorisch aufwendig aber zum Vorteil aller, dass die Arbeiter bis zum Abschluss des Hopfenandrehens dageblieben sind. Die einen haben sich Urlaub genommen, bei anderen hat die Firma zugemacht – das war bei jedem eine etwas andere Situation.“

Lukas Locher war nicht nur mit seiner Stammmannschaft zufrieden. Besonders beeindruckt war er von seinem Umfeld: „Wir hatten den ein oder anderen Tag, an dem unsere freiwilligen Helfertrupps aufgeschlagen sind. Das war schon bewegend, dass man sich so auf sein Umfeld verlassen kann. Wir hätten es vermutlich sogar ohne unsere Saisonarbeitskräfte schaffen können.“

Neue Lage zur Ernte

Zur Hopfenernte im August beziehungsweise September war die Lage dann schon wieder eine ganz andere. Der größte Unterschied zum Frühjahr war es, dass nun ein negativer Corona-Test Voraussetzung für den Beginn des Arbeitseinsatzes war. Während die Testung auf dem Hopfengut No. 20 gut lief und eher die Umgewöhnung an das Tragen von Masken in den Betriebsstätten zur Pflicht wurde, gab es gerade in Bayern ein paar Probleme.

Hopfenernte Reißgerät
Das Reißgerät reißt den Hopfen vom oberen Draht. (Foto: TR)

„Wir haben hier in Bayern innerhalb einer Woche zwei Allgemeinverfügungen von der Regierung erhalten. Die erste etwa 2 Wochen vor der Ernte, in der es hieß, dass alle Betriebe zu testen sind, die mehr als 10 Saisonarbeiter haben. Das waren relativ wenig Betriebe. Eine Woche später kam eine zweite Allgemeinverfügung, also kurz vor der Ernte, die verordnete, dass alle Betriebe mit mehr als 3 Saisonarbeitern zu testen sind. Das waren dann praktisch alle Betriebe“, schildert Otmar Weingarten. Es bedurfte also einer deutlich höheren Testkapazität und die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten wieder früher anreisen.

Stefan Schlagenhaufer hat seine Mannschaft 4 Tage früher kommen lassen. Wie im Frühjahr hat sich dann die gesamte Belegschaft wieder in „Hofquarantäne“ begeben. Die Tests der Schlagenhaufer-Mannschaft liefen im Landratsamt unproblematisch ab. „Wir waren letztendlich mit 84 Leuten dort zum Test. Aber das hat funktioniert. Als das Ergebnis da war, konnten wir mit der Ernte anfangen.“

Ganz so einfach war es allerdings oft nicht. Viele Betriebe konnten nicht auf die Tests warten, da es mehrere Tage dauerte und die Hopfenernte sich nicht einfach verschieben lässt. Der Verband der Deutschen Hopfenpflanzer hat aber auch das Problem gelöst: „In der Hallertau gab’s eine Notregelung, dass auch ohne Testergebnis ab 48 Stunden nach der Testung mit der Ernte begonnen werden durfte. Die Ernte an sich konnte letztendlich normal eingebracht werden.“

Hopfentrends 2020

Wirklich spektakuläre Trends gab es in diesem Jahr nicht zu beobachten. Das bedeutet aber keinesfalls, dass der 2020er Hopfen qualitativ nicht sehr hochwertig wird. Besonders das Aroma ist in diesem Jahr neben der Alphasäure herausragend – beim Aroma- und beim Bitterhopfen.

Sowohl Stefan Schlagenhaufer als auch Lukas Locher bestätigen außerdem, dass weiterhin besonders die Klassiker gefragt sind: Herkules, Perle und Tradition. Anders sieht es bei den Flavorsorten aus. „Die Flavor-Sorten zeigen hier eher einen kleinen Rückgang“, sagt Lukas Locher. Den Grund dafür liefert Stefan Schlagenhaufer: „Die Nachfrage und die Bezahlung von Flavor-Sorten sind nach wie vor sehr niedrig. Wir hätten zwar gute Sorten, die Trockenheit gut aushalten, die auch gegenüber Krankheiten nicht so anfällig sind, der Verkaufspreis lässt aber zu Wünschen übrig.“

Hopfen
Der geerntete Hopfen ist bereit zur Weiterverarbeitung. (Foto: Hopfenbaubetrieb Schlagenhaufer)

Ein paar Neuheiten gibt es aber dennoch, erklärt uns Otmar Weingarten: „Wir haben mittlerweile die neue Aromasorte Diamant im Anbau. Der kommt aus einem Spalt Spalter mit einem Zuchtstamm. Die zweite Sorte heißt Aurum und ist ein Nachfolger vom Tettnanger mit einem Zuchtstamm aus Hüll. Dann gibt’s zum Beispiel noch eine weitere neue Sorte, Xantia, mit einem besonders hohen Xanthohumol Gehalt (bis zu 2%), die insbesondere für die Pharmazie interessant ist, da Xanthohumol antikarzinogen wirkt.“

Außerdem durchlaufen zwei weiter Hopfensorten gerade das aufwendige Anmeldeverfahren: Tango und die Zuchtstammnummer 2011/71/19. Bei der Züchtung stand neben den Standardparametern wie Aroma und Alphagehalt auch die Resistenz gegenüber Krankheiten und Schädlingen im Vordergrund. So verträgt Tango Hitze, Trockenheit und Schädlinge besonders gut, während die Hochalphasorte mit der Zuchtstammnummer 2011/71/19 Mehltau-resistent ist.

Fazit

Insgesamt war die Hopfenernte 2020 eine sehr besondere. Geprägt durch die Corona-Pandemie mussten die Hopfenpflanzer und Hopfenpflanzerinnen Anfang des Jahres bezüglich der Ernte mit dem schlimmsten rechnen: unverrichtete Arbeit auf den Feldern, hohe Kosten und damit verbunden geringer Ertrag.

Zum Glück ist der Worst-Case, besonders durch das Engagement und die Anstrengungen vieler Menschen aus der gesamten Hopfenindustrie, nicht eingetreten. Sowohl im Frühjahr als auch zur Ernte konnten alle Arbeiten auf den Hopfengütern „normal“ erledigt werden und die Corona-Pandemie hatte nicht allzu große Auswirkungen. Die Mehrkosten waren in den allermeisten Betrieben wegsteckbar. Dazu hat auch das für den Hopfen gute Wetter in diesem Jahr ganz wesentlich beigetragen.

Hopfenernte Säcke
Der Hopfen auf dem Hopfengut No. 20 kann letztendlich in Säcken raus in die Welt. (Foto: TR)

Von einem guten Hopfenjahr zu sprechen, ist angesichts der Umstände natürlich schwer. Stefan Schlagenhaufer sagt: „Ich bin froh, dass wir’s gut überstanden haben – und hoffe, dass das nächste Jahr besser, oder zumindest einfacher wird.“

Lukas Locher ist ebenfalls froh, dass er das Jahr den Umständen entsprechend gut überstanden hat und hatte dann sogar noch ein Highlight: „Dieses Jahr, was emotionstechnisch so intensiv war, möchte man nicht als gutes Jahr bezeichnen. Wir sind gut durchgekommen, und alles ging gut. Daher sind wir im Nachhinein sehr erleichtert. Mein Highlight waren unsere Qualitäten!“ Und die persönlichen und sozialen Auswirkungen einmal außen vor gelassen, fasst Otmar Weingarten das Hopfenjahr 2020 nochmal kurz und knapp zusammen: „Am Ende zählt schließlich nur die Ernte.“

(Titelbild: Hopfengut No. 20)