Zwei Ungarn und ein bekehrter Industriebiertrinker machen sich für Craft Beer in der Hauptstadt stark: Attila Kiss, Daniel Bart und Mark Hinz schmeißen das Berlin Craft Bier Fest
Dieser Name ist so gut, man könnte meinen, es sei ein Künstlername: Attila Kiss. Perfekt für den jugendlichen, strahlenweißgebissigen Moderator einer osteuropäischen Volksmusiksendung live vom Plattensee, zum Beispiel. Dem die runden, alten Damen mit den Kurzhaarschnitten, die auf Bierbänken sitzen und fröhlich schunkeln, mit dem Pálinka-Glas zuprosten. Kiss, Kiss, Attila Kiss!
Und schon sind wir genau da, wo Attila Kiss, also der echte Attila Kiss, der in Berlin an einem Tisch seiner neusten Bar sitzt und ein bisschen Baustaub wegfegt, wahrscheinlich unter keinen Umständen hinwollte: In einer komischen, dunklen Ecke voller hirnloser Vorurteile über Ungarn, zwischen Piroschka, feuriger Salami und Paprikaketten.
In Budapest hat die Craft Beer Revolution schon gewonnen
Beschämend, was für olles Zeug einem in Sinn kommt, wenn man an Ungern denkt und wie wenig man über das moderne, oder, ach, ganz normale, echte Ungarn weiß. Wer hätte etwa gedacht, dass in Budapest die Craft Beer Revolution schon vor fünf Jahren losging – und zwar richtig? „Die Craft Beer Szene in Ungarn blüht. Wirklich: Alle Kneipen da wollen Bier von kleinen, handwerklichen Brauereien haben. Und eine nach der anderen macht auf“, erzählt Attila Kiss.
Er weiß das, weil er ein erfahrener Gastronom ist. Vor dreizehn Jahren hat Attila Kiss, 38, eine Bar in Budapest eröffnet, das Szimpla Kert. Bis heute bombig erfolgreich. Steht quasi in jedem Reiseführer. Außerdem ist Attila Kiss gut mit Daniel Bart befreundet, einem ungarischen Journalist, Bierblogger und Mitbegründer des Craft Beer Festivals „Fözdefeszt“ in Budapest.
Drei Lokale, ein Braufest plus das Berlin Craft Bier Fest
„Mit Daniel zusammen habe ich das Thema also eine Weile beobachtet und mich gewundert, warum es das in Deutschland so lange gar nicht gab“, erzählt Kiss, der nun seit sieben Jahren in Berlin lebt und auch hier zwei, nein, seit ein paar Tagen sogar drei erfolgreiche Läden betreibt, das Kaffeehaus Szimpla, das Badehaus Szimpla und das nigelnagelneue Hopfenreich. „Ich will nicht sagen, dass wir es angestoßen haben, aber wir waren schon sehr früh dabei, als Craft Beer dann plötzlich anfing.“ Im September 2014 veranstalteten Kiss mit Daniel Bart und seinem deutschen Geschäftspartner Mark Hinz das „Braufest Berlin“. Erfolgreiche Sache, drei sonnige Tage mit über engagierten 20 Brauern (von BrauKunstKeller über Beer4Wedding und Vagabund Brauerei, bis Schneider Weisse) und rund 5500 Besuchern.
Mark Hinz, 44, Mitbetreiber und -geschäftsführer des Hopfenreichs, der frisch eröffneten Berliner Craft Beer Bar in Kreuzberg, kommt aus der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie dem Veranstaltungsbereich, bisschen Booking, bisschen Eventmanagement, aber mit Bier hatte er bis vor eineinhalb Jahren eigentlich nichts am Hut. „Getrunken habe ich es gerne halt, Industriebier, meistens.“ Durch seine Arbeit für Kiss‘ Badehaus Szimpla kam er auf den Craft Beer Geschmack. „Ich habe mich dem Thema zunächst ganz professionell angenähert“, sagt er, „mich damit auseinandergesetzt, mich reingelesen, reingetrunken und abgewogen, was auf dem Markt so geht.“ Eine Menge, stellte er fest. Aber noch viel wichtiger: „Die Biere sind super. Genau mein Ding.“
„So ein Konzept wie das Braufest gab es noch nicht“, sagt Attila Kiss, „bei den Craft Beer Events bis dahin wurde das ganze immer für Feinschmecker präsentiert, ich wollte das Thema aber mit dem Fest-Charakter an ein breiteres Publikum bringen.“ Und genau darum geht es auch bei Kiss, Bart und Hinz‘ neuestem Projekt: dem „Berlin Craft Bier Fest“. Das steigt am 30. und 31. Mai auf dem RAW Gelände in Berlin Friedrichshain.
(Kleiner Exkurs aus der Rubrik unnützes Wissen: RAW steht für „Reichsbahnausbesserungswerk“, ein schönes Wort mit fast so vielen Buchstaben wie ein durchschnittlich langes ungarisches. Kiss‘ „Badehaus Szimpla“ auf diesem alten Industriegelände war tatsächlich einmal ein solches, hier haben den DDR-Eisenbahner nach ihrer Schicht geduscht. Aber das nur so.)
Zwölf Craft Beer Macher, alle Berliner
Elf Berliner (und ein Potsdamer) Craft Beer Brauer werden ihre Stände aufbauen, zwei davon so frisch geschlüpft, dass sie dort Öffentlichkeits-Premiere feiern. Es wird zu Essen geben, ein paar Tastings und Musik – aber erst am Abend, im Aftershowprogramm. „Das war uns wichtig“, sagt Mark Hinz, „sonst wäre das gleich so eine Art Kiezfest geworden.“ Und das ist es ja nicht, es geht schon in erster Linie und ganz bewusst um Bier, Craft Beer. Trotzdem sprechen sie nicht von einer Messe. Auch „Berliner Craft Bier Informationsveranstaltung“ wäre total falsch, sagt Hinz und lacht. Auch wenn Information eine Rolle spielt: „Beim Braufest letztes Jahr haben wir beobachtet: Wenn Brauer selbst anwesend sind, fragen die Leute ganz automatisch nach. Und so kommt da auch viel Information rüber.“ „Wir möchten ja vor allem Leute ansprechen, für die das Thema komplett neu ist“, sagt Attila Kiss. „Unter diesem Aspekt ist die Wahl des Ortes auch extrem wichtig“, führt Hinz fort. Das RAW-Gelände ist als Ausgeh-und Abhäng-Area gerade bei den 25 bis 35-Jährigen beliebt. „Damit ist die Hemmschwelle gering.“ Und Eintritt kostet das ganze auch keinen.
Während auf dem Braufest Berlin letztes Jahr (so wie übrigens auch kommenden September wieder) Craft Beer Macher aus ganz Deutschland, Ungarn, Österreich und der Slowakei dabei waren, ist das Craft Bier Fest Berlin den Berliner Brauern vorbehalten. Ganz bewusst: „Wir sind überzeugt, dass Berlin in der Szene ganz wichtig wird“, sagt Kiss. „Die Stadt ist wie geschaffen dafür: Sie hat eine eigene Biergeschichte, amerikanische Einflüsse kommen hier leichter durch als anderswo, man hat die Fachleute, weil man Biermachen hier sogar studieren kann, und die Leute, die gut essen und trinken wollen.“ Und dann gibt es da ja auch noch Leute wie Attila Kiss und Mark Hinz, die sich mit Bars und Events so für gutes Bier einsetzen. Worauf man ihnen fast mit einem Pálinka zuprosten möchte.