Hopfen

TEGERNBACHER CASCADE: Der Josef aus dem Craft Beer Valley

Nina Anika Klotz

Mitten in der bayerischen Hallertau baut Josef Ehrmaier amerikanischen Hopfen an. Extra für die deutschen Craft Beer Macher. Und die sind von seinem „Cascade made in Tegernbach“ ziemlich begeistert

Sie hasst das. Die Freundin von Josef Ehrmaier hasst das, wenn sie mit 160 km/h auf der Autobahn fährt und er auf dem Beifahrersitz plötzlich „Stoooooopp!“ schreit. Huch! Was? Warum? Schlimm? Könnte ja alles sein, Lebensgefahr und so. Dabei hat der Josef einfach nur mal wieder wilden Hopfen am Straßenrand entdeckt. Bei Tempo 160 wohlgemerkt. Dafür braucht es schon ein besonders geschultes Auge.

Das hat er, der Josef: Josef Andreas Ehrmaier ist Hopfenpflanzer in weiß-er-selber-nicht-genau-wie-vielter Generation. Fünfter, glaubt er. Seit 1860 jedenfalls baute seine Familie Hopfen in der Hallertau an, 2009 hat er den Hof und die Hopfenfelder von seinen Eltern in Tegernbach gepachtet. Und reichlich Flächen dazu. Jedes Jahr hat er seine Anbaufläche um zehn Prozent erweitert. Aber statt da wie die Nachbarn in Masse die klassischen, gut gehenden Bitterhopfensorten wie Taurus, Magnum oder Herkules anzubauen, setzt er neuerdings auf Craft Beer-taugliche Aromahopfen. Ganz einfach, weil er selbst gutes Bier mag, diese ganze Craft Beer Idee hervorragend findet und als Hopfenpflanzer da gern mitmischen möchte. Zu Recht. Schließlich dreht es sich bei allerlei Craft Bieren ständig um die Topzutat Hopfen.

Hopfen

Ehrmaiers Hopfenpflückmaschine. Was man nicht sieht: Macht einen Saulärm und alles riecht nach Hopfen. Also ein bisschen wie Gras. (Foto: StP)

Direkt hinter dem Sportplatz, wo samstags der FC Tegernbach spielt, hat er seit diesem Jahr sein ganz persönliches, kleines Yakima-Valley: Hier baut der Bayer amerikanischen Cascade-Hopfen an, mit seiner Grapefruitnote einer der Craft Brewers‘ Favorites. „Sind beste Bedingungen da“, sagt der Josef, während er in Sandalen durch das nasse Gras zwischen den Hopfenranken stapft. Dank des Wassers, das von den Hügeln herunter läuft, und der Wärme, die sich in dem kleinen Tal staut, tragen die Pflanzen für ihr erstes Jahr erstaunlich viele hellgrüne Dolden. Gewöhnlich, heißt es, braucht eine Hopfenpflanze drei Jahre, bis sie ihr Ertragsmaximum bringt. Wie der Ehrmaier das also gemacht hat? „Mit ganz viel Liebe“, sagt er und grinst von Hutkrempe zu Hutkrempe. Jede Menge Craft Beer Love.

Gelungene Premiere

Auch wenn man die Dolden einer einjährigen Pflanze eigentlich nicht aberntet, um ihr die Nährstoffe für das kommende Jahr zu lassen, wird Josef Ehrmaier in den nächsten Tagen doch seine erste Cascade-Ernte einfahren. So viele Anfragen von deutschen Craft Beer Machern, die damit brauen wollen – da sagt er dann lieber doch nicht Nein. Er ist ja auch froh, dass das Interesse so groß ist – wo doch als umstritten gilt, dass der deutsche Cascade dasselbe kann wie das amerikanische Original. Also wird Josef Ehrmaiers gut 50 Jahre alte Hopfenpflückmaschine in diesem Jahr auf Superhochtouren laufen müssen. Damals, als sein Großvater die 1963 in Belgien gekauft hat, war das Modell State of the Art, und dann hat die Familie sie auch noch auf 25 Prozent mehr Pflückleistung frisiert, wie der Ehrmaier stolz erzählt. Aber voll ausgelastet ist sie jetzt trotzdem eigentlich schon. Ehrmaier würde gern anbauen, umbauen, sich vergrößern, modernisieren, aber blöderweise fehlt ihm dafür der Platz. Noch.

Nach einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen, Brauversuche und Blindverkostungen gilt als sicher: Deutscher und amerikanischer Cascade schmecken nicht gleich. Offenbar haben Klima und Bodenbeschaffenheit, Anbau- und Erntemethoden und alles, was man eben so unter dem Begriff Terroir zusammenfasst, Einfluss auf den Geschmack eines Hopfens. Dieselbe Sorte bildet unter verschiedenen Bedingungen unterschiedliche ätherische Öle aus. Das heißt aber natürlich nicht, dass ein in Deutschland gewachsener Aromahopfen schlechter wäre. Vielmehr ist er eben anders gut.

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Das mag alles aussehen wie vor 50 Jahren, aber unter den Hopfenpflanzern ist Josef Ehrmaier mit seinem Cascade-Valley Avantgarde. (Fotos: StP)

Der Josef sieht schon ein bisschen stolz aus, wie er da in seinem Craft Beer-Valley steht. Müde zwar, aber stolz. Währen der vier Wochen Erntesaison sind seine Arbeitstage locker mal 14 Stunden lang und zwanzig Mal am Tag steigt er die schmale Holztreppe in den Turm seiner Trocknungsanlage  nach oben. Jede Fuhre Hopfendolden braucht etwa vier Stunden, bis sie trocken genug ist, um in Ballen gepresst und an die Hopfenhändler versandt zu werden, die daraus Hopfenpellets machen und an die Brauereien verkaufen. Dafür frisst Ehrmaiers Heizanlage über 30 Liter Heizöl pro Stunde. So richtig reich macht das Hopfengeschäft irgendwie nicht, sagt Josef Ehrmaier. Nicht mit den herkömmlichen deutschen Hopfen jedenfalls. Ein Grund mehr auf Craft Beer zu setzen.

Hochrentable Hopfenpatente

Warum er trotzdem bislang nur Cascade und nicht auch die ganzen anderen, bei Craft Beer Machern so bieliebten Sorten wie Citra, Simcoe, Amarillo und Co. setzt? Weil die meisten modernen US-Sorten patentrechtlich geschützt sind. Alle mit dem kleinen, eingekringelte „R“ am Namen, das „registered trademark symbol“. Es besagt, dass diese Sorten einzelnen Hopfenerzeugern oder Züchtungsunternehmen gehören. Die kontrollieren, wo und in welcher Menge die Sorte angebaut wird. (Oft halten sie die Menge bewusst gering, um den Preis für begehrte Flavour-Hops aufrecht zu halten.) Der Cascade hingegen ist quasi frei, sein Name ist eine Regionsbezeichnung, ursprünglich kommt er aus dem Kaskadengebirge. Aber man darf ihn auch am Sportplatz Tegernbach anbauen.

Die Auswahl solcher freien Craft Beer Hopfen ist begrenzt. Insofern ist das, was der Josef Ehrmaier mit seiner Freundin auf der Autobahn macht, ziemlich schlau. Er lässt sie an der nächsten Ausfahrt raus- und über Landstraße ein Stück zurückfahren zu dem wilden Hopfen, den er im Vorbeifahren erspäht hatte. Und dann schaut er sich den mal genauer an, riecht daran, nimmt vielleicht auch einen Strunk mit. Der Josef Ehrmaier hofft nämlich auf den „Jackpot“, wie er sagt, einen supergeilen wilden Hopfen, der den Craft Beer Machern so richtig gefällt. Den würde er dann im großen Stil anbauen. Patentfrei. Als erster. In seinem Craft Beer Valley.

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Mitten bei der Ernte: Josef Ehrmaier (r.) und Philipp Reiter (l.) und Hopfen (überall). (Foto: StP)