Marc Suxdorf und Henning Heide lernten sich beim Laufen kennen und entdeckten bald, dass sie eine große Leidenschaft für Craft Beer teilten. Ohne große Vorkenntnisse, dem Marathon-Mantra “Immer nur einen Fuß vor den anderen” folgend, stiegen sie ins Brau-Geschäft ein – mit Erfolg.
Marathonläufer müssen einem asketischen Lebensstil folgen? Strenge Diät und keinen Alkohol? Von wegen! Die Läufer der Hamburger Running Crew Tide Runners teilen nicht nur die Liebe für den Sport, sondern auch die Leidenschaft für gutes Craft Beer. Das ist der Crew so wichtig, dass sie es als einen ihrer Grundsätze auf ihrer Facebook-Seite festhält:“Kalorienzählen, Sportlernahrung oder Trainingspläne können zwar mal Thema sein (…) Bei uns geht’s aber auch um Pale Ale, Politik oder St Pauli, um Katerfrühstück, Klamotten und Kokolores.”
Die Tide Runners Hamburg sind außerdem nicht irgendeine Laufgruppe – Sie sind die größte unabhängige Running Crew der Hansestadt. Eine Crew zu sein bedeutet für sie: zusammen laufen, zusammen trainieren, aber auch Freizeit miteinander verbringen, gemeinsam feiern. Und so gilt seit über drei Jahren: Nach dem Laufen sieht man sich an der Bar. Der gemeinsame wöchentliche Lauf beginnt und endet jeden Mittwoch in der Superbude St. Pauli – an deren Tresen der Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt nach 15 gemeinsamen Laufkilometern zuverlässig wieder ausgeglichen wird. Und Bier gehört bekannterweise zu den besten Elektrolytgetränken für Sportler.
Von 80 auf 2.800 Flaschen in sechs Monaten
Es muss einer dieser Tresenabende im Herbst 2016 gewesen sein, als Crew-Gründer Henning Heide und sein Kumpel Marc Suxdorf genug vom immer gleichen Einheitspils hatten. Eventuell war auch schon der ein oder andere Tropfen im Spiel, als sie sich sagten: “Warum machen wir eigentlich nicht unser eigenes Bier?”
Ja, warum eigentlich nicht? Wer Marathon laufen kann, der weiß, dass im Grunde alles möglich ist, was man sich so in den Kopf gesetzt hat. Und da Marc durch seine Arbeit als Produktdesigner bereits gute Kontakte zur Hamburger Holsten-Brauerei hatte, wurde diese spontane Schnapsidee ziemlich fix in die Tat umgesetzt. Allerdings erstmal im Kleinen. Denn um in der Marathon-Bildsprache zu bleiben: Immer einen Fuß vor den anderen.
Der erste Schritt führte die laufenden Bierfans zunächst in die Holsten-Brauwelt, wo jeder die Möglichkeit hat, unter Anleitung eines Braumeisters, sein eigenes Bier zu brauen. So wurden im Dezember 2016 die ersten 80 Flaschen Tide Runners IPA an den Tresen geliefert. Die waren zwar eigentlich eine Fehlproduktion (das Bier hatte nicht genug Alkohol entwickelt), aber trotzdem in Null komma Nix ausgetrunken.
Süffig muss es sein
Somit saßen die Jungs schnell wieder auf dem Trockenen, aber immerhin war klar: Da geht noch was. Und da sich Marc und der Braumeister Ralf Gebhard gut verstanden hatten, war das Projekt “Tide Runners Lieblingsbier” geboren – und aus den ersten, vorsichtigen 80 Flaschen wurden im zweiten Anlauf 2.800 Stück. Gebraut wurde dieses Mal in der befreundeten Brauerei Carl Betz in Celle, die im Auftrag auch kleinere Mengen abfüllt.
Marc und Henning vertrauten dabei auf Gebhards Expertise, der aus dem IPA im Frühjahr 2017 ein Märzen machte. Denn was ist das Hauptkriterium für ein Läufer-Lieblingsbier? Süffig muss es sein. Das erreichte der Braumeister mit einer gehörigen Menge Aromahopfen Monroe aus Deutschland und Pacific Gem aus Australien. Eingebraut mit Karamellmalzen entstand ein schlanker Trunk, der nur einen Haken hat: “Mit 6,4 Prozent Alkohol ist es eigentlich zu stark, um es direkt nach dem Laufen zu trinken”, so Marc, der sich anfangs darüber wunderte, dass seine Trainingspartner nach nur einem Bier so schnell angetrunken waren. Aber kein Wunder – schließlich wurde das Wave Breaker, wie sie ihre Kreation getauft hatten, direkt in Halbliterflaschen abgefüllt.
Doch die Tide Runners wären nicht die Tide Runners, wenn sie sich über einen schnellen Schwips beschweren würden. Hauptsache, es schmeckt! Und es schmeckt so gut, dass es das Bier inzwischen auch in den offiziellen Verkauf geschafft hat: In Hamburg geht es unter anderem im Überquell sowie in der Superbude St. Pauli über den Tresen, und das Vin Aqua Vin in Hamburg Eimsbüttel verkauft es für zuhause.
“Am wichtigsten ist uns, ein Bier zu machen, auf das wir Bock haben”
Obwohl für den Verkauf von selbstgebrautem Bier inzwischen kein Braumeistertitel mehr nötig ist, kann natürlich nicht jeder “einfach so” losziehen und Bier verkaufen (siehe Infokasten). Sobald es in den Handel geht, muss ein eingetragenes Gewerbe vorhanden sein. Hier kam Marc und Henning jedoch ihr Unternehmergeist zu Gute. Im August 2017 hatten die beiden bereits gemeinsam mit Crew-Anwalt Oliver Jauch die “Crew Gel GmbH” gegründet, über die sie ein von ihnen selbst entwickeltes Energie Gel vertreiben. Und da Bier im weitesten Sinne ja auch Energie spendet, bot es sich an, die beiden Geschäftszweige zu verknüpfen.
Ob sie das Biergeschäft weiter ausbauen? Das machen Marc und Henning noch vom Erfolg der aktuellen Produktion abhängig. Wenn sich das Tide Runners Wave Breaker bis Ende des Jahres weiterhin gut verkauft, können sie sich durchaus eine Fortsetzung ihrer Brauer-Karriere vorstellen. Auch Kooperationen mit anderen lokalen Brauern, wie zum Beispiel Hopper Bräu, wurden schon diskutiert. Was jedoch auch in Zukunft nicht im Vordergrund stehen wird, ist der rein kommerzielle Erfolg.
“Am wichtigsten ist uns, ein Bier zu machen, auf das wir Bock haben, was uns schmeckt, und das wir mitgestalten können.”
In diesem Sinne: Prost!
(Aufmacherbild: Marc Suxdorf und Henning Heide – die beiden Brauer von Tide Runners Hamburg)
Auf einen Blick
Bier selber brauen – und verkaufen
Du hast auch Lust, dein eigenes Bier zu brauen, es vielleicht sogar zu verkaufen? Das ist gar nicht so kompliziert:
- Ausprobieren: Wer im Hobbykeller oder in begleiteten Seminaren das Brauen ausprobiert, darf im Jahr bis zu 200 Liter Bier steuerfrei herstellen. Verkauft werden darf dieses Bier jedoch nicht.
- Firma gründen: Die ersten Versuchen sind geglückt, jetzt soll das Bier in den Handel gehen? Dann muss zuerst ein Gewerbe angemeldet werden, denn ab jetzt wird die Biersteuer fällig.
- Zoll anmelden: Bevor die Bierproduktion beginnt, muss die geplante Biermenge beim zuständigen Hauptzollamt angemeldet werden. Dafür reicht ein einfaches Formular, das beispielsweise hier runtergeladen werden kann.
- Brau-Partner finden: Vorausgesetzt man verfügt nicht über unbegrenzte Kellerkapazitäten, benötigt man nun die Unterstützung einer Brauerei. Hier lohnt es sich, kleinere Brauereien in der Region anzusprechen – denen ist es oft möglich, auch geringe Mengen abzufüllen.
- Kreativ werden: In was für Flaschen soll das Bier abgefüllt werden, was soll aufs Etikett? Hier können sich alle Kreativen so richtig austoben – bei der Wahl und Bestellung der Flaschen hilft in der Regel jedoch auch die abfüllende Brauerei.