Es gibt sie einfach, diese Begriffe rund um’s Bier, die immer wieder auftauchen. Trotzdem weiß man häufig nicht so richtig was dahinter steckt. Damit ihr beim nächsten Feierabendbier beeindrucken könnt, versuchen wir ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Eine Vielzahl der Begriffe haben wir bereits in unserer Rubrik „Bierwissen“ erklärt. Einen aber noch nicht: die Stammwürze.
Für den Brauer ist die Stammwürze aus vielerlei Gründen von großer Bedeutung: Sie beeinflusst unter anderem den Geschmack des Bieres, den Alkoholgehalt, den Nährwert, den Kohlensäuregehalt – und die zu zahlende Biersteuer.
Für den Verbraucher ist es einfach nur spannend, endlich mal zu erfahren, was es mit dieser Stammwürze auf sich hat. Die Definition hilft, ein Grundverständnis davon zu bekommen, was Stammwürze, oder vielmehr der Stammwürzegehalt, eigentlich ist. Gleichzeitig lässt sie aber noch ganz viele Fragen offen, die wir zu klären versuchen.
Was ist Stammwürze?
In der „Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes“ ist der Stammwürzegehalt wie folgt definiert:
„Der Stammwürzegehalt des Bieres ist der Gehalt der ungegorenen Anstellwürze, aus der das Bier hergestellt ist oder nach seiner Beschaffenheit hätte hergestellt sein können, an löslichen Stoffen in Gewichtshundertteilen. Er wird aus dem Restextraktgehalt (Gehalt an nicht flüchtigen gelösten Stoffen) und dem Alkoholgehalt des Bieres errechnet. Nachträgliche Verminderungen des Alkoholgehalts werden dabei nicht berücksichtigt.“
Also vereinfacht: Der Anteil der aus dem Malz und dem Hopfen im Brauwasser gelösten Stoffe, bevor die Hefe hinzugegeben wird, also vor der Gärung.
Während des Maischens lösen sich aus dem Malz und dem Hopfen verschiedene Stoffe, die die Stammwürze beeinflussen. Dazu zählen vor allem:
- Malzzucker
- Vitamine
- Proteine
- Mineralien
- Hopfenextrakte (Gerb- und Bitterstoffe, Aromaöle, Alphasäuren etc.)
Bestimmung des Stammwürzegehalts
Der Stammwürzegehalt wird in der Regel in Grad Plato (°P) gemessen, seltener auch in Prozent. Benannt ist die Einheit nach dem deutschen Chemiker Fritz Plato (1858 bis 1938). Er hat das bereits 1843 von Karl Josef Napoleon Balling entworfene Maßsystem weiterentwickelt.
Bei 20 °C entspricht 1 °P genau 1 Gramm Extrakt pro 100 Gramm Anstellwürze.
Mit der Balling-Formel lässt sich der Stammwürzegehalt nachträglich berechnen. Aus der Annahme, dass aus 2,0665 Gramm Extrakt bei der Gärung 1 Gramm Alkohol, 0,11 Gramm Hefe und 0,9565 Gramm Kohlensäure entstehen, ergibt sich:
Dabei ist m die Alkoholmenge in Masse-% und E der wahre Extraktgehalt in Masse-%.
Gemessen wird die Stammwürze in der Regel mit einem Refraktometer oder einer Bierspindel (Aräometer), hin und wieder auch mit Ultraschallsensoren. Das Refraktometer misst den Brechungsindex des Lichtes in der Würze. Der in Brix gemessene Wert muss anschließend noch mit einem Korrekturfaktor von 1,02-1,06 dividiert werden um die Stammwürze in °P zu erhalten. Die Spindel folgt dem archimedischen Prinzip und ist ein mechanisches Messverfahren. Dabei wird die Spindel (üblicherweise auf 20 °C geeicht, bei abweichender Temperatur umrechnen) in die Würze gegeben und der Gehalt der Stammwürze kann abgelesen werden. Je größer die Dichte der Würze, desto mehr Auftriebskraft wirkt auf die Spindel.
Da die Menge an Wasser den Stammwürzegehalt entscheidend beeinflusst, kann durch Nachgüsse – also heißes Brauwasser, dass über den Treber gegossen wird um die Extraktmenge zu erhöhen – oder durch Reduzierung des Wassergehaltes beim Kochen der Würze, der Stammwürzegehalt vermindert, oder erhöht werden.
Unterteilung nach Stammwürzegehalt
Bier kann nach dem Stammwürzegehalt in vier Gruppen unterteilt werden. Dabei geht es zunächst nicht um einzelne Bierstile, sondern vielmehr um eine allgemeine Unterteilung.
- weniger als 7 °P: „Bier mit niedrigem Stammwürzegehalt“
- 7 bis unter 11 °P: „Schankbier“
- 11 bis 16 °P: „Vollbier“
- mehr als 16 °P: „Bockbier“, „Starkbier“
Möchte man den einzelnen Bierstilen einen Stammwürzegehalt zuordnen ist das schon etwas komplizierter. Hier gilt in erster Linie, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. Dementsprechend sind die Werte in der Tabelle keine Vorschrift, sondern vielmehr als grobe Orientierung zu sehen:
Bierstil | Stammwürze in °P |
Altbier | 11-14 |
Berliner Weisse | 7-8 |
Dubbel | 15-20 |
Gose | 10-12 |
Geuze | 10-14 |
IPA | 16-19 |
Kölsch | 10-12 |
Märzen | 11-13 |
Pale Ale | 11-16 |
Pils | 10-13 |
Porter | 16-19 |
Saison | 17-20 |
Stout | 10-16 |
Tripel | 18-21 |
Weizen | 11-13 |
Stammwürze und Alkoholgehalt
Die gelösten Stoffe der Würze dienen als Nährstoffe für die Hefe. Ein höherer Stammwürzegehalt deutet also erstmal auf einen höheren Alkoholanteil hin. Als grobe (!!!) Richtlinie gilt, dass die Stammwürze zu jeweils einem Drittel in Alkohol, Kohlensäure und Restextrakt umgewandelt wird. Allerdings ist die Stammwürze nicht alleine für den Alkoholgehalt verantwortlich. Zum Einen spielt das Verhältnis vom Malz und Hopfen eine entscheidende Rolle, da bei hohem Hopfenanteil der Stammwürzegehalt zwar hoch ist, der Anteil an vergärbaren Zuckern, die aus dem Malz gelöst werden, aber relativ gering. Zum Anderen hängt der Alkoholgehalt entscheidend von der verwendeten Hefe und äußeren Einflüssen wie beispielsweise Gärtemperatur und Gärdauer ab.
Die Biersteuer berechnet sich übrigens nicht nach dem Alkoholgehalt, sondern nach der Konzentration der Stammwürze: 0,787€ pro Hektoliter und °P!