Von einem, der nach den Sternen griff und unter der Brücke landete: Andy Smith wurde vom Koch in der gehobenen Gastronomie zum Brauer in Bermondsey, London, wo er mit Partizan Brewing eine ganz besondere Bierschmiede gründete.
Die guten Dinge sind rar: Biere von Partizan Brewing in Deutschland zu bekommen, ist ein seltenes Glück. Ergibt sich also mal die Chance – zugreifen! Sofort! Viele sind nämlich ziemlich außergewöhnlich.
Außergewöhnlich vielleicht deshalb, weil hier verschiedenste Einflüsse zusammenkommen: Liebe und Respekt, alte, belgische Biertradition, Wissen und Kompetenz rund um Lebensmittel und Fine Dining. Und gelerntes Brauhandwerk.
Wir wollten mehr über die Londoner erfahren und haben uns mit Alexis Leclere, Fixie-Liebhaber und Brauer bei Partizan Brewing, während eines Berlinbesuches zu einer kleinen Kneipentour verabredet. Erste Station: eine Institution. Das Hopfenreich in Berlin-Kreuzberg. Der Besucher hätte gern ein paar „Berlin beers“. Er bekommt gezapft: Fuerst Wiacek und Stone Berlin. IPA und Xocoveza.
Alexis ist in Nordfrankreich aufgewachsen, in einer Region mit großer, belgisch geprägter Bier-Tradition. Nachdem er dort in ein paar Brauereien gearbeitet hat, lebte er – zumindest ein ganz kleines bisschen– den amerikanischen Traum: Vom Fasswäscher in der Sambrooks Brewery (London Battersea) zum Brauer bei Partizan Brewing.
Groß geworden ist Alexis mit den belgischen Klassikern. Die Klosterbrauereien waren für ihn der Wegweiser und Grundstein für seine Karriere als Brauer. Noch heute hat er ein Lieblingsbier von früher: „Es ist schwer EIN Bier zu nennen, aber wenn ich eins wählen muss, dann das St. Bernardus Abt 12. Das verbinde ich mit vielen Erinnerungen.“
Partizan Gründer Andy Smith kommt aus Leeds. Dort war er Koch, über acht Jahre lang. Vor allem fine-dining, Sternerestaurants. Und nebenbei Heimbrauer. Aus Passion? Eher Nicht. Er war pleite und wollte trotzdem gutes Bier trinken. Und wirklich gutes Bier gab es damals viel zu wenig. Nach London kam Andy eigentlich, um weiter als Koch zu arbeiten – in der boomenden Gastronomie der Hauptstadt ein paar neue Erfahrungen machen. Durch einen Zufall bekam er von Andy Moffat die Chance bei Redemption Brewing anzufangen. Der hat ihm auch sein Studium am Institute of Brewing finanziert. Er lernte es, professionell zu brauen und konnte viele Kontakte knöpfen, was ihm später noch eine riesengroße Hilfe sein sollte. Insgesamt war er knapp drei Jahre bei Redemption Brewing.
Anschließend wollte Andy mehr, als nur Angestellter bei Redemption sein. Entweder noch mal die Brauerei wechseln (Andy Moffat empfahl ihm Thornbridge) oder etwas Eigenes aufmachen. Und dann kamen ihm ein Zufall und seine guten Kontakte zugute und er hat 2012 schließlich Partizan Brewing unter einer Eisenbahnbrücke eröffnet. In London. In Bermondsey. Klingelt’s? Ganz genau, das Bermondsey! The Kernel! Brew By Numbers! Cloudwater’s Taproom! Alle direkt nebenan. Das Herz von Craft-Beer-London, wenn man so will.
Partizan waren die Zweiten dort. Und Nachbar Evin O’Riordain von The Kernel half mit der Einrichtung. Er schenkte den Neuen seine alte Brauanlage. Evin sagt dazu heute: „Es war uns ein wenig peinlich, weil die Brauerei echt scheiße war (lacht). Aber wenn du es jemandem umsonst gibst und ihm das sagst, weiß er auf was er sich einlässt.“
In Berlin geht es weiter auf zwei Bier im Lager Lager, Neukölln. Alexis würde ja gerne mehr „cask beer“ in den Bars sehen. Allerdings fehlt dazu oft die Zeit und der Kunde. Warum? „Es ist viel aufwendiger als normales Fassbier, weil die Leute die „casks“ erstmal vorbereiten müssen (palettieren, anstechen, entlüften). Es muss frisch sein und innerhalb von drei Tagen nach dem Anstich getrunken werden.“
Partizan Brewing in eine Bierstil-Richtung zu drängen, fällt nicht schwer. Das Saison ist das Steckenpferd. In vielen Variationen: Lemongrass, Lemon & Thyme oder Iced Tea – um nur einige zu nennen. Trotzdem würde man der Brauerei Unrecht tun, wenn man sie nur darauf beschränkt. Gebraut werden Lager, Tafelbiere, IPAs, aber auch historische Rezepte, Barrel-Aged-Biere, Barley Wine, und eben: „cask beer“. Beim Pale Ale verfolgt Partizan Brewing dieselbe Philosophie wie The Kernel: Dieselbe Würze, immer anderer Hopfen. Und es gibt etwas, dass Andy besonders wichtig ist: die Hefe. Er geht sogar so weit, dass er sagt, dass der Brauer oder die Brauerin eigentlich gar kein Bier macht, sondern nur die Würze. Das Bier macht die Hefe!
Eigentlich ist die nächste Station der Kneipentour die Biererei in der Oranienstraße. Dazwischen liegt aber noch ein kleiner Bierschatz. Das Bierkombinat Kreuzberg (BKK), der Taproom von Schoppe Bräu. Besonders im Winter von außen ziemlich unauffällig, innen aber verraucht gemütlich. Passend zum Wetter: Brut x Ale und Iced Bock.
Für Partizan Brewing war es 2017 schließlich an der Zeit, die alte Brauerei zu verlassen und zu vergrößern. Doch die kleine Kommune Bermondsey haben sie trotzdem nicht verlassen. Es ging nur ein paar hundert Meter weiter in die Raymouth Road. Die jährliche Produktion konnte die Londoner Brauerei von rund 2500 Hektoliter auf etwa das Doppelte steigern – und die erste eigene, automatische Abfüllanlage fand ihren Platz. Die Etiketten und Zapfhähne von Partizan Brewing designt Alec Doherty, ein Londoner Illustrator und Künstler. Ziel dabei war es von Anfang an, beides so zu gestalten, dass es ohne Weiteres in die schicken Restaurants der englischen Hauptstadt passt.
Die alte The Kernel Brauanlage steht übrigens immer noch in der Brauerei unter der alten Eisenbahnbrücke. Inzwischen in dritter Generation, weitergegeben an einen ehemaligen Mitarbeiter von Partizan Brewing.