Branchenkenner: Als Barmänner im Münchner Tap-House wissen Dario Stieren und Niklas Zerhoch sehr genau, was geht und was nicht. Beste Voraussetzungen, wenn man selbst Bier brauen will. Der Don Limone von derMunich Brew Mafia, der geht. Manchner Gast schafft zwölf Gläser am Abend
Im Keller des Tap-House in München schimmelt ein Bier.
„Das kann man schon noch trinken“, sagt Dario Stieren, „da ist Hopfen drin.“ Wenn Hopfen drin ist, kann man’s immer trinken, erklärt er. „Alte Brauerweisheit.“ Und überhaupt ist das auch kein „Schmimmel“ im ich-habe-mein-Käsebrot-in-der-Box-im-Schulranzen-vergessen-irgendwann-vor-vier-bis-acht-Wochen-Sinne. Genaugenommen sind das Hefen. Fancy Hefen. „Die sehen halt bisschen ungewohnt aus, mit Haare und so.“
It started with a Pils
Um es kurz zu machen: Wir haben das pelzige Bier dennoch nicht probiert sondern stattdessen vier Gläser knackfrischen „Don Limone“ getrunken, das erste zum Verkauf gebraute Bier der Munich Brew Mafia, also von Dario Stieren und Niklas Zerhoch, den beiden Gründern. Da ist auch Hopfen drin. Und zwar reichlich. Das Single-Hop Pilsener ist satte vier Mal mit Citra gehopft. Es ist schlank wie ein Pils und fruchthopfig wie ein Pale Ale und ziemlich, ach, wie würde man das im Bierberkaufssingsang wohl wurbel-schwurbelig sagen, „gscheit süffig“ irgendwie wahrscheinlich, easy, drinkable, ein Hit.
Kein Wunder: Das Don Limone der Munich Brew Mafia ist ja auch das Ergebnis monatelanger intensiver Marktstudien und sehr genauer Trink- und Kaufverhaltensalysen. Stieren und Zerhoch haben zahllose Nächte damit verbracht, den Geschmack deutscher Craft Beer Konsumenten tiefgründigst zu erforschen. Sie haben Feldversuche mit unterschiedlichsten Bieren gemacht und Tiefeninterviews mit Hunderten Biertrinkern geführt.
Stieren und Zerhoch arbeiten nämlich hinter dem Tresen des Münchner Tap-House, eine Craft Beer Bar mit vierzig Hähnen und etlichen Flaschenbieren auf der Karte.
Best. Job. Ever.
Es ist der beste Job der Welt für zwei Mittzwanziger, die gerade erst Anfang 2016 ein Craft Beer Label gegründet haben. Die „Urschwabinger“, wie sie selbst sagen, kennen sich aus einem Jungenzentrum seit sie dreizehn sind, wo der eine in einer Band und der andere Kicker gespielt hat, und seit gut sechs Jahren brauen sie gemeinsam Bier. Dario nicht nur in seiner Freizeit, er studiert Brauwesen in Weihenstephan, Niklas macht seinen Bachelor in Geschichte und Soziologie. Beide jobben seit jeher in der Gastronomie, erst in Nachtclubs. Aber immer nur Wodka-Bull und Gin-Tonic mixen wird auf die Dauer langweilig, sagt Niklas. „Ich habe mich sofort beworben, als ich gelesen habe, dass das Tap-House aufmacht, weil ich dachte, da kann ich vielmehr lernen“, sagt Dario. Über Bier, Geschmäcker, Kundschaft.
„Natürlich haben wir hier sehr genau beobachtet, was gut funktioniert und welche Bieren noch fehlen“, erzählt Niklas von der Munich Brew Mafia. „Und warum hätten wir noch ein IPA machen sollen, davon gibt es schon so viele gute.“ Hingegen gäbe es aber eine wachsende Nachfrage nach guten, untergärigen Bieren, die einen nicht sofort vom Barhocker fegen. Der Don Limone als sehr ungewöhnliches Pils, streng genommen ein Kellerpils, aber dafür eigentlich zu hopfig, schlägt genau in diese Kerbe. Niklas und Dario schauen sich kurz an. Dürfen sie, sollen sie das jetzt erzählen? Komm, was soll’s: „In den letzten sechs Wochen, also seit wir den Don Limone hier im Tap-House am Hahn haben, ist es das bestverkaufte Bier.“ Dabei würden sie selbst es nicht besonders pushen, ehrlich nicht, sie schwatzen hier keinem ihr eigenes Bier auf und verraten auch nur, wenn es einem Gast wirklich gut schmeckt, dass sie das gebraut haben. „Dass es so gut geht, liegt sicherlich auch daran, dass man davon im Gegensatz zu so manchem IPA auch drei oder vier trinken kann“, sagt Dario. „Ein Amerikaner hat hier sogar mal zwölf Gläser an einem Abend getrunken. Das hat mich beeindruckt.“
Und wohl auch erleichtert: Denn von ihrem ersten, ihrem aller ersten kommerziell gebrauten Sud haben Niklas und Dario gleich volle 20 Hektoliter gebraut. „Wenn Scheiße, dann Scheiße mit Schwung“, findet Niklas. Noch so eine Weisheit. Diesmal aus der Bundeswehr, wie er sagt. Was er eben eingeschenkt hat, ist bereits der zweite Sud, da haben sie 40 Hektoliter gebraut.
Außerdem haben die beiden Nebenjob-Barmänner im Tap-House gelernt, dass der Name eine Craft Beer Brauerei verdammt wichtig ist. Alles muss der sagen: Wo das Bier herkommt, dass es um Bier geht, etwas über die Philosophie dahinter. Deshalb: Munich (is klar) Brew (auch) Mafia. „Mafia steht für das Grenzgängerische unseres Unternehmens“, sagt Niklas. Grenzgängerisch im Sinne von Brechen mit Traditionen, dem Gelernt- und Gewohnten. „Und der Familiengedanke ist auch wichtig“ ergänzt Dario. Bei ihrem ersten Event-Auftritt, dem Craft Bier Fest München, haben sie Kunden über ihre nächstes Bier abstimmen lassen. „Werde Teil der Familia und bestimme selbst den nächsten Brauauftrag“, stand auf den Abstimmungszetteln. Also so halt, Mafia. Die Familia bekommt demnächst wohl ein Amber Lager, ein Smokey Dubbel und ein Imperial Stout – in noch nicht ganz festgezurrter Reihenfolge.
Gründer der Munich Brew Mafia: 130 Stunden Wochen sind normal
In ein paar Wochen ist Dario mit seinem Studium fertig, dann muss er noch ein bisschen Praxis nachweisen um sein Diplom zu bekommen, das macht er in seinem eigenen Unternehmen. Aktuell schiebt er 130-Stunden-Wochen erzählt der Brauer dafür sehr fröhlich. Er hat neben dem Studium zwei Jobs, einen an der Bar im Tap-House und einen als Werkstudent bei Giesinger Bräu und dann ist er ja auch noch Gründer, so wie Niklas, der dazu noch ein paar Unikurse und den Tresenjob hat. Auch irgendwie grenzgängerisch, so eine Gypsie-Brauerei im Nebenberuf zu starten. An der Grenz des Machbaren. Erst heute morgen sind sie durch halb Bayern gefahren, um Bier, das sie in der Camba Bavaria „Old Factory“ in Gundelfingen gebraut haben in Eitting 160 Kilometer weit entfernt abzufüllen. Und trotzdem: macht alles immer noch Spaß.
So viel Spaß, dass Dario und Niklas auch einfach aus Jux ab und zu Bier brauen. Neulich hier im Tap-House, während der Schicht. Ist ja irgendwie alles da, dachten sie sich, Malz, Hopfen, Zeug. Also haben sie einen Topf auf den Herd gestellt und so ein bisschen vor sich hinbrauen lassen. Alle Kollegen haben mitgemacht und heimlich irgendwas reingeworfen. Pfefferminz ist wohl drin. Chili. Und eine Hand voll dubios-kurioser Hefen, offenbar. Es ist das Bier von dem immer noch ein bisschen was da ist, das Bier, das jetzt Haare hat. „War sicherlich nicht unser bester Wurf“, sagt Dario. „Aber Spaß gemacht hat’s schon.“