Michael Sturm könnte sich als Geschäftsführer einer mittelgroßen Privatbrauerei in Landau auch zurücklehnen. Weil: Läuft schon. Genau das tut Mike Sturm aber nicht: Er fing mit einer zweiten Biermarke noch mal ganz von vorne an und leistet jetzt Pionierarbeit, klopft bei Händlern an und fährt in Craft Beer Manier seine Mikes Wanderlust Biere auch noch selber aus
Das ist der Mike Sturm.
Oder eigentlich ist das der Michael Sturm.
Aber für uns der Mike.
Man muss da nämlich ein bisschen unterscheiden. Der Mike ist nicht nur einer, sondern viele. Oder zumindest zwei.
Michael Sturm ist der Chef der Brauerei Krieger im niederbayerischen Landau, der einzigen Brauerei am Ort. Die macht 6.000 Hektoliter Bier im Jahr und ist seit über hundert Jahren im Besitz seiner Familie, der Brauerfamilie Krieger/Sturm. Zum Hoffest 2013 kam die bayerische Bierkönigin vorbei. Es gibt Verwandtschaften zu etlichen anderen Brauereien in Niederbayern, über ein paar Ecken etwa auch zum Riedenburger Brauhaus. Michael Sturm ist Geschäftsführer in der vierten Generation. Der Michael Sturm ist Braumeister und hat seine Lehre hier im elterlichen Betrieb gemacht. Er sagt Sachen wie: „Ich mag Traditionen. Ich ziehen gern meine Lederhose an, gehe auf Volksfeste und mag bayerische Biere.“
Mike Sturm ist der Gründer von Mikes Wanderlust, einer niederbayerischen Craft Beer Marke. Ein Start-Up, Anfang 2015 gelauncht, mit bisher drei Bieren im Portfolio, einem Mild Porter, Session Pale Ale und einem India Pale Ale. Mike fährt alle paar Wochen mit dem Kofferraum voll Bier nach München und beliefert die einschlägigen Craft Beer Shops und Kneipen dort selbst, in Boot-Strapped-Start-Up-Manier eben. Pionierarbeit nennt er das. Mike sagt, dass er gern über den Tellerrand blickt und es faszinierend findet, was es für tolle Biere jenseits des Hellen gibt und dass er früher sehr auf Porter stand und jetzt mehr und mehr auf Hopfiges, sprich IPAs.
Ohne Krieger Bräu kein Mikes Wanderlust
Natürlich ist Michael/Mike Sturm ein und derselbe, aber die Brauerei Krieger und Mikes Wanderlust sind zwei paar Stiefel. Ganz bewusst und das sei auch wichtig, sagt Mike. „Ich wollte da nichts vermischen, zum Schutz der traditionellen Marke Krieger“, sagt der Niederbayer. Man könne die Augen vor der Realität ja nicht verschließen, es gibt nun mal ganz generell und bei vielen eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber allem Neuen und die „ah, geh, bleibt’s mir mit Euerm Pale-Ale-Schmarrn weg, I mog mei Helles“-Kommentare der Stammkundschaft kann er sich nur zu gut vorstellen. „Ich hätte auch viel behutsamer sein müssen, was englische Ausdrücke in der Kommunikation meiner neuen Biere angeht, wenn ich das unter der Marke Krieger gemacht hätte“, weiß er. Und das T-Shirt mit der Aufschrift „Join the Brew Revolution“ braucht er am Stammtisch in Landau auch nicht anziehen.
Also gründete der junge Brauereichef eine zweite Marke, Mikes Wanderlust, unter der er nicht-bayerische Biere, man könnte, wie sind ja unter uns, ganz englisch auch Craft Beer dazu sagen, braut. Damit wäre die Geschichte von Mike/Michael schon erzählt – wenn es da nicht diesen hochinteressanten und äußerst charmanten Twist gäbe, dass der Startschuss zu Mikes Wanderlust eigentlich damit fiel, dass ein Krieger-Bier so erfolgreich war. Ein ganz besonderes Krieger-Bier, untergärig, viel Alkohol, hohe Stammwürze, saisonal, selten, teurer, preisgekrönt, durchdachter Name – man könnte fast meinen, es ging um ein Craft Beer. Aber psst. Neimodisches Zeugs!
Wir brauchen Bock, Doppelbock!
„Uns hat es lange beschäftigt, dass wir keinen eigenen, dunklen Doppelbock im Sortiment hatten“, erzählt Michael Sturm. Dabei ist das Krieger-Portfolio mit zehn Bieren relativ breit, natürlich sind Helles und Weißbier die Bestseller im engen 25-Kilometer-Radius-Vertriebsgebiet. Aber es gibt sehr wohl auch ein Dunkles Weißbier, ein Pils, ein Weihnachtsbier. Nur der dunkle Doppelbock, den die Sturms bis vor vier Jahren verkauften, war Handelsware einer anderen Brauerei. Dabei könnten wir das doch auch brauen, meinte Michael Sturm.
Ja, sicher könnten wir das brauen, sagte seine Mutter und Mitgeschäftsführerin Helene Sturm, geborene Krieger, die das Unternehmen führt, seit sie 26 Jahre alte war. Die Frage ist, ob wir es auch verkaufen könnten. Bisher verkauften sie zu den Bockbierfesten 10 bis 12 Hektoliter Dunklen Doppelbock. Die Sturms haben ein 100-Hektoliter-Sudhaus. „Scho a großes Werkl“, sagt Michael Sturm. Das mindeste, was man bei einem Bockbier da brauen muss, sind 60 Hektoliter. „Du siehst schon, dass das was anderes ist“, sagte die Mama Sturm. „Wäg das Risiko ab, und wenn du dann immer noch meinst, du musst einen Dunklen Bock machen, dann mach.“ „Sie lässt mir viele Freiheiten“, sagt Michael Sturm. „Das ist nicht selbstverständlich, und ich weiß das zu schätzen.“
Der studierte Betriebswirt Sturm wägt also ab und schmiedet einen Plan B. Und zur Sicherheit auch gleich noch einen Plan C: „B wäre gewesen ein Bourbon-Fass mit ein paar hundert Litern zu belegen. Und Plan C einen Bockbierbrand machen lassen.“
Keiner der beiden Pläne kam je zum Einsatz: Der erste „Floriani-Bock“, benannt nach dem Hl. Florian, der sowohl die Häuser löscht, als auch den Durst, weil er nämlich auch der Schutzpatron der Brauer ist, war binnen drei Wochen ausverkauft. „Ich musste mir meinen Kasten im Edeka kaufen, weil ich in der Brauerei keinen mehr nehmen konnte. Die waren alle reserviert“, erzählt Michael Sturm. Seitdem brauen die Sturms den Doppelbock jedes Jahr, in immer größeren Chargen. „Das war für uns das Erweckungserlebnis in Sachen ‚Man kann sich auch mal etwas trauen‘. Wenn man gute Qualität braut, kann man auch besondere Biere verkaufen.“ Und damit hatte der Mike dann auch Mut genug, mit seinen besonderen, nicht-bayerischen Sachen zu starten.
Einmal im Monat braut das Team der Brauerei Krieger in Landau nun also ein Mild Porter. Oder IPA. Die Rezepte hat der Juniorchef auf seiner Versuchsanlage ausgetüftelt, für die Umsetzung im Großen sind Braumeister und Biersieder zuständig. „Sicher war da nicht jeder von Anfang an begeistert“, sagt Mike Sturm. Trotzdem ließ sich das Team überzeugen. Das Vertriebsgebiet ist ein anderes, etwas weiter weg, größere Städte. Mike Sturm macht das alles selbst. Klinken putzen, Bier vorstellen. „Hallo, sind Sie der Wirt hier, darf ich Sie mal was probieren lassen?“ Das hätte Michael Sturm, der Geschäftsführer eine gut laufenden Privatbrauerei in Landau nicht nötig. Mike Sturm aber macht das gern. Und voll Leidenschaft. Für besondere, andere, handwerkliche Biere.