Ab und zu entdeckst du so eine Neuheit und bist dir ganz sicher, dass die Nummer einen Haken hat. Alkoholfreies Proteinbier mit 21 Gramm Aminosäuren pro 0,33 Liter ist eben so eine Neuheit. Wie soll das gehen? Warum das? Und: Schmeckt das überhaupt? Ein Hamburger Start-Up hat sich der Herausforderung gestellt. So gründeten Tristan Brümmer und Erik Dimter ihre (noch) kleine Firma: JoyBräu – und bekamen gleich den renommierten FIBO Innovation & Trend Award 2018 in der Kategorie Lifestyle.
Bevor jetzt schon alle losmeckern: Ihr müsst es nicht trinken, auch nicht mögen, aber gebt dem Ganzen eine Chance! Denn hinter dieser verrückt klingenden Idee steckt eine ganze Menge Wissenschaft. Bier darf auch offiziell drauf stehen. Und es gibt endlich eine durstlöschende Alternative zum lahmen Protein-Shake.
Tristan und Erik sind keine Brauer. Beide kommen aus der Schifffahrt, von Hapag Lloyd. Der Eine, Tristan, aus dem PR und Marketing. Der Andere, Erik, aus dem Sales Management. Die Idee für JoyBräu ist 2016 bei einem Auslandsaufenthalt in Singapur, beziehungsweise Kuala Lumpur, entstanden. Da die beiden Metropolen nur einen kurzen Flug entfernt sind, haben sich Tristan, der in Singapur lebte, und Erik, den es nach Kuala Lumpur verschlagen hat, regelmäßig an den Wochenenden besucht. Das Feierabendbier hat besonders in Singapur einen enormen Stellenwert. Da die Zwei aber gleichzeitig aktive Fitnesssportler waren, wollten sie eigentlich gar nicht ständig FeierabendBIER trinken. Also ging es oft mit dem Proteinshake zu den Kollegen in die Bar. Nicht besonders lecker. Und so viele doofe Sprüche. Und genau da entstand die Idee, ein alkoholfreies Bier mit vielen Proteinen zu brauen.
Jetzt wissen Brauer und Brauerinnen, dass Proteine im Bier eine ziemlich sensible Sache sind. Trübung, verringerte Extraktausbeute, komische Aromaveränderungen – willste alle in deinem Bier nicht unbedingt haben. Das haben die Zwei bei ihren Heimbrauversuchen auch schnell festgestellt. Also sollten die Profis die Lösung bringen – konnten sie aber auch nicht. Tristan und Erik wurden nicht nur einmal mit Pauken und Trompeten vom Hof diverser Brauereien gejagt. Und da ging es noch um 8 Gramm pro 0,33 Liter. Die Ersten, die sich des Problems ernsthaft angenommen haben, waren die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der TU Berlin – und das nach über zwei Jahren Forschung mit Erfolg.
Was die Beiden bis zum fertigen, trinkbaren Proteinbier durchmachen mussten, und wie man so ein Bier überhaupt hinbekommt, hat uns Tristan erzählt.
Wieso seid ihr so spät erst die Ersten, die es geschafft haben, ein Bier herzustellen, dass alkoholfrei ist und die 21 Gramm Eiweiß pro Flasche beinhaltet?
Es ist tatsächlich so, dass wir nicht die Ersten waren, die die Idee hatten. Ganz im Gegenteil: Die Idee hatten schon relativ viele. Wir waren aber die Ersten, die das Sitzfleisch hatten, sich wirklich mit dem Konzept Proteinbierauseinanderzusetzen, zweieinhalb Jahre an dem Projekt zu forschen, zu entwickeln und sich komplett reinzubeißen. Das ist das, was uns auszeichnet.
Wir bekommen so oft Kommentare zu hören, wie ‚Damals auf Malle bin ich auch auf die Idee gekommen, ihr habt meine Idee geklaut‘. Da müssen wir immer schmunzeln.
JoyBräu ist ein sehr, sehr komplexes Produkt, die Entwicklung war extrem aufwendig. Der klassische Hobbybrauer kriegt das nicht hin, selbst der klassische Brauer nicht. Da muss man einfach mit institutioneller Forschung zusammenarbeiten, um so ein Projekt zu realisieren – und selbst dann kann es noch schiefgehen.
Das Thema kursiert in jedem Fall schon länger auf dem Markt, wir waren aber die Ersten, die es geschafft haben.
Wie ist die Zusammenarbeit mit der TU Berlin entstanden?
Wir haben eine längere Reise hinter uns gehabt. Angefangen haben wir bei mir zuhause im Keller mit meiner Hobbybrauanlage und ein paar verschiedenen Proteinpulvern. Damit sind wir natürlich grandios auf die Schnauze gefallen (lacht). Das hatte mehr mit vergorenem Teig zu tun, als mit Bier – also ganz, ganz übel. Es hat einfach gar nicht funktioniert.
Parallel haben wir am Business Case gearbeitet und uns mit dem Marktumfeld, Wettbewerbern und den potentiellen Kunden befasst. Je länger wir an der Idee gearbeitet haben, desto überzeugter waren wir, dass etwas mit Substanz dahintersteckt.
Unser nächster Gedanke war dann: „Wenn’s jemand kann, müssen es doch die Brauer sein.“ Also haben wir eine Deutschland Tour gemacht und mit diversen Brauern gesprochen. Im Süden war die Rückmeldung eher nach dem Motto ‚Oh Gott, was macht ihr mit unserem Bier?‘, im Norden ‚Jungs, ihr spinnt doch!‘. Und damals ging es noch gar nicht um 21 Gramm, sondern um 6 bis 8 Gramm. Selbst damit wurden wir vom Hof gejagt. ‚Das macht das Produkt kaputt, das kann nicht schmecken.‘
Wir haben aber zum Glück nicht aufgegeben, sondern sind auf die dritte Stufe gegangen. Das waren dann die Forschungsinstitute. In Weihenstephan hatten wir eine leichte Sprachbarriere (lacht) und die standen dem Ganzen nicht ganz so aufgeschlossen gegenüber – ganz im Gegensatz zur TU Berlin. Dort wurde bereits Richtung Sportlerbiergeforscht. Ab da begannen zweieinhalb Forschung, zusammen mit der TU Berlin.
Was war die größte Hürde während der Entwicklung?
Immer, wenn wir gedacht haben, dass wir’s jetzt geschafft haben, sind wir wieder voll auf die Schnauze geflogen. Deswegen hat die Entwicklung so lange gedauert. Ein Beispiel: Jegliche Bieranalytik spinnt bei unserem Produkt. Wenn man unser Bier mit einem Standard Anton Paar Beer Analyzer analysieren lässt, dann zeigt das Gerät dir 2,5 Vol.-% Alkohol an, obwohl es alkoholfrei ist – einfach weil die Technik nicht mit dem Proteingehalt klarkommt.
Wir wussten nie, was passiert. Die Analytik hat Ergebnisse gezeigt, die rein logisch nicht zu begründen waren. Und dann ging es natürlich jedes Mal darum, herauszufinden, warum das so ist. Wir mussten andere Ansätze wählen und neue Wege gehen.
Außerdem war natürlich das Geschmackliche eine riesen Herausforderung. Die meisten Proteinquellen haben einen sehr intensiven Eigengeschmack. Das harmonisch auf eine Biermatrix abzustimmen, war wirklich nicht leicht. Ohne unsere Maltose-negative Hefe wäre das Bier geschmacklich katastrophal. Das ist eine von der TU Berlin patentierte Hefe, die sonst niemand nutzen darf. Selbst mit anderen Maltose-negativen Hefen hat es grauenvoll geschmeckt.
Als ihr anschließend euer Wunschbier mit der TU Berlin entwickelt habt, musste es in Produktion gehen. Nicht ganz einfach bei den Anforderungen. Wie habt ihr die Brauerei gefunden, bei der ihr heute braut?
Auch das war ein langer Weg. Wir haben im Prinzip nochmal die Brauereien abgeklappert, die uns vorher gesagt haben, dass es unmöglich ist, uns aber nicht gleich vom Hof gescheucht haben. Da ist uns die Privatbrauerei Bischoff aus Winnweiler in der Pfalz am Besten im Hinterkopf geblieben. Die brauen nicht nur ein sehr, sehr gutes Weizenbier, sondern sind auch aufgeschlossen gegenüber verrückten Projekten. Der Brauereibesitzer, der Herr Bischoff, ist ein wirtschaftlich denkender Mensch und kein klassischer Brauer. Das war für uns sehr vorteilhaft. Der glaubt einfach an das Produkt. Und dafür sind wir ihm sehr dankbar, weil er ziemlich investieren musste. Die Gerätschaften, die man für unser Produkt braucht, hat eine normale Brauerei gar nicht.
Woher bekommt ihr die Aminosäurezusammensetzung, die ihr nutzt?
Die Zusammensetzung ist komplett eigenentwickelt – also geschmacklich und auf den Bedarf des Sportlers abgestimmt. Das heißt, wir haben auf sehr, sehr hochwertige Inhaltsstoffe gesetzt. Die Aminosäuren beziehen wir über einen Lieferanten, der vor allem Nahrungsergänzungsmittelhersteller beliefert. Da beziehen wir die einzelnen Komponenten und die Brauerei setzt sie dann zusammen.
Hattet ihr Probleme damit, dass ihr Bier draufschreiben dürft?
Das war eine große Baustelle, aber wie du siehst, haben wir es geschafft – auch durch die Unterstützung der TU Berlin und durch Weihenstephan, die ein Wort für uns eingelegt haben. Und abgesehen von den Aminosäuren ist das Bier komplett reinheitsgebotskonform.
Wo vertreibt ihr euer Bier überall?
Wir haben angefangen über unseren Online-Shop und Amazon. Weiter ging es mit Fitnessstudios. Mittlerweile sind wir deutschlandweit in mehreren hundert Studios vertreten. Anfang des Jahres haben wir auch mit dem Einzelhandel begonnen. Uns fehlt momentan noch die Manpower, das richtig intensiv zu betreuen, aber das Feedback ist sehr positiv. Wir sind inzwischen in 200 bis 300 Märkten, hauptsächlich im Norden, unterwegs. Das sind die Hauptvertriebskanäle in Deutschland.
Besonders interessant ist für uns aber auch der Export, weil JoyBräu ein weltweit einzigartiges Produkt ist. Wir haben im letzten Jahr zwei Drittel unseres Umsatzes im Ausland gemacht und sind mittlerweile in zwölf Ländern vertreten – von Russland über Tschechien und Spanien bis nach Mexiko.
Dafür auch das Bier in der Dose?
Genau. Die Dose ist ganz besonders interessant für den Export. Sie wiegt knapp die Hälfte, lässt sich deutlich besser verstauen, du hast keinen Bruch. Aber auch im Online-Versand ist die Dose vorteilhaft, in vielen Fitnessstudios und Geschäften herrscht Glasverbot. In Automaten sind die Dosen besser, da sie nicht kaputt gehen. Sogar im deutschen Einzelhandel haben wir mit der Flasche teilweise Probleme, weil wir nicht im klassischen Bierregal stehen wollen, sondern bei den Nahrungsergänzungsmitteln. Alles in Allem sehen wir JoyBräu zukünftig primär in der Dose.
Warum habt ihr den Gorilla zu eurem Gesicht gemacht?
Wir sind ein absolutes Lifestyle Produkt. Du kannst deine Proteine auch anders beziehen. Aber es ist cool, gesellig und irgendwie am Zahn der Zeit. Aber wie vermarkten sich Lifestyle Produkte aktuell im Internet? Du hast ein Gesicht dazu, meistens einen Influencer. Wir wollten uns nicht über Personen identifizieren. Wir haben keinen Bock auf Personenkult. So sind wir nicht, so soll unser Unternehmen nicht sein. Wir wollen über’s Produkt leben. Unser Gorilla, JoyBro, steht für uns und ist dein cooler Trainingsbuddy, mit dem du viel lieber mal ein alkoholfreies Proteinbier trinkst, als einen 08/15-Shake von der Stange.
Was sind eure Ziele für die nächste Zeit?
Für uns ist primär wichtig, die Produktkategorie Proteinbier zu etablieren. Das soll nichts mehr sein, worüber die Leute stolpern und denken, dass das gar nicht schmecken kann – Proteinbier schmeckt und unterstützt moderne Sportler einfach, lecker und erfrischend beim Erreichen ihrer Ziele.