Corona, steigende Energie- und Rohstoffpreise, Kunden, die nach den Pandemie-Einschränkungen den Weg noch nicht zurück in die Gastronomie gefunden haben: Die Braubranche ächzt. Im Bregenzerwald halten die Geschäftsführer einer kleinen Brauerei dagegen „ein Plädoyer für Optimismus“ und wollen zusammen mit einem fränkischen Braumeister ihre Produktion sogar verdoppeln.
Nicht dass da Missverständnisse aufkommen. Es sei nicht so, dass man in Egg „die Welt bisher nur in lalalustig“ gekannt habe, schreiben Lukas Dorner und Hubert Berkmann im Magazin der Brauerei Egg. Die beiden sind Geschäftsführer der Brauerei. Egg ist ein Dorf mit gut 3000 Einwohnern im Bregenzerwald am Rande des österreichischen Bundesland Vorarlberg. Touristen, die hierherkommen, verspricht man Entschleunigung. Auch die Käsestraße Bregenzerwald ist nicht unbedingt eine Rennstrecke. Hier genießt man, was Zeit zum Reifen hatte. Und trinkt in aller Ruhe ein Bier dazu. Was dann auch schonmal dazu führt, dass ein Spitzengastronom aus der gut 600 Kilometer entfernten Hauptstadt Wien nicht nur Bergkäse einkauft, sondern auch dieses Bier, das so wundervoll dazu passt.
Aber momentan, sagen Lukas Dorner und Hubert Berkmann, werde die „Wälder Gelassenheit ordentlich auf die Probe gestellt“. „Krieg. Inflation. Pandemie. Verdammt. Wir haben einiges zu schlucken gerade“, beschreiben die beiden die Situation vieler Brauer. Aber man müsse sich das wie in einem Gasthaus vorstellen. Das stehe ein Glas auf dem Tisch, das, symbolisch gesehen, die Minusseite symbolisiert. Und da sei einiges drin: explodierende Gaspreise, nach oben ziehenden Strompreisen und teurer werdende Rohstoffe. Aber im Gegenzug könne man auf der Plusseite ein ganzes Fass aufmachen, denn was sei die Minusseite schon gegen das Glück mit „richtig guten Menschen ein richtig gutes Bier“ machen zu können. Und das auch noch im Bregenzerwald, wo es „Biertrinker mit Charakter“ gebe, die der Brauerei ihr Engagement danken.
Die Unaufgeregtheit sei eine starke Charaktereigenschaft der Wälder, wie sich die Menschen hier nennen. Aber, erklärt die Brauereiführung auch ihr eigenes neues Selbstverständnis: „Unaufgeregt zu sein, heißt ja letztlich nichts anderes, als sein Ding zu machen und es dann auch mal gut sein zu lassen. Vorausgesetzt, es ist gut. Wenn nicht, dann machen wir’s nochmal.“ Und: „Nicht falsch verstehen, wenn was nicht klappt, fluchen wir Wälder leidenschaftlich, aber halt unaufgeregt.“
Zum Fluchen haben die Geschäftsführer und ihr Braumeister Dominik Lissik gerade aber keinen Grund. Beide sind recht neu im Betrieb. Beide sind ehrgeizig. Und beide arbeiten an einem Plan, der aufzugehen scheint. Davon zeugen auch die weißen und roten T-Shirts mit Brauerei-Logo, die gerade in größerer Stückzahl geliefert worden sind. Es gebe da jetzt eine größere Nachfrage aus der Kundschaft. Ein Shirt der Brauerei Egg zu tragen, das sei früher nur Sache der Mitarbeiter gewesen. Inzwischen sind die Kleidungsstücke auch bei anderen Wälderinnen und Wäldern beliebt. Das liege daran, dass „die Region gefühlt zum ersten Mal seit 30 Jahren stolz auf die Brauerei ist“, erklärt Dorner. Er selbst stammt aus dem Ort. Daran, dass er die Brauerei, die er jetzt leitet, mal als etwas Besonderes angesehen hat, kann er sich nicht erinnern. Die Brauerei, 1894 von Gastwirten gegründet, sei einfach immer da gewesen. Mehr nicht.
Dass man von der Brauerei Egg nicht nur im positiven Sinne spricht, sondern immer mehr Menschen deren Bier trinken, liegt auch daran, dass das Kellerbier gerade den European Beer Star bekommen hat. Der Handel habe noch Berichten in lokalen Medien plötzlich gesteigertes Interesse an der kleinen Brauerei im Wald und ihrem prämierten Bier gehabt. Am Telefon sei immer wieder dieselbe Frage gestellt worden: Wie schnell könnt Ihr liefern?
So eine internationale Auszeichnung helfe, ganz klar, sagt Dorner. Aber man braue „schließlich nicht für Medaillen“, sondern für die Menschen im Wald – und um selbst Freude daran zu haben. Dass man mit diesem Ansatz erste Erfolge feiern kann, liegt daran, dass Geschäftsführer Lukas Dorner und Braumeister Dominik Lissik das Unternehmen neu organisiert und die Strategie geändert haben. „Man war zufrieden mit dem, was man hatte“, sagt Lissik. „Da war nicht die Notwendigkeit, in die Marke und das Image zu investieren. Das war eine Firma, die etwas Gewinn gemacht hat. Und man wollte möglichst wenig Veränderung, so lange das Spezialbier geschmeckt hat“, erinnert sich Dorner an die Zeit vor seinem Einstieg.
Vor drei Jahren ging dann einer der Gesellschafter, der auch nebenberuflich Geschäftsführer war, in Pension. Erstmals in der Geschichte der Brauerei, die die letzte noch bestehende im Bregenzerwald ist, wurde ein Geschäftsführer eingestellt, der nicht aus einer der Gesellschafter-Familien kommt. Einer, der sich nicht nur der Tradition verpflichtet fühlte, sondern neue Ideen formulierte. „Ich hatte andere Ansprüche“, sagt Dorner. In Vorarlberg sei die Egger Brauerei bisher eher belächelt worden. Da sind die Dornbirner Mohrenbrauerei und die inzwischen zur Brau Union gehöhrende Fohrenburger in Bludenz als Hauptakteure. Dazu kommt die Frastanzer Brauerei, die sich unter anderem durch ihre Bio-Biere einen Namen gemacht und damit eine Nische besetzt hat. Und dann ist da eben noch diese kleine Brauerei im Wald, die ein wenig Bier verkauft. Rund 15.000 Hektoliter waren es im Jahr, als Dorner seinen Job antrat. Inzwischen liege man bei 17.000 bis 18.000 Hektolitern. Das Ziel sind 30.000 bis 35.000 Hektoliter, also die Verdoppelung des Volumens, sagt Dominik Lissek.
Er kam vor zwei Jahren als Nachfolger von Hinrich Hommel aus dem Allgäu in den Bregenzerwald – „mit der Aussicht, dass hier etwas entstehen kann“, also mit der Lust, nicht einfach eine alte Tradition fortzuführen, sondern Neues zu wagen. Die Hauptmarke der Brauerei ist zwar nach wie vor das Wälder, ein für Vorarlberg typisches Spezialbier. Aber dieses Bier wird nun auch unfiltriert als gerade prämierte Kellerbier vermarktet. In Egg wird Helles und Dunkles gebraut, Bockbier und Pils. Fest im Sortiment ist auch ein IPA. Und jeden Monat kann man direkt in der Brauerei ein Bier in limitierter Auflage kaufen. Das war gerade ein Rauchbier, eine Spezialität aus Lisseks fränkischer Geburtsstadt Bamberg. Davor wurde ein Iced Coffee Porter gebraut. Die Entscheidung, welchen Bierstil man mal ausprobiert, läuft „schnell und unkompliziert“, erklärt Dorner. Einer der Mitarbeiter braut auch zu Hause und bringe immer mal wieder eine Idee. Es komme aber auch vor, dass jemand sagt: „Nächsten Monat habe ich eine Brauereiführung und da ist jemand dabei, von dem ich weiß, dass er Weizenbier mag.“ „Dann brauen wir ein Weizenbier“, sagt Dorner.
25 Menschen arbeiten in der Brauerei, zwei Frauen, 23 Männer. Eine mutige Geschäftsführung, ein engagierter Braumeister und kreative Mitarbeiter sind aber nicht alles. Es sei gelungen, die Gesellschafter zu überzeugen, dass investiert werden muss, wenn die Brauerei am Markt bestehen will. Also weniger Gewinnausschüttung. Stattdessen hat man endlich eine Wasserenthärtungsanlage eingebaut. „So etwas, das für viele Brauereien auf der ganzen Welt selbstverständlich ist, gab es hier nicht“, hatte sich Lissek gewundert. Er hat auch sonst einiges geändert: Der Endvergärungsgrad ist jetzt höher, das Bier somit süffiger. Die Hopfung wurde ans veränderte Wasser angepasst. Und im Frühjahr kommen zwei zusätzliche Tanks. „Das ermöglicht Wachstum mit ruhigem Gewissen“, sagt Lissek. Denn er will die Lagerzeiten fürs Bier aus Qualitätsgründen nicht verringern, braucht aber deutlich mehr Bier, wenn der Plan der Brauerei aufgeht.
„Das Potenzial ist enorm für uns“, glaubt Lukas Dorner. „Die Brauerei war lange im Dornröschenschlaf. Da hat auch das Image gelitten.“ Deshalb hat der neue Chef erstmal die Optik geändert: neue Etiketten, neue Internetseite, neues Firmenlogo, neuer Social-Media-Auftritt. „Wenn du Veränderung willst, muss die auch wahrgenommen werden“, unterstützt der Braumeister den Kurs des Geschäftsführers. Egger sei nun „mehr wahrnehmbar für den Kunden“, sagt Dorner. Das neue, durch die europäische Auszeichnung fürs Kellerbier verstärkte gute Image will er nutzen, um nun „erstmal um den Kirchturm aufzuräumen“. Egger Bier soll wieder „die klare Nummer eins im Bregenzerwald sein“. Diesen Markt wolle man „sauberhalten“. Zudem gelinge es gerade, in ganz Vorarlberg im Handel präsent zu sein.
Die Wachstums-Chancen in der Gastronomie seien begrenzt, erklärt Dorner. Aber im Handel, da könne der Kunde selbst entscheiden, was er trinken will. Diesen Wettbewerb will die Brauerei durch eine hohe Qualität immer öfter für sich entscheiden. Auf einen Preiskampf werde man sich nicht einlassen. Als kleines Unternehmen habe man natürlich auch Probleme, wenn man wächst: Leergutmangel, Probleme mit der Logistik. Das kriege man in den Griff, sagt Dorner.
Ein „Plädoyer für Optimismus“ halten er und sein Mit-Geschäftsführer deshalb in der Kundenzeitschrift, die in gedruckter Form ebenso zur neuen Kommunikationsstrategie gehört wie die verstärkten Aktivitäten im Internet. Wobei die Brauerei mit all diesen Aktionen schon hart an die Grenze der Wälder-Mentalität geht. Denn eigentlich, erklären Lukas Dorner und Hubert Berkmann, sei der Wälder ja „nicht die Sorte Mensch, die großes Gefuchtel braucht“.