Jeder Produzent, ob von Bier oder anderen Produkten, schmückt sich gerne mit Prädikaten, die die Besonderheit, die Einzigartigkeit des angepriesenen Produkts hervorheben sollen. Doch wie viel Sinn macht die Vielzahl der kursierenden Siegel auf Bier?
Früher wurde mit langatmigen, hochtrabenden Texten auf Referenzen, Medaillen bei irgendwelchen Weltausstellungen o.ä. verwiesen. In unserer Zeit, die mehr visuell geprägt ist, haben Logos und Label diese Aufgabe übernommen. Und so findet sich kaum eine Bierflasche, auf der, neben dem Markenzeichen des Erzeugers, nicht noch das eine oder andere zusätzliche Emblem auf dem Etikett zu finden ist. Doch bevor wir uns weiter in die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Labels vertiefen, zuerst mal ein kleiner Überblick, was in Deutschland so alles auf Bierflaschen gefunden werden kann.
„Offizielle“ Qualitätsversprechen
Natürlich zuallererst einmal die „offiziellen“ Qualitätsversprechen (zu den inoffiziellen kommen wir später) in Form diverser Reinheitsgebote. Des Deutschen, des Münchner oder des Bayerischen RGs. Man prahlt mit Jahreszahlen und Herkunfts-Adjektiven. Alle haben jedoch böse Flecken auf ihren weißen Westen: Der Begriff des „Deutschen Reinheitsgebots“ ist im Ausland nicht geschützt und dementsprechend Freiwild für kreatives Marketing. In Bayern und anderswo wurde die Nennung des Reinheitsgebots bei Weißbier zur peinlichen Lachnummer (denn eigentlich geht es in der Urform des Reinheitsgebotes genau darum, dass Weizen zum Brot backen und nur die Gerste zum Brauen verwendet werden sollte. Anm. d. Red. Mehr dazu). Alle drei werden daher wohl mehr aus Gewohnheit gedruckt, zur Kenntnis nimmt sie kaum noch jemand. Der Deutsche Brauerbund hat aus dieser Not eine Tugend gemacht und das ansonsten redundante Logo mit einer Message verknüpft („Bier bewusst genießen“).
Die reine Nennung eines der diversen Gebote ist immer noch eine beliebte Marketing-Maßnahme deutscher Brauer. Sogar für Weißbier und Craftbier. Im schlimmsten Fall für beides.
Seit Kurzem gibt es ein neues Qualitätsversprechen: Das Natürlichkeitsgebot des neues Verbandes der „Deutschen Kreativbrauer“, gegründet im Januar 2016. Das ist weder historisch noch lobbyhaft belastet, und kommt viel ehrlicher daher. Wenn es den Kreativbrauern gelingen sollte, dieses Versprechen dauerhaft einzulösen, dann wäre das eine sehr feine Sache.
Bundesverbandsrepublik Deutschland
Womit wir bei den Verbänden wären. Denn mit Deutschem und Bayerischem Brauerbund, den anderen Landesverbänden sowie den neuen Kreativbrauern, ist es noch lange nicht getan: Ein polnisches Sprichwort sagt: „Ein Deutscher – ein Bier; zwei Deutsche – ein Verein; drei Deutsche – ein Krieg“. Zum Krieg wollen wir nicht, aber die Mär von der deutschen Vereinsseligkeit ist nicht grundlos entstanden. Bei den Brauern gibt es so z.B. „Die Brauer mit Leib und Seele“ oder „Die Freien Brauer“. Teils sogar über die Grenzen, quasi international, aufgestellt. Welchen Anlass es für die Gründung gab, welche Vorteile Brauer wie Konsument daraus ziehen sollen, sei hier einmal dahin gestellt; aber dem normalen Kunden wird dies sicher schwer zu vermitteln sein. Es sei denn, er pflegt sowieso eine besondere Beziehung zu „seinem“, meist lokalen Gerstensaftproduzenten. Nachdem sich die Themen, z.B. beim Craftbier, auch mittlerweile überschneiden, wären eventuell Synergie-Effekte sinnvoll und machbar.
GGA – Geschützte Geographische Angabe
Zwei weitere Labelarten möchte ich noch vorstellen. Zuerst die „Geschützte geographische Angabe“. Das ist ein hohes Gut, von der EU geschützt und überwacht, und wird leider viel zu selten gesehen. Denn kein Land der Welt hat so viele Biere als GGA wie Deutschland: Bayerisches Bier, Bremer Bier, Dortmunder Bier, Hofer Bier, Kölsch, Kulmbacher Bier, Mainfranken Bier, Münchner Bier, Reuther Bier. Welches davon heute über das Bayerische und das Kölsch hinaus (noch) Bedeutung hat, überlasse ich dem Leser.
Inoffizielle Qualitätsversprechen
Schließlich noch, wie oben bereits erwähnt, das „inoffizielle Qualitätsversprechen“. Da dient als gute Vorlage, weil am meisten verwendet, das DLG-Siegel. Nur ist gerade dieses mittlerweile derart beliebig und belanglos, dass sich Brauereien, die wirklich ein Versprechen abgeben möchten, sich lieber den European Beer Star, den World Beer Cup oder einen anderen Award auf die Flasche kleben. Dazu muss man sich aber natürlich qualifizieren. Für alle anderen bleibt die DLG (Ironie off).
Fazit: Ist Labelei Laberei?
Flaschen-Label sind ein kniffliges Thema. Zum einen gehört der mündige Konsument informiert, und der Brauer möchte ja auch, so viel Eitelkeit muss sein, sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wenn es jedoch zu viel wird, der Informationsgehalt gegen Null tendiert oder, wie im Falle des Weißbier-Reinheitsgebots-Versprechens, lächerlich wirkt, wird es Zeit, die Labelmania runter zu drehen. Auch Purismus und Bescheidenheit haben ihre Freunde. Weniger ist manchmal mehr.
Brauchen wir ein Craft Beer Siegel?
Abschließend möchte ich noch einen Blick in die Zukunft wagen. Da die USA beim Craftbier immer Vorreiter sind und waren, ist dieser Blick recht einfach. Ganz aktuell, vor dem Hintergrund zahlreicher Übernahmen und geheimer oder offizieller Teilhaberschaften der Big Player (ABInbev, Heineken etc.) an gediegenen, natürlich gewachsenen Craftbier-Brauereien hat sich die amerikanische Brewers Association unlängst entschlossen, ein neues Logo zu präsentieren. Um sich von Konzernbrauereien abzugrenzen und den Konsumenten bei seiner Auswahl – wenn dies ein Kriterium ist – nicht ratlos zurück zu lassen: Die „Unabhängige Craft Brauerei“.
Auch in Deutschland tun sich mittlerweile, besonders beim Craftbier, zwischen kleinen, unabhängigen Brauern und den Konzernen wahre Gräben auf. Und so wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis ein derartiges Logo zur Entscheidung ansteht. Ich würde es begrüßen. Allerdings nicht uneingeschränkt. Denn es gilt, einige wichtige Fragen zu beantworten, da es keinen Verband analog der Brewers Association gibt: Wer soll dabei die Oberhoheit haben? Wer repräsentiert die unabhängigen Brauer? Wer definiert sie? Wer sucht aus? Wer schließt aus? Wer sind sie? Das sollte geklärt werden, BEVOR die eigentliche Diskussion losgeht. Und wenn es als nützlichen Nebeneffekt noch eine Flurbereinigung der diversen Verbände gäbe, wäre das auch nicht schlecht.