Blick in die Nachbarschaft: Was geht eigentlich in Frankreich in Sachen Craft Beer? Können sich weintrinkende Franzosen für Pale Ale und Co. begeistern? Die besten Craft Beer Bars und Shops der Grande Nation im Überblick – plus ein Interview mit Grégoire Agostini, Gründer der Brauerei La Burdigala in Bordeaux, über Craft Beer in Frankreich
Cave à Bulles, Paris
Ein Dinosaurier! Cave à Boules ist der älteste Bierladen Paris‘ und bis heute einer der besten, ach, was soll’s: DER beste Bierladen der Stadt. Direkt im ersten Arrondissement ganz in der Nähe von Hôtel de Ville, Centre Pompidou und Les Halles überwältigt eine gigantische Flaschbierauswahl mit hervorragender Beratung.
- Cave à Bulles
- 45 Rue Quincampoix, 75004 Paris
- Mo. bis Fr., 10 bis 14 und 16 bis 20 Uhr
- Webseite
La Fine Mousse und Les Trois 8, Paris
Kleine Bar, riesige Auswahl! Coole, moderne Location mit einer guten Auswahl französischer Craft Beere (und anderen feinen Sachen, Vin Naturel, Spirits etc.). Und wen der Hunger plagt, der bekommt nur ein paar Schritte weiter im La Fine Mousse ebenfalls Eins-A Craft Beer aus Frankreich und dazu moderne, anspruchsvolle französische Küche
- Les Trois 8
- 11, rue Victor Letalle 75020 Paris – Ménilmontant
- täglich ab 17 Uhr
- Webseite
- La Fine Mousse
- 4 bis Avenue Jean Aicard, 75011 Paris
- Di. bis Sa. 19 bis 1 Uhr
- Webseite
Les Fleurs du Malt, Lyon
Die Malzblümchen haben wohl die beste Auswahl französischer und internationaler Craft Biere in Lyon. Es gibt eine gemütliche Bar, „La Mise en Bière“ und einen Bottleshop, so wie eine Dependance in Nantes.
- Les Fleus du Malt „La Mise en Bière“
- Quai Romain Rolland, 69005 Lyon
- täglich ab 17 Uhr
- Les Fleurs du Malt „La Cave a Bière“
- 56 Cours Gambetta, Lyon
- Webseite
Brune Rousse Houblon, Nizza
Eine Art Geheimtipp: Aus einem Kiosk (Tabac) ist ein kleiner, aber durchaus beachtenswerter Craft Beer Shop geworden mit einer Auswahl an Craft Bieren, die die zwar auf Belgien konzentriert, aber auch einiges französisches im Angebot hat. Achtung: Öffnungszeiten auf deren Seite checken!
- Brune Rousse Houblon
- 2 Rue Raiberti, Nizza
- Webseite
La Capsule, Lille
Freundlicher Service, der sich mit Bier auskennt plus mehr unterschiedliche Bier als man an einem Abend jemals trinken könnte – was will man mehr. In Lille the place to go in Sachen Craft Beer
- La Capsule
- 25, rue des Trois Mollettes, Lille
- Mo. bis Fr. ab 17:30, Samstag ab 16 und Sonntag ab 18 Uhr
- Webseite
Interview Grégoire Agostini: Craft Beer in Frankreich
Wer denkt bei Frankreich schon an Bier? Die Franzosen selbst jedenfalls nicht. „Die wissen nichts über Bier, gar nichts“, sagt Grégoire Agostini, ein self-made Craft Brauer in der Stadt Bordeaux. Wenn er mit seinen Bieren, einem IPA, einem hervorragenden Wit mit Holundeblüten, Tripel, Stout und Honig Ale auf dem Wochenmarkt steht, ist er nur damit beschäftigt, zu erklären, was für sonderbare Getränke das sind. Keine Chance für Craft Beer in Frankreich also?
Franzosen trinken doch eh nur Wein. Gibt es da überhaupt so etwas wie eine Craft Beer Bewegung?
Zunächst gibt es hier eine enorm große Nachfrage an regionalen Produkten, an Bioprodukten und handwerklichen Produkten. Und damit war der Weg für Craft Beer eigentlich frei, auch wenn Frankreich keine klassische Biernation ist. Doch aus dem Interesse an „Craft“ im Lebensmittelbereich ist eine Dynamik entstanden wie in vielen anderen europäischen Ländern auch. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es hier kaum noch Brauereien, gerade mal Fünfzig im ganzen Land. Mittlerweile sind es wieder 700 – und die meisten davon sind in den vergangenen fünf Jahren gegründet worden.
Und spricht man auch von Craft Beer?
Zum Teil, manchmal heißt es auch Bière Artisanale. „Craft Beer“ ist ein bisschen mehr fashion. Viele meiner Kunden haben Bärte. (Er lacht – in seinen Bart.)
Eigentlich kann man sich das ja auch gut vorstellen: In einem Land, wo Essen und Trinken einen so hohen Stellenwert hat, muss eine solche Bewegung doch erfolgreich sein. Die Leute sind da ja sicher auch viel bereiter, mehr für gutes Bier auszugeben.
Die Leute vielleicht. Heißt aber nicht, dass das auch beim Brauer ankommt. Die Sache ist die: Der Brauer will mit der Produktion eines Gutes Geld verdienen. Tatsache ist aber, dass bisher das meiste Geld in der Bierbranche bei den Distributoren gemacht wird. Das ist das Gleiche wie bei den Bauern, die mit der Produktion von Milch, Fleisch und Eiern kaum Profit machen. Die Supermärkte, die ihre Produkte verkaufen, hingegen schon, massig sogar.
Aber du verkaufst den Distributoren doch dein Bier.
Ich will das mal mit einem Beispiel verdeutlichen. Das ist ein Gespräch, das genau so zwischen mir und dem Besitzer einer ausgezeichneten Bar in Bordeaux stattgefunden hat. Er mochte das Bier und wollte nicht lange rumreden. „Ok, sag einfach, was kostet mich dein Bier?“ Ich: „Ich weiß noch nicht genau, aber ich denke drei Euro pro Flasche etwa.“ Daraufhin ist er fast in Ohnmacht gefallen. „Non, non, non, hör zu: Bisher kaufe ich mein Bier für zwischen 80 Cent und 1,20 Euro pro Liter.“ Ich so: „Und für wie viel verkaufst du das deinen Gästen?“ Er: „Vier Euro für ein kleines Glas (Anm. d. Red: ca. 250 ml).“ Das heißt, er verkauft den Liter Bier, den er für einen Euro gekauft hat, für 16 Euro weiter. Der macht 1500 Prozent Marge!
(Ich muss laut lachen) Ziemlich beeindruckend! (Lache weiter)
Non, non, du verstehst nicht: So läuft das in der Bierbranche. In jeder Bar, in jedem Restaurant, im Supermarkt. Immer. Das sind realistische Werte.
Und, hast du zugesagt?
Nein. Ich arbeite dreizehn Stunden am Tag und ich habe keine Wochenenden. Da will ich doch mit meiner Arbeit und meinen Produkten auch etwas verdienen. Wobei das keine leichte Entscheidung war. Um zu überleben, musst du als Brauer von Anfang an eine ansehnliche Menge Bier verkaufen, weil du ja große Investitionen für Hardware und Rohstoffe hast. Deshalb ist es sehr verlockend, schnell Verträge mit Bars oder Supermärkten abzuschließen, die dir eine große Abnahmemenge garantieren. Das Problem ist: Es geht nicht auf! Du arbeitest dir den Hintern wund und verdienst trotzdem kein Geld.
Wie läuft es denn mit der Brauerei Burdigala?
Meine Strategie, ein Highend-Produkt zu machen und in keinem Supermarkt, sondern nur in der Gastronomie und den Spezialitätenhändlern zu verkaufen, geht soweit auf. Ich habe mit 500 Flaschen pro Woche angefangen und mache jetzt 2.000, stelle bald noch jemanden ein. In den Restaurants hier in Bordeaux war noch Platz auf der Karte für besondere Biere. Meine Philosophie dabei ist: Ich mache kein einziges Bier, das allen schmeckt. Aber ich mach sechs so unterschiedliche Biere, dass für jeden eins dabei ist, das ihm schmeckt.
Ist denn die französische Craft Beer Szene sehr vom Nachbarland Belgien geprägt?
Eher nicht, ich sehe viel mehr amerikanische Bierstile. IPAs sind hoch im Kurs.