Auch wir sind schuldig. Auch wir haben schon so oft geschrieben: „Burger & Bier? Match made in heaven!“ Oder: „Wurst und Bier, das rat‘ ich dir!“ Oder sonstige Carnivore-Shantis. So kommt es dann eben, dass man immerzu meint, zum Bockbier passt am besten ein Bockwürstchen oder Pils geht kaum ohne Pelle und so. Dabei stimmt das gar nicht, wie uns Ben Pommer, Küchenchef im BRLO Brwhouse, erklärt. Er setzt in seinen Beer-and-Food-Pairings gern auf Gemüse. Denn: „Gemüse macht Spaß!“ sagt der Koch.
Kulinarisch begründet ist die Annahme, zu Bier gehöre Fleisch, nicht. Das ist alles irgendwie nur Macht der Gewohnheit. Bier ist nun mal „traditionell deutsch“ und so sortieren wir es im Geiste auch schnell zu den „traditionell deutschen“ Gerichten. Haxe und Eisbein. Wurst und Braten. Vor hunderten Jahren schon aß man im Münchner Gasthaus Spanferkel und trank dazu ein Bier. Nur deshalb glauben viele, das müsse eben irgendwie so sein.
Nicht aber Ben Pommer. Denn erstens fühlt der Berliner sich als eben solcher weit weg von bayerischen Gasthausgepflogenheiten und zweitens macht der Koch die Dinge eben gern bewusst anders. Und: Ben Pommer, der Mann, der in der Küche des BRLO Brwhouse das Sagen hat, pflegt ein ganz inniges Verhältnis zu Möhrchen, Grünkohl und Salat. Während seiner Ausbildung hat er unter anderem bei einem Drei-Sterne-Koch Station gemacht, der als erster ein eigenständiges Nur-Gemüse-kein-Fleisch-Menü präsentierte.
Im BRLO Brwhouse stand er nun also vor einer neuen Herausforderung: Seine Liebe für Veggies mit Bier zu paaren. Easy, sagt Pommer. Als wichtige Grundregel für vegetarische Bier-Food-Pairings sind nur:
- Denk immer dran: Die Herausforderung sind Bittere und Kohlensäure.
- Nimm gute Zutaten. Wirklich: gute!
- Gib dem Gemüse ordentlich Power!
Ben, warum macht Ihr das eigentlich? Warum so viel Gemüse – und so wenig Fleisch?
Weil es nur so Sinn macht. Wenig Fleisch, viel Gemüse. Schau: Wer handwerklich gute Biere braut, sollte auch handwerklich gutes Essen dazu servieren. Das fängt bei den Zutaten an. Wir haben also nach handwerklich gutem Fleisch gesucht. Das gibt es natürlich und wir haben Bauern gefunden, denen wir vertrauen – aber die können nur eine begrenzte Menge an handwerklich gutem Fleisch liefern. Das ist ganz natürlich. Wir haben 130 Sitzplätze drinnen und im Sommer nochmal 350 Sitzplätze draußen – da kommt es einfach nicht in Frage, Fleisch als Hauptattraktion auf die Karte zu packen, weil es dafür schlicht nicht reicht. Und außerdem: Wir wollen eben viel mit Gemüse machen, weil Gemüse einfach spannend ist. Gemüse macht Spaß.
Echt? Kartoffel cooler als Perlhuhn? Steckrübe wilder als Steak Tartare? Ich weiß nicht…
Gemüse kannst du auf unglaublich viele Arten und Weisen zubereiten. Wir fermentieren es, wir legen es süß-sauer ein. Wir garen es in unserem Smoker, entweder in Salzkruste oder einfach nur so. Da gibt es viele Spielerein! Wir setzen das Gemüse so in Szene, dass es perfekt zum Bier passt. Bier ist ja im Gegensatz zu Wein ein Begleiter, der teilweise einfach mehr fordert.
Warum das denn?
Weil erstens Kohlensäure drin ist und zweitens oft die Bitteraromatik ausgeprägter ist.
Macht Kohlensäure Food-Pairings komplizierter?
Die macht es nicht zwingend komplizierter, aber Bier ist damit präsenter als Wein. Bier ist fordernder als Wein. Bitteraromatik und Kohlensäure – das sind zwei sehr prägnante Geschmacksmerkmale, um die du erstmal herumarbeiten musst. Nimm mal zum Beispiel Fischgerichte: Dazu kannst du super sehr leichte Weißweine servieren. Genauso zu vielen vegetarischen Gerichten. Die sitzen dann ganz filigran daneben. Das kann Bier wegen der Bittere nicht. Und selbst Sauerbier kann das nicht so ohne weiteres, eben wegen dieser Kohlensäure.
Na, vielleicht heißt das, dass Vegetarisches einfach zu schwach ist, um neben Bier zu bestehen?
(Schüttelt entschieden den Kopf.) Nein, wenn du Gemüse richtig verarbeitest, kannst du ihm seine ganze Power geben. Wir machen hier zum Beispiel ein Karottengericht, bei dem wir die Karotte voll in Szene setzen. Wir garen die einzelne Karotte in einem Sud von der gleichen Karotte, entsaftet und runterreduziert. So bekommt die Karotte richtig Kraft. Oder: Wenn wir unser Karottenpüree kochen, dann salzen und zuckern wir die Karotte leicht, damit sie ihren Saft verliert und dann in ihrem eigenen Saft schmorrt. Was ich damit sagen will: Es gibt ein paar Techniken in der Küche, mit denen man das Maximum aus dem Produkt herausholen kann, ohne viel obendrauf packen zu müssen. Früher hat man gerne noch einmal irgendwie Ingwer dazu gemacht oder Vanille. Aber das brauchst du nicht, wenn du eine wirklich gute Karotte hast.
Welcher Bierstil ist für dich als Koch die größte Herausforderung?
Beim Erstellen der Foodbegleitung zu unserem Tasting-Tray war die größte Herausforderung in der Tat das German IPA. Unser eigenes German IPA deckt eine unglaubliche Bandbreite ab. Geschmack bildet sich immer in Kurven aus, wenn du es so willst. Was schmeckst du als Erstes? Danach kommt ein etwas tieferer Geschmack und dann – wenn vorhanden – die Bitternote. Darüber hinaus hängt das aber natürlich auch davon ab, welche Konsistenz das Ganze hat. Unser German IPA hat einen ordentlichen Bitterton am Ende, ist am Anfang aber extrem fruchtig, fast schon ein bisschen Toffee-artig. Das im begleitenden Gericht abzubilden, ist schon schwierig. Oder sagen wir besser: Es ist spannend! Wir haben bei der Rezeptentwicklung den Geschmack in verschiedene Abschnitte unterteilt. Wie kriegen wir die Bitternote eingefangen? Das war dann die Miso Creme. Und wie kriegen ich diese Toffee-Note, dieses wirklich enorm runde, süße? Hier war unsere Lösung fermentierter Spitzkohl.
Welche Gemüse-Bier-Kombination funktioniert am besten?
Gerösteter Grünkohl passt unglaublich gut zu fast allen Bierstielen. Wobei: Wir reden jetzt nicht über Porter und wir reden nicht über Stouts oder solche Geschichten. Reden wir auch mal nicht über Sauerbiere, sondern bleiben wir mal bei Bieren vom Pils angefangen über Helles, über ein Pale Ale hin zu dem German IPA oder generell zu einem IPA. Also da passt der geröstete Kohl unglaublich gut dazu.
Sonst noch konkrete Pairing-Tipps?
Naja, manchmal kann man Sachen auch passend machen. Wenn man sich die Sensorik vom Bier anguckt und genau auf die Beschreibung lauscht, hört man immer wieder so Klassiker wie „Toastbrot“, „malzig“ oder sowas. Man kann beim Essen dann auch in diese Richtung arbeiten, indem man die Geschmacksrichtung Hefe da reinbringt.
Was ist denn mit Käse und Bier?
Ja, ja und ja. Definitiv. Ich weiß, dass das Thema bei uns noch viel zu kurz kommt. Es ist in der Tat auf meiner to-do-Liste ganz, ganz oben. Wir werden – das verspreche ich einfach schon mal – demnächst hier eine Käsekarte mit abgestimmten Bieren haben. So bald als möglich.
Auf einen Blick
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