Der Zufall bringt vier Männer aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammen, Maische und Hopfen sind der Kitt, der sie fortan zusammen hält – so könnte man, ganz kurz und knapp, die Geschichte des Braukollektiv Freiburg zusammenfassen. Aber das wäre natürlich schade, denn da ist ja noch viel mehr. Hier das ganze Märchen von Dolly, dem Faultier und den Vier aus dem Dreieck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Es waren einmal, vor gar nicht all zu langer Zeit, vier junge Männer, die aus Leidenschaft für gute Biere und aus Unzufriedenheit über das tatsächlich Bier-Angebot selbst zu brauen begannen und – jeder für sich, rund um den Globus verteilt – in ihren Kellern die verschiedensten Zutaten in einen Topf warfen. Mit ganz unterschiedlichen Ansätzen brauten und experimentierten sie so einige Jahre für sich alleine und vor sich hin, hatten gute Sude, und auch weniger gute – wie das halt so ist am Anfang. Zwei der vier Männer wagten sich hierzulande, in Deutschland, so Schritt um Schritt in ihrer Freizeit an neue Bierstile heran, Gil und Bernhard. Die beiden anderen, Chris in Australien und James in Kalifornien, konnten alldieweil unter ganz anderen Voraussetzungen ihrem Hobby, dem Homebrewing, hingeben. Dank eines Brewshops direkt um die Ecke war es zum Beispiel für James um einiges leichter, an neue, bzw. alte Hefestämme und verschiedene Hopfen- und Malzsorten zu kommen, als für die mutigen Deutsch-Brauer im Breisgau.
Von West, von Ost, nach Süden
Eines schönen Tages aber, wie es Zufall oder Schicksal, vielleicht auch beide oder keiner, so wollten, zog es James und Chris unabhängig voneinander nach Deutschland, genauer gesagt nach Freiburg, wo sie bei einem der ersten Brauseminaren im Jahre 2008 Gil und Bernhard ihre Braubrüder im Geiste kennen lernten. Etliche Bierverkostungen später entwickelte sich die Idee eines gemeinsamen Sudes. Gebraut mit den jeweiligen Fähigkeiten der Einzelnen, vermischt mit gemeinsam entwickelten Ideen und der kollektiven Genussfreude an hopfigen Bieren begann somit das Märchen der vier Typen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und Horst. Aber zu dem später.
„It was magic ever since“ schmunzelt James, nach der ersten Vorstellung der Truppe. Es ist Freitagabend, draußen ist es ungemütlich regnerisch, sie sitzen in der Bar „Die Bar“, dem Bierhotspot Freiburgs. Auch andere Freiburger Brauer genießen hier ihr Feierabendbier, man kennt sich. Die Gespräche sind durcheinander, doch herzlich.
Braukollektiv Freiburg sagt: Hello, Dolly!
Noch vor der Gründung des Braukollektivs 2013 trafen sich die vier Jungs mit befreundeten Gastronomen und Bekannten, jeder brachte sein selbst gebrautes Pale Ale mit, dann wurde verkostet, sehr viel rumgerechnet und verändert, und letztendlich entwickelte sichein Bier namens „Dolly“ daraus. Die vier Hopheads wollten sich mit Dolly, dem schwarze Schaf im deutschen Bier-Standardsortiment, von Pils, Dunklen und Hefeweizen in der Freiburger Bierwelt absetzen. James und Chris vermissten außerdem schmerzlich ihre bittere Auswahl aus den Heimatländern. Selbst in Frankreich oder der Schweiz war bereits viel mehr los mit Craftbeer, als in Freiburg, wo viele kleinere Brauereien in den letzten Jahren die Produktion einstellen mussten und somit die Biervielfalt sehr gering ausfiel.
Irgendwann da muss es auch gewesen sein, als aus dem vielen Rumgehobbybraue Ernst wurde und das Braukollektiv Freiburg beschloss, das mit dem Brauen zu professionalisieren. (Obwohl sie natürlich alle auch „echte“ Berufe haben, ganz unterschiedliche, das Kollektiv besteht aus einem Chemiker, einem Bildungsplaner, einem Kriminologen und einem Fotografen.) Die Welt hatte Dolly irgendwie verdient. Es mussten also größere Mengen her um einen eigenen Vertrieb starten zu können. Zum Glück kennt man sich im unter Brauern im Breisgau wie gesagt. Und da bereits Kontakt zu Achim von der Brauerei Rogg in Lenzkirch bestand, und die Brauerei die perfekte Größe, eine normale Flaschenabfüllung und natürlich das Interesse an einer Kollaboration hatte, konnte das frisch gegründete Braukollektiv direkt als Kuckucks-Brauerei das erste entwickelte Bier in die Tat umsetzen und im größeren Stil in Lenzkirch brauen.
Traditionsbrauer staunen nicht schlecht
Gil und Co. müssen heute noch lachen, wenn sie an den Blicken des Brauers der traditionellen Brauerei denken, als sie mit dem Hopfenstopfen begannen. So viel Hopfen? Das war ihm neu. Und überhaupt, die Technik? Nun, was im Hobbykeller funktioniert hatte, musste im Sudhaus noch ein bisschen geübt und angepasst werden, aber mit der richtigen Menge Amarillo, Simcoe, Tettnanger und Magnum gelang es dann doch, Dolly, ein freundliche, schafweiches und rundes IPA zu kreieren, das die Freiburger Biertrinker nicht überrumpelte, aber neugierig und durstig auf mehr machte und immer noch macht. Als erstes Freiburger IPA auf dem Markt wird Dolly sehr gut angenommen. Zwar ist Freiburg grundsätzlich inzwischen mehr Wein- als Bierregion, doch genau darin sieht das Braukollektiv Freiburg eine große Chance. Der Hang zum Wein sei weniger Konkurrenz, als viel mehr Bereicherung: Weintrinker sind sensorisch meist bereits besser geschult und gehen mit einem komplett anderen Geschmacksempfinden an Verkostungen als Biermenschen, „mit feinerer Nase und empfindlicheren Geschmacksknospen“, sagt Bernhard. Und darauf lässt sich doch gut aufbauen.
In Freiburg verkaufte sich das IPA so gut, dass weitere Sorten schnell hinzukommen. Und so gesellen sich Horst, das American Brown Ale, Moe, ein leichtes Summer Ale mit neuseeländischem Hopfen, Jaques, ein super fruchtiges und bitteres West Coast IPA, und Ziggy, das Alternative Pale Ale, zum Kollektiv. Alternativ ist Ziggy deshalb, weil bei jedem Sud anderer Hopfen drin ist und statt Pale Ale Malz ein Pilsner Malz verwendet wird – alternative Zutaten also. Zuletzt im Sortiment: Ziggy #5 mit ElDorado und Mosaic Hopfen, jetzt aktuell Ziggy #6 mit Columbus, Citra, Simcoe.
Die Nähe zur Schweiz und nach Frankreich ermöglicht es dem Braukollektiv Freiburg die Fühler weiter auszustrecken und tolle Collaborationbrews zu machen, wie zum Beispiel das erste mit der französischen Brauerei Sainte Cru. Allein der ganze Papierkram ist sehr lästig und erschwert den Export ein wenig, beschwert sich Gil, „aber man findet dann doch so seine Wege“. Sie lachen und erzählen Geschichten von Schweizer Biermessen und Erlebnissen in Frankreich.
„Ein Horst, bitte!“
Die nächste Runde Bier wird bestellt: „Ein Horst, bitte!“ Also eins muss man dem Kollektiv schon lassen: Die Namen ihrer Biere gehen wirklich leicht über die Lippen und bleiben im Gedächtnis. Und optisch einprägsam ist das Braukollektiv Freiburg schon auch. Verantwortlich für das Etikettendesign ist Johannes, Grafiker mit ausgeprägtem Sinn für Marketing und einem guten Händchen dafür, aus Wahnsinn etwas Wahres zu machen. Der Name und das Tier stehen nämlich meist schon fest, das denken sich die Brauer aus. Johannes macht dann aus verrückten Ideen verrückt gute Zeichnungen. Horst zum Beispiel hätte, so kam’s aus den Brauerköpfen, eigentlich als eine Art David Hasselhoff als Bär mit Hopfendolden jonglierenden auf einem Einrad dargestellt werden sollen. Jetzt chillt Horst mit Sonnenbrille in entspannter Pose auf der Flasche. Is besser so.
Das Braukollektiv Freiburg hat sich noch einiges vorgenommen: Der Absatzmarkt soll sich vergrößern, obwohl man dank Bierlinie inzwischen schon deutschlandweit Dolly und die anderen Sorten bestellen kann. Neue Biersorten zusätzlich zu den Standardsorten sind in Planung, die nächsten Braumessen und Brauseminare stehen an und Kollaborationen mit anderen Brauereien stehen auch schon im Kalender. Langfristig gesehen, gibt es natürlich den Traum der eigenen Brauerei und die Perspektive hauptberuflich von Bieren und Brauen leben zu können. So dass dann am Ende des süddeutschen Craft Beer Märchens stehen kann: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann brauen sie noch heute.
Auf einen Blick
Braukollektiv Freiburg
James Tutor, Gil Scheuermann, Bernhard Frenzel, Chris Murphy
aus dem Standard-Sortiment (ganzjährig verfügbar)
- Dolly – IPA
- Jacques – West Coast IPA
- Ziggy – Pale Ale
Hopfenhelden-Tipp: Horst – Brown Ale. So selten, so gut.