Herrengedeck is back – sort of. Biercocktails sind ein Ding. Und: Nein, wir sprechen nicht von Biermischgetränken, sondern von richtig feinen Drinks. Der Barmann Lee Daniel Hobbs gibt hier handfeste Tipps für das richtige Mixen mit Bier.
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Fancy war noch nie so einfach: Bierchen, Schnaps dazu – fertig ist der derzeit vielleicht coolste Cocktail der Berliner Barszene. Glauben Sie nicht? Klingt wie ein schnödes Herrengedeck? Und was daran cool und neu sein soll? Ja nun, wenn man die Craft-Variante des ollen Klassikers serviert, ist man mit der „Berliner Strippe“ ganz schnell ganz weit vorn.
So nämlich heißt der wiederentdeckte Klassiker. Und da knallt man dem Gast freilich kein 08/15-Pils plus Korn auf den Tresen, sondern es bedarf einer Berliner Weisse, einer echten und guten, und eines anständigen Kümmelschnapses. Ein ziemlich großartiges Geschmackserlebnis, zitrusfrisch und würzig zugleich, mit dem man die Fraktion Gin-Basil- Smash und andere Bessertrinker hervorragend überraschen und in einen gelungenen Abend starten lassen kann.
Biercocktails sind die unterschätztesten Cocktails von allen. Eben weil man gedanklich viel zu schnell bei „Bier mit Schnaps“ ist. Und weil es unter den deutschen Biertrinkern viele gibt, die sofort Tod und Teufel schreien, wenn man auch nur andeutet, ihnen etwas ins ach so reine Reinheitsgebotsbierchen zu kippen. In gewisser Weise kann man die auch verstehen. „Bier“ und „mischen“ ruft natürlich schnell den Gedanken an „Biermischgetränke“ hervor, die, vollgepumpt mit Aromastoffen und Zuckerlösung, allzu selten große Geschmackserlebnisse oder gar etwas sind, womit sich ein Barkeeper, der etwas auf sich hält, sehen lassen möchte.
Klar sollte sein, dass schnödes Billigbier nicht Grundzutat eines gelungenen Biermixes sein kann und dass auch hier – wie bei den Spirituosen selbstverständlich auch – Qualität und Vielfalt gefragt sind. „In der Bar gilt immer: Minus und Minus ergibt nicht Plus! Alle Zutaten müssen top sein. Das ist wie mit dem Make-Up bei einer Frau. Das soll ja auch ihre natürliche Schönheit unterstützen und sie nicht zukleistern.“
So sagt das ein Mann, der sich mit Bars und Cocktails ebenso gut auskennt wie – offenbar – mit Frauen: Lee Daniel Hobbs, Halb Engländer, Halb Hamburger und Vollprofi in Sachen Bar. Nach der Restaurantfachschule bildete er sich intensiv und internationale im Bereich Mixologie fort, arbeitete als Barsupervisor der Marriott Hotels in London und schmiss die Bar des Kempinski in St. Moritz in der Schweiz. Nach seiner Rückkehr an die Elbe, gründete er zwischen Reeperbahn und Schanzenviertel „The Walrus“, wo er unter anderem ganz vorzügliche und einzigartige Biercocktails mixt. Das mache seit ein paar Jahren erst richtig Spaß sagt er, seit er nämlich auch hier in Deutschland Zugriff auf ziemlich viele ziemlich hervorragende Biere hat. Der Craft Beer Bewegung sei’s gedankt.
„Biercocktails lohnen sich für jeden Wirt und Barbesitzer, denn man kann damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Hobbs. Zum einen dürfte es ja keinem Gastronom entgangene sein, dass das Thema Bier, insbesondere Craft Beer, in den vergangenen Monaten immer wichtiger geworden ist. Man könnte fast sagen: Dass man darum einfach nicht mehr herum kommt. „Es ist wichtig, Craft Beer anzubieten“, sagt etwa Hobbs. Sonst fehlt einfach etwas, das viele Gäste mittlerweile in der gut sortieren Bar schlicht erwarten. „Immer mehr Kollegen machen das auch und haben fünf oder zehn Sorten auf der Karte. Wenn man aus denen dann auch noch Cocktails mixt, hat man gleich noch ein zweites, superspannendes Angebot geschaffen, mit dem man sich von der Masse – und allen anderen, die mittlerweile Craft Beer auf der Karte haben – abhebt.“ Noch sind Biercocktails in Deutschland eher selten. Deshalb, so Hobbs, bleibe ein Gin Fizz mit Bier beim Kunden einfach noch tiefer in Erinnerung als ein normaler – so gut der auch gemacht sein mag. Craft Beer allein? Das wäre ein dem-Trend- hinterher-Gerenne. Craft-Beer- Cocktails? Das ist Avantgarde. „Und es spart Platz und Lagerfläche, denn das Craft Beer ist ja ohnehin schon da. Man kann das Bier doppelt verwenden“, sagt Hobbs ganz pragmatisch.
Im Grunde hat die Kreativität eines Barmannes bei Biercocktails freie Fahrt. Kombinationen mit quasi jeder Spirituose seien möglich, sagt Hobbs. Weil zu viele Möglichkeiten die Wahl dann aber ja oft noch erschweren, hat er auch gleich ein paar handfeste Tipps und Inspirationen für Biercocktail- Einsteiger parat: „Oft nehme ich bestehende Cocktails und überlege, ob man die nicht auch mit Bier machen könnte“, sagt er. „Dabei kann man ruhig als Faustregel nehmen: Bei jedem Drink, der mit Wasser aufgegossen wird, lohnt es sich, einmal einen Gedanken darauf zu verwenden, ob hier eine Variante mit Bier nicht mal eine tolle Alternative wäre.“
Der bereits angesprochene Gin Fizz, der sonst mit Soda aufgegossen wird, wäre da ein Beispiel. Wenn man stattdessen einmal ein schöne, weiches Pale Ale verwendet, bekommt man einen herrlich fruchtigen Drink, der – je nach im Bier eingesetzter Hopfensorte – eine ganz besondere Maracuja-, Mango oder Grapefruit-Note hat. „Ein Bier-Gin- Fizz ist vollmundiger und runder als der klassische Gin Fizz“, sagt Hobbs, der während seiner zahlreichen Bierversuche ein beständiges Muster erkannt hat: „Die alkoholischen Noten der Spirituose unterstützen die Fruchtigkeit eines Bieres.“ Fruchtig sind in der Regel hopfenbetonte Biere wie Pale Ales, IPAs oder hopfengestopfte Lagerbiere.
Genauso spannend aber seien dunkle Biere, erklärt der Barmann weiter. Hier liegt der Fokus des Brauers für gewöhnlich mehr auf der Malzmischung, die auch die Farbe eine Bieres bestimmt. Oft bringen dunkle Biere Röstaromen, etwas Kaffee, Karamell oder Zartbitter mit. „Solche süßen, schokoladigen Drinks auf Porter oder Stout-Basis sind eine ganz hervorragende Sache“, findet Hobbs. Zum Beispiel können man ein vollmundiges, nachtschwarzes Imperial Stout gut und gern einmal mit einem Schokoladenlikör oder mit Rum mixen. „Ein guter Whiskey oder ein fassgelagerter Tequila gingen auch.“
Apropos und Stichwort Whiskey: Ob ihrer engen Verwandtschaft – immerhin werden Whiskey und Bier aus denselben Zutaten (Wasser und Malz) gemacht und erst gegen Ende der Produktion scheiden sich ihre Wege – eignen sich Whiskey und Bier ganz wunderbar zum mixen und paaren. Hobbs‘ empfiehlt zum Beispiel einmal mit einem Bier-Whiskey- Sour zu starten. Cremige Stouts bieten sich hier ganz besonders an. Oder wer es sich einen Schritt komplizierter machen will, der kocht aus einem dunkeln Bier eine Art Biersirup und mixt damit. Vor der Bittere mancher hopfenbetonter Biere müsse man sich keineswegs fürchten, so der Barmann. Er und seine Kollegen wissen, dass eine
gewisse Bittere jedem Getränk ganz gut tut.
Saure Biere, wie die bereits angesprochene Berliner Weisse, können hingegen die Basis eleganter Sommerdrinks und Aperitifs sein. Ganz klassisch, aber dabei gar nicht simpel: Eine Berliner Weisse, rot oder grün, nur aber mit selbstgekochten Fruchtsirups oder erlesenen Likörchen gemischt. Das ist, muss man freilich zugeben, auch keine neue Erfindung: Tatsächlich hat man so die original Berliner Weisse bereits in den goldenen Zwanzigern in der rauschenden Hauptstadt getrunken. Vorzugsweise mit Holunderblütensirup – oder frischem Waldmeister in einer Art Bowle.
Überhaupt hat das Thema Biercocktails eine gewisse Tradition, wenngleich dabei nicht von Cocktails gesprochen wurde. In Großbritannien etwa gab es vor hundertfünfzig Jahren noch fast überall sogenannte „Beer Punches“ in den Bars der größeren Städte. Ein Klassiker etwa ist die Dog’s Nose, mutmaßlich der liebste Drinks des Novelisten Charles Dickens und im Grunde eine britische Art des Herrengedecks: Ein Schlückchen London Dry Gin in einem Pint Porter. Beer Punches haben wiederum ihre Wurzeln im Mittelalter, als Bier noch als die gesündere Alternative zum oft Bakterien verseuchten Wasser war und von allen, von Jung und Alt, getrunken wurde. Insbesondere Jung schummelte sich durch die Zugabe von Kräutern und ähnlichem durch das wesenhafte Bittere eines Bieres. Bisweilen wurden auch Heilpflanzen ins Bier gemischt – aus medizinischen Gründen.
Ein einzige, riesengroßes No-Go gibt es bei aller erlaubten Kreativität in der fabelhaft bunten Welt der Biercocktails dann doch: „Natürlich sollte man das Bier niemals shaken“, sagt Lee Daniel Hobbs und lacht. Eigentlich ja total klar, aber er sagt es trotzdem lieber mal. „Am besten ist es, das Bier auf den Drink zu zapfen.“ Mit Ruhe und Sorgfalt. So sieht es im Glas dann nämlich auch am Schönsten aus – mit einer soliden Schaumkrone auf dem extravagantem Getränk.
COCKTAIL REZEPTE
- Dogs Nose
360 ml Porter
1 ½ Tl. brauner Zucker
45 ml Genever oder Gin
Eine Prise Muskat
Wärmender Winterdrink: Porter in einem Topf langsam auf ca. 60 Grad erhitzen, Zucker darin auflösen, in eine vorgewärmte Tasse füllen, Gin dazu und den Schaum mit Muskat garnieren.
- Green Devil
Absinth
12 ml. Gin
330 ml. Belgisches Blondbier (z.B. Duvel)
Tulpenförmiges Bierglas mit Absinth durchschwenken, Gin einfüllen, mit Blondbier auffüllen, so dass eine schöne, große Schaumkrone entsteht.
- Coffee Stout Espresso Martini
30 ml Tequila (silber)
15 ml Agavensirup
30 ml Espresso
5 ml Vanille Extrakt
45 ml Coffee Milk Stout/ anderes Stout
Kaffeebohnen und Vanilleschote zur Dekoration
Tequila, Agavensirup, Esprrsso und Vanille in einem eisgefüllten Cocktailshaker mixen. In ein Martini Glas füllen und mit Stout auffülllen – mit Kaffeebohne und Vanilleschote servieren.
- Strawberry Blonde Brewjito
12 ml heller Rum
6 ml Zitronensaft
6 ml Agavensirup
60 ml Blond Beer/ Helles/ Lager
1 Erdbeeren
5 Minzblättchen
Erdebeere und Minze zerstoßen, Agavensirup dazu. Zitronensaft, Rum und Eis hinzufügen – shaken. Mit Bier aufgießen und vorsichtig über ein Sieb in ein gekühltes Glas füllen. Mit Erdbeeren und Minze garnieren.
BÜCHER ZUM THEMA
- Cocktails on Tap: The Art of Mixing Spirits and Beer von Jacob Grier (2015)
- Beer Cocktails: 100 recipes using lagers, ales, stouts and more von Dave Adams (2017)
- The Beertails Bible: Creative Recipes for Beer Cocktails von Jon und Lindsey Yaeger (2018)