„Die Welt“ sprach von einem „Lichtblick für das deutsche Bier“. Nein, nicht die ganze Welt, nur die gleichnamige Zeitung aus dem Springer Verlag. Was war passiert, dass die Wirtschaftsredaktion des Blatts in der, wie sie schrieb, „schlimmsten Krise“ für die deutsche Braubranche ein Licht sah? „Handwerkliches Bierbrauen ist in Deutschland nun anerkannt als ,Immaterielles Kulturerbe‘. Das bedeutet, es ist nur noch einen Schritt entfernt vom Status des Weltkulturerbes“, freute sich das Blatt. Das war im April 2020.
Was bringt das?
Es deutete sich schon damals an, dass zwar jeder Weg mit dem ersten Schritt beginnt, wie Lebensweisheiten-Verbreiter gerne sagen. Aber das schließt nicht aus, dass man sich verläuft oder nach dem ersten Schritt stehenbleibt oder allenfalls auf der Stelle tritt. Danach sieht es gerade aus. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich die Frage stellen muss: Was bringt es, wenn ein Bier oder die Art Bier herzustellen Weltkulturerbe ist? Das Bier wird ja dadurch weder besser noch schlechter.
Belgisch Bier ist seit 2016 Weltkulturerbe
Ob sich durch solche Auszeichnungen die Verkaufszahlen steigern lassen, ist auch umstritten. Ende 2016 wurde die Bierkultur in Belgien in die Liste des immateriellen Kulturerbes in die UNESCO-Liste aufgenommen. Das hat dem Belgien-Tourismus und dem Export belgische Biere sicher nicht geschadet. Aber auch bevor die Welt sich offiziell vor der belgischen Bierkultur verneigt hat, hat sie Menschen von überall her begeistert. Die Belgier sind die bisher einzigen, die es geschafft haben, ihr Bier zum globalen Kulturgut zu erheben.
Das dürfte die deutschen Brauer geärgert haben. Denn die hatten pünktlich zum 500. Jahrestag versucht, das sogenannte Reinheitsgebot zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. „Die Aufnahme des fast 500 Jahre alten Reinheitsgebotes für Bier als traditionelle Handwerkstechnik in das Verzeichnis des Weltkulturerbes wäre für die deutschen Brauer und Mälzer Würdigung und Ansporn zugleich“, erklärten die damaligen Präsidenten des deutschen und des bayerischen Brauerbunds, Hans-Georg Eils und Friedrich Düll, 2013.
Das Reinheitsgebot ist gescheitert
Das Ergebnis ist bekannt: Die UNESCO-Weltkulturerbe-Kommission lehnte den Antrag ab und nahm stattdessen lieber den rheinischen Karneval in die Liste auf. Eine Lebensmittelvorschrift, die deutsche Brauerinnen und Brauer einschränkt, Bierkultur also einengt und reglementiert, interessiert die Brau-Welt allenfalls am Rande. Warum sollte also die Weltkulturerbe-Kommission die Luft anhalten bei diesem Antrag aus Deutschland.
Neuer Versuch: Handwerkliches Brauen
Nun also das „Handwerkliche Brauen“. Ein gewagter Vorstoß. Hieß es doch in der Begründung zur Ablehnung des Antrags mit dem Reinheitsgebot: „Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist. Der Mensch als Wissensträger der Brautradition scheint zunehmend eine nachrangige Rolle zu spielen.“
Verfahren hängt
Aber wie sieht es denn aus mit dem neuen Verfahren? Timm Nikolaus Schulze, der Pressesprecher der deutsche UNESCO-Kommission, erklärt es auf Anfrage von Hopfenhelden so: „Alle Trägergruppen eines Eintrags aus dem Bundesweiten Verzeichnis können sich mit einer Interessensbekundung an das Fachkomitee wenden, wenn sie eine Nominierung durch die Bundesrepublik Deutschland oder eine Beteiligung Deutschlands an einer multinationalen Nominierung für die internationalen Listen des Immateriellen Kulturerbes anstreben. Das Fachkomitee prüft dann die Interessensbekundung und müsste diese im Falle einer positiven Einschätzung Bund und Ländern empfehlen, die diese dann bestätigen müssten. Erst danach würde eine Nominierung gemeinsam erarbeitet und bei der UNESCO eingereicht, dort vom Evaluation Body geprüft und schließlich vom Zwischenstaatlichen Ausschuss entschieden. Vor Versand einer Interessensbekundung empfiehlt es sich, dass die Trägergruppe mit der Geschäftsstelle Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission Rücksprache hält.“
Auch Tschechien will mitmischen
Und: „Beim Handwerklichen Bierbrauen sind uns keine Bekundungen bekannt. Einschätzungen zu Erfolgsaussichten für den Fall einer noch erfolgenden Bekundung können wir grundsätzlich nicht geben.“ Also: Der Ball liegt noch in Deutschland.
Begegnung in der Kneipe
Und in Tschechien. Denn die tschechische Bier- und Malzvereinigung möchte ihre heimische Bierkultur ebenfalls auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO setzen lassen. Nicht nur das Endprodukt, auch die Rohstoffe und der Brauvorgang sollen mit einbezogen werden, lautet die tschechische Strategie. „Es geht auch um den sozialen und kulturellen Aspekt der Begegnung in der Kneipe“, erklärte Martina Ferencová, die Geschäftsführerin der Vereinigung den tschechischen Medien.
Bier soll den Tourismus stärken
Der Verband erhoffe sich davon auch einen Anstieg des Tourismus, berichten tschechische Medien. Im Vordergrund der Bewerbung soll allerdings der heimische Konsum stehen. „Die tschechische Bierkultur, die Tradition der Herstellung tschechischen Lagerbiers und natürlich der Ruhm des tschechischen Bieres sind weltweit bekannt“, erläutert der Verband auf seiner Homepage. Aber auch die Tschechen sind in diesem Rennen um Weltruhm im Verfahren erst bei den ersten Schritten.
(2. Februar 2024)